Overwatch im großen Test
Blizzard lässt es mit seinem ersten Multiplayer-Shooter Overwatch ordentlich krachen. Kunterbunt und trotz kleiner Schwächen sehr spaßig. Abwechslungsreiche Kämpfe mit grundverschiedenen Helden und einer ganz eigenen Dynamik haben uns im ausführlichen Test positiv überrascht.
Overwatch = Titan 2.0?
Die Entwicklung von Overwatch hat in den letzten Jahren viele Änderungen erfahren, deshalb weil es nicht Plan A war und auch nicht groß in den Köpfen der Entwickler geschlummert hat. Die „World of Warcraft“-Macher hatten anfangs das Konzept „Titan“ im Sinn. Dieses langjährige Projekt sollte das nächste WOW für die neue Generation sein. Weite Bereiche, epische Kämpfe und gute Multiplayer-Anbindung. Leider verlor Blizzard-Chef Mike Morhaime irgendwann die Leidenschaft für dieses Mega-Projekt mit inzwischen sieben jähriger Entwicklungszeit. Titan wurde am 23. September 2014 offiziell eingestellt. Aus vorbei, Affe tot. Über Jahre hinweg gab es kleine hoffnungsvolle Hinweise die jedoch mit vielen Enttäuschungen verbunden waren. Zum Beispiel, dass mehrere Entwickler vom neuen Projekt abgezogen wurden oder dass es seit Monaten kein Lebenszeichen gab. Auf der BlizzCon 2014 wurde überraschend Overwatch vorgestellt. Quasi aus den Ruinen von Titan ist ein neuer Multiplayer-Titel entstanden. Sogar der erste Ego-Shooter von Blizzard überhaupt.
Multiplayer mit Storyrahmen
Je näher der Release kam, desto lauter wurden die Stimmen auf Facebook und Reddit, dass es doch nur eine lahme Kopie von Battleborn sei. Das stimmt nicht. Im Gegensatz zu Battleborn besitzt Overwatch keine Kampagne sondern ist einzig auf den starken reinen Multiplayer ausgelegt. Obwohl es hier genug Stoff für eine gute Story gegeben hätte. Zu Anfang werden wir im gelungenen Pixar-Look begrüßt und die Ausgangssituation wird erklärt. 21 Helden bestehend aus Wissenschaftlern, Soldaten und Außenseitern wurden zur „internationalen Eingreiftruppe“ formiert, die Frieden über unsere zerstrittene Welt brachte. Overwatch war geboren. Über die Jahre hinweg, wurde der Einfluss kleiner und das Misstrauen größer. Die Organisation wurde aufgelöst. Jetzt bekämpfen sich die einstigen Freunde auf sehr detailreichen Maps. Keine Sorge, zu ernst wird es nicht weil es das ironische Konzept gar nicht zulassen könnte. Wir steuern jeweils einen Helden, der seine eigenen Vor und Nachteile mit sich bringt. Das große Plus von Overwatch ist die Liebe zu Alleinstellungsmerkmalen der Figuren. Wir starten mit „Soldier 76“ eine Art „Call of Duty“ Charakter mit fetzigen Sprüchen, Sturmgewehr im Anschlag und endlosem Sprint.
Viel Auswahl, stimmige Maps, großer Spaß
Doch bevor es in die epochalen Gefechte mit anderen Spielern geht muss das Tutorial in dreifacher Ausführung beendet sein. Man merkt Blizzard sofort an, dass sie sich viele Gedanken über das Gameplay jedes Helden gemacht haben. In den folgenden Übungen lernen wir das sehr gut ausgearbeitete Gunplay an Bots und Angriffe mit unserer, später im Match, verfügbaren Spezialfähigkeit. Soldier 76 ist der typische Ballermann ganz im Gegensatz zum schwäbelenden Reinhardt der mit riesigem Hammer auf die Jagd geht, Revolverheld Django ist herrlich zynisch geraten. Diese Feinheiten machen Overwatch selten langweilig und bringen sehr viel Abwechselung in den eher kleinen Umfang. 4 Klassen stehen zur Auswahl mit mindestens 5 Figuren, diese sind „Offensive“, „Tanks“, „Defensive“ & „Unterstützer“. Als Offensive sind wir meist an vorderster Front, halten Gegner ab und versuchen den Zug oder die Zone zu sichern. Tanks haben im Spiel die meisten Gesundheitspunkte und können deswegen auch viel Schaden einstecken weil sie ständig in der Schusslinie stehen. In der Defensiven treffen wir auf Gegner mit „One Shot“ Waffen deren es als Ausgleich an Agilität fehlt. Die Unterstützer sind die bekannten Medis, die im tödlichen Notfall uns wieder gesund aufs Spielfeld setzen. Klassisch und gut.
„Wie ist der Auftrag?“
Die Online-Partien sind durchweg gut inszeniert und warten mit sehr schönen Gängen und Innenräumen auf. Der Animationslook wird konsequent fortgesetzt und bleibt mit den flotten Sprüchen der Hauptprotagonisten sehr unterhaltend. Eines der großen Vorteile von Overwatch ist, dass es unglaublich einsteigerfreundlich ist. Nach nicht mal 10 Minuten rast, springt und schießt ihr euch mit Bravour durch die Gebiete. Sehr lobenswert! Per Quick- oder im Benutzerdefinierten Match können wir unser Talent in vorerst nur 4 verfügbaren Modi zu Beweis stellen. Kontrolle, Punkteroberung und Frachtbeförderung. In Kontrolle müssen wir vorher bekannte Zonen vor unseren Gegnern verteidigen, wer als erstes 100% des Schlachtfeldes dominiert gewinnt die Runde. Gezählt wird im „Best of Three“-Modus. Punkteroberung ist das klassiche „Conquest“-Format, ist ähnlich wie Kontrolle, als Team müssen wir die Gegenseite mit allen Mitteln daran hindern bestimmte Punkte einzunehmen. Ganz anders spielt sich „Frachtbeförderung“, es gilt einen Zug oder eine Limosine von A nach B zu befördern ohne dass es unsere Feinde verhindern. Overwatch ist ein Teamshooter, nur mit einem zusammenarbeitenden Team habt ihr die Chance eure Gegenseite zu besiegen. Alleingänge werden meist bitter bestraft. Keine Sorge, mit random ausgesuchten Spielern lassen sich Partien auch gewinnen. Die Maps sind allesamt sehr stimmig und bunt gemischt. In Hollywood kämpfen wir in einem Filmstudio, in London durch gepflasterte dreckige Straßen und Griechenland besticht mit urlaubsreifen Meerpanoramen.
Sofort verliebt auch mit Abzügen
Das gute alte Streetfighter-Problem ist zu erkennen. Ein spaßiger Titel, dem es jedoch an Umfang mangelt. Einen positiven Aspekt hat Blizzard von sich aus in die Waagschale geworfen – alle demnächst erscheinenden DLC´s sind kostenfrei. Wir werden in rund 1 Jahr nochmals reinschauen um euch ein Feedback zu den kommenden Inhalten zu geben. Viele von euch fragen sich, ob es auch die gefürchteten Microtransaktionen gibt. Ja, aber nur in sehr kleinem Ausmaß. Mit jedem Levelaufsteig bekommt ihr eine „Loot-Box“, die gewonnenen Gegenständen dienen nur zur Individualisierung (Emotes, Sprüche, Skins, Siegerposen) eurer Spielfigur und bietet keine inhaltliche Verbesserung eurer Fähigkeiten. Also kein Grund echtes Geld zu investieren. Die Technik kommt sauber mit 60fps auf die Playstation 4. Abstürze oder Grafikfehler wie Clipping oder Kantenflimmern haben wir nicht bemerkt. Die deutsche Synchro überzeugt mit bekannten Sprechern und ohne Schwierigkeiten. Einen technischen Makel hat Overwatch. Die Pingrate. Dieser Wert bestimmt die Kommunikation zwischen Spiel – Server, sie liegt hier nur bei 20 während „Battlefield 4“ und der Steam-Hit „Counter Strike CS GO“ schon bei 60 sind. Da sollte Blizzard nachpatchen.
Fazit
Overwatch macht Spaß. Die Soundkulisse ist wunderbar brechend und der Theme erinnert an die Superhelden-Kollegen von Marvel. Es sagt viel über ein Multiplayer-Spiel aus, dass ich im ersten Testlauf schon über 6 Stunden darin versenkt habe. Es sollten mehrere folgen. Die Helden mit ihren greifbaren Eigenheiten, die Maps mit unglaublich viel Herz und Ideen entwickelt und der bunte Look lassen einen völlig in der Welt von Reinhardt, Tracer und Genji versinken. Natürlich gibt es einige Frustmomente, bei denen man am laufenden Band den Löffel abgibt jedoch überwiegen die positiven Erlebnisse mit Freunden und völlig unbekannten auf dem Spielfeld. Wenn Blizzard am Umfang noch zwei bis drei große Schippen drauflegt, wird Overwatch ein Spiel sein, dass den Schlüssel zu meinem Gamerherzen längst inne hat. Schleimig, aber musste sein.
Entwickler: Blizzard – Preis 59,99 Euro – Für PS4, Xbox One und PC – USK: ab 16
Overwatch: Origins Edition (Playstation 4)
Spielspaß - 88%
Gameplay - 92%
Grafik - 87%
Technik - 85%
88%
Empfehlung!
Overwatch präsentiert einen kurzweilig spaßigen Multiplayer mit ganz eigenen Figuren, das leider im Umfang seine Schwächen zeigt.