Reingesneakt: „Bring Her Back“ lässt einen tief in menschliche Abgründe blicken – ein australisches Horrordrama, bei dem Verlust und Manipulation mehr Angst erzeugen als genretypische Jump-Scares. Die Philippou-Zwillinge (Talk to Me) setzen weniger auf plötzliche Schockmomente, sondern auf eine schleichende, stetig wachsende Beklemmung. Im Zentrum steht die scheinbar fürsorgliche Pflegemutter Laura, deren Verhalten sich nach und nach als unheilvoll offenbart. Sally Hawkins verkörpert diese Verwandlung vom Schutzengel zur Albtraumfigur mit beklemmender Glaubwürdigkeit und bricht damit radikal mit dem warmherzigen Image ihrer bisherigen Rollen. Unsere Kritik zum härteren Neustart.
Inszeniert von Danny und Michael Philippou, bekannt durch ihren durch die Decken gegangenen Überraschungserfolg von 2022 „Talk to Me“, entstand dieser Film im Sommer 2024 in Südaustralien. Das Drehbuch, von Danny Philippou und Bill Hinzman geschrieben, kombiniert psychologischen Terror mit subtilen Mystery-Elementen. Die Geschichte folgt den Geschwistern Andy (Billy Barratt) und Piper (Sora Wong), die nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters ein neues Zuhause bei Laura (Sally Hawkins) finden. Während Andy, kurz vor der Volljährigkeit stehend, als Vormund für seine sehbehinderte Schwester kämpfen will, wächst in dem stillen Haus ein Gefühl der Bedrohung. Lauras fürsorgliche Fassade beginnt langsam zu bröckeln, und ihr stummer sich merkwürdig verhaltender Adoptivsohn Oliver, gespielt von Jonah Wren Phillips, wirkt wie ein ständiger, unheimlicher Schatten im Hintergrund.
Hawkins’ Darstellung ist hier ausdrücklich zu loben, die zwischen Herzlichkeit und subtiler Grausamkeit changiert. Ihre freundliche Mimik wird zum Instrument des Horrors, weil sie jede noch so harmlos wirkende Geste mit einer Spur von Kontrolle und Besessenheit auflädt. Im weiteren Verlauf wird ihre Motivlage klarer. Auch Billy Barratt und Sora Wong überzeugen als Geschwisterpaar mit authentischem Spiel – vor allem Wong selbst sehbehindert – verleiht Piper eine stille Resilienz, die den Film erdet. Die Philippou-Brüder verzichten auf hektische Schnitte oder plakative Effekte und setzen stattdessen auf visuelle Motive wie flackernde VHS-Aufnahmen, verlassene Pools und kreisförmige Bildkompositionen, die sich wie ein unterschwelliges Muster in den Zuschauer bohren. Als würde man wahnhaft auf ein schrafes Messer beißen.
Arthouse statt Mainstream
Die Spannung entsteht hier weniger durch Blut oder Schockeffekte, sondern aus der Unsicherheit, was wahr ist und was nicht. Informationen werden zurückgehalten, kleine Details tauchen wie bruchstückhafte Erinnerungen auf und zwingen die Zuschauerschaft, Lücken selbst zu füllen. Unterstützt wird die Atmosphäre von Cornel Wilczeks unruhig pulsierendem Soundtrack und Aaron McLiskys Kamera, die die weitläufigen Räume beklemmend eng wirken lässt. Das Ergebnis ist ein Film, der in seiner Zurückhaltung brutaler wirkt, wobei Selbstverstümmelung innerhalb der präsentierten Gewalt wohl den Ausschlag für die zurecht vergebene FSK 18-Freigabe gab.
„Bring Her Back“ ist damit kein Horrorfilm für schnelle Adrenalinschübe, sondern ein langsamer, kalter Griff um den Hals. Heutzutage gerne als „Slowburn“ betitelt. Die Lauflänge von 99 Minuten ist gut gewählt um keine Längen aufkommen zu lassen. Er spielt mit der Frage, wie dünn die Grenze zwischen Fürsorge und Besessenheit ist, und zeigt, wie Trauer in etwas Unheimliches und Besitzergreifendes kippen kann. Wer einen verstörenden, atmosphärischen Horror sucht, findet hier eines der eindringlichsten Genrewerke des Jahres – getragen von einer diabolisch guten Hauptdarstellerin, die das Publikum gleichzeitig umarmt und wegstößt.
Bring Her Back. USA 2024. Verleih: A24. Regie: Danny / Michael Philippou. Mit Sally Hawkins, Sora Wong, Billy Barratt. Genre: Horror. 99 Minuten. FSK: Ab 18 Jahren.
Gibt es eine Post-Credit-Szene? = Nein.
Disclaimer: Vielen Dank an CinemaxX für die freundliche Bereitstellung des Tickets. Diesen FIlm sahen wir im Rahmen einer „Sneak-Preview“. Kinotickets für „Bring Her Back“ gibt es hier.
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