Kino

Filmkritik zu After Truth | Schmonzette auf RTL2-Niveau

Gerade in diesen Tagen sollte das Kino doch ein Zufluchtsort vor der unangenehmen Realität sein. Doch mit „After Truth“, der Fortsetzung von „After Passion“ rechnete man nicht. Inwiefern man selbst die Peitsch-Zieh-Aus-Orgien á la „Fifty Shades“ gekonnt nochmal sauber unterbietet, fasst unser Filmkritiker zusammen.

Pilcher-esk

Stönnen. Körperwindungen. Seufzen. So ähnlich erlebte ich die Reihe um Christian Grey im Großteil der „Fifty Shades“-Teile sitzend zwischen hauptsächlich Frauen in prickelender Sektlaune. Naja, nüchtern würde das auch niemand länger als 10 Minuten aushalten. Obwohl ich mich nach dem finalen Aufstöhnen in Teil 3 „Gefährliche Liebe“ sicher vor derartigen Machwerken wähnte, machte sich „After Passion“ auf, die Herzen der meist weiblichen Zuschauer mit Pilcher-esken Handlungsfäden zu erobern. Quasi die Fan-Fiction, der Fan-Fiction. Inhaltlich basiert Anna Todd’s Buchreihe „After“ (Anm: Heißt wirklich so.) auf „Fifty Shades of Grey“, das wiederum auf „Twilight“ den Ursprung findet. Somit eine wilde gnadenlose Interpretationsorgie rund um die simple Liebesbeziehung eines harten Typen und schüchternem Mädchen. Während „After Passion“ noch den Ehrgeiz besaß wenigstens ohne Fummelei sondern sich rein auf den nicht vorhandenen Plot zu konzentrieren, um wirklich JEDES Klischee zu erfüllen, geht „After Truth“ den entgegengesetzten Weg. Sex. Sex. Sechs.

Für alle, die das Erstlingsende verdrängt oder verschlafen haben – hier in einem Satz: Tessa Young (Josephine Langford) findet heraus, dass Hardin Scott (Hero Fiennes Tiffin) nur mit ihr liebäugelte um eine herzlose Wette zu gewinnen – aber daraus entstand echte Liebe. Tessa verlässt ihn beginnt ein Praktikum als Lektorin während Hardin verzweifelt. Durch einige Zufälle geraten die Beiden wieder aneinander. Auch sexuell. Funktioniert der erneute Versuch? So weit, so unspektakulär. Anfangs war ich gespannt, ob Roger Kumble – immerhin Regisseur des 90er-Kultfilms „Eiskalte Engel“ und „Reine Fellsache“ wenigstens mehr Gespür für Qualität oder überhaupt Spannungsbögen zulässt. Klare Antwort: Nein. Generell ist die präsentierte Realität der Figuren weiter weg als unsere von den echten Umsatzzahlen von Wirecard. Tessa wird beispielsweise direkt am 1. Tag als Praktikantin auf ein wichtiges Geschäftstreffen im Edel-Club mitgenommen, darf natürlich im Edel-Hotel übernachten und weil ihre Unterwäsche noch in der Reinigung ist – geht sie mal eben unten ohne zum Termin. Dank freizügiger Szenen ist die FSK-Freigabe von 0 auf 12 deutlich angestiegen und wir finden auch zurecht. Teilweise sprechen sogar manche Momente bzw. Andeutungen für eine härtere Gangart. Im Cast selbst harmonieren zwar Langforn und Tiffin merklich, wobei der Rest ans darstellerische Niveau von RTL2-Vorabendsoaps reicht. Während „Fifty Shades“ noch sichtlichen Anspruch an knackige Optik sowie authentische Rollen besaß, wirft Kumble alles über Bord.

Unser Fazit zu „After Truth“

Im schon befürchteten Schmonzetten-Fahrwasser von E.L. James entstehen Perlen wie „365 Days“ oder eben die „After“-Reihe, die sämtliche Erotik wenn überhaupt so gefühlvoll wie einen nassen Schwamm rüberbringt und letztlich wenig bis gar keine Plotpoints bietet. Teilweise an Fremdschäm-Momenten kaum zu übertreffen, sollte man sich den Kinobesuch im Falle von „After Truth“ lieber fünfmal überdenken.
After Truth. USA 2020. Regie: Roger Kumble. Mit Hero Fiennes Tiffin, Josephine Langford, Dylan Sprouse. 103 Minuten. Ab 12 Jahren.
Gibt es eine Post-Credit-Szene? = Nein.
Vielen Dank an CinemaxX für die freundliche Bereitstellung des Tickets. Kinotickets für „After Truth“ gibt es hier.

Benny Illgner

Nachname hielt schon Fußbälle auf. Ich bisher nur virtuell. Sitzt seit 2005 in Digitalien fest und wartet auf den Pannendienst. Steht in fester Beziehung mit Twitter und Instagram. Schreibt Gags fürs Netz und Fernsehen. Nimmt gedeckte Schecks und Pizza gerne auf Twitter unter @IamIllgner an.

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