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Filmkritik zu „Der Hochstapler – Roofman“ – Charmante Gauner-Story mit feinem Humor

Bundesweiter Kinostart: 27. November 2025

Im ersten Moment wirkt „Der Hochstapler – Roofman“ wie einer dieser Filme, die man zunächst kurz sortieren muss. Die Geschichte ist teils so absurd, dass sie eigentlich erfunden klingen müsste, gleichzeitig aber derartig menschlich, dass man wie gebannt dranbleibt. Regisseur Derek Cianfrance, sonst eher für schwere Dramen wie „The Place Beyond The Pines“ bekannt, nimmt sich hier einer realen Biografie an, die zwischen Tragik, Humor und Erstaunen pendelt. Die ersten Szenen geben schnell zu verstehen, dass es hier nicht um Action oder schnelle Effekte geht. Stattdessen entsteht mit „Roofman“ ein Film, der sich viel Zeit nimmt, die großen Umwege eines Mannes zu zeigen, der komplett die Orientierung verliert. Unsere Filmkritik zum heutigen Neustart im Kino.

Im Zentrum steht Jeffrey Manchester (Channing Tatum) – ein ehemaliger Army Ranger, dessen Leben nach dem Militärdienst nach und nach ins Rutschen kommt. Geldprobleme, Zukunftssorgen, kein richtiger Halt: Aus dieser Mischung heraus entwickelt er eine ungewöhnliche Methode, McDonald’s-Restaurants auszurauben. Ganze 45 Stück. Er klettert nachts über die Dächer der Filialen, bricht durch selbstgesägte Öffnungen ein und wartet im Dunkeln, bis morgens die ersten Angestellten kommen. Gewalt wendet er nie an, was seinen Überfällen etwas Seltsames verleiht. Über vierzig Mal klappt dieses Vorgehen, bis er schließlich gefasst wird — doch nach seiner Verurteilung gelingt ihm die Flucht, und ab hier beginnt der Teil der Geschichte, der kaum zu glauben ist.

Manchester versteckt sich nämlich nach einem cleveren Ausbruch in einer Hohlwand eines Toys-“R”-Us-Markts. Er lebt dort wochenlang, ernährt sich nachts von Babybrei, M&M’s und allem, was er unbemerkt aus den Regalen nehmen kann. Wenn das Verkaufspersonal abzieht und die Lichter für die Nacht auf Sparmodus gehen, schleicht er durch die Gänge wie ein unsichtbarer Bewohner dieses Spielzeuguniversums. Die Konsumwelt mit ihren Kinderfahrrädern, Plastikfiguren und pastellfarbenen Verpackungen wirkt in diesen Szenen gleichzeitig surreal komisch. Man sieht einen erwachsenen Mann, der in einer Welt Unterschlupf sucht, die eigentlich für völlig andere Zielgruppen geschaffen ist.

„Der Hochstapler – Roofman“ macht aus dieser absurden Grundsituation jedoch kein leichtfertiges Spektakel. Die Regie bleibt ruhig, fast beiläufig, und gerade dadurch wirken manche Momente besonders einprägsam. Wenn Manchester etwa mit einer Akku-Lampe über bunte Regale klettert oder sich in seiner improvisierten Wandhöhle häuslich einrichtet, entsteht eine Mischung aus Tragik und Skurrilität, wie man sie in dieser Form selten sieht. Man spürt, wie einsam diese Existenz sein muss — und doch wirkt sie für ihn alles andere als freiwillig.

Eine zweite Ebene eröffnet sich, als Manchester eine Frau kennenlernt: Leigh Wainscott (Kirsten Dunst), eine alleinerziehende Mutter mit zwei Töchtern. Zwischen den beiden entwickelt sich ein vorsichtiges Kennenlernen. Die Gespräche bleiben unaufgeregt, fast schüchtern, und man sieht darin weniger eine klassische Liebesgeschichte als den Versuch zweier Menschen, wieder ein normales Leben zu greifen. Gleichzeitig weiß das Publikum, dass dieser Aufbau auf einer Lüge basiert, weil Manchester unter falscher Identität auftritt. Dadurch liegt selbst über den sanften Momenten immer ein gewisser Schatten. So manche Logiklöcher sind bei genauerer Bettrachtung vorhanden, schaden aber nicht der Grundstimmung.

Roofman
© Paramount Pictures

Cianfrance findet einen Ton, der nah an der Realität bleibt, aber genügend Raum für leise Ironie lässt. Die Geschichte selbst ist schon so ungewöhnlich, dass sie keine zusätzlichen Übertreibungen braucht. Stattdessen setzt der Film auf Momente, die sich aus dem Alltagsleben ergeben: Unterhaltungen über belanglose Themen, ein Spaziergang, die Art, wie Manchester versucht, nicht aufzufallen. Oder wie er dan Personal mit Baby-Überwachungskameras beobachtet. Gerade in diesen Szenen wird deutlich, dass „Roofman“ weniger ein Kriminalfilm ist. Die Überfälle, die Flucht, das Leben im Spielzeugmarkt — all das wird ohne großes Drumherum gezeigt. Dadurch entsteht fast eine arthousige Ruhe, auch wenn die Situation an sich spektakulär ist.

The Place Beyond the Pines
2.026 Bewertungen
The Place Beyond the Pines
  • PRODUKTBESCHREIBUNG TV-Norm: HDTV 1080p
  • Sprachversion: Deutsch DTS-HD 5
  • 1 Master Audio, Englisch DTS-HD 5

Besonders stark sind die Bilder, die den Toys-“R”-Us-Markt in der Nacht zeigen. Das grelle Kinderparadies verwandelt sich in eine Art Zwischenwelt, in der Manchester zwar körperlich vor Behörden sicher ist, emotional aber völlig isoliert ist. Das Spielzeug, das eigentlich Freude symbolisieren soll, wirkt wie eine Kulisse für ihn. Diese Kontraste tragen viel zur Stimmung des Films bei, ohne dass sie umständlich erklärt werden müssen. Die ordentliche Lauflänge von 126 Minuten hätte für meinen Geschmack kürzer ausfallen können.

„Der Hochstapler – Roofman“ erzählt damit eine ziemlich feinsinnige wie amüsante Geschichte, die gleichzeitig unglaublich und zugleich sehr menschlich ist. Es geht um Scheitern, Fehlentscheidungen, um Einsamkeit und den Versuch, trotzdem irgendwie in der Gesellschaft wieder dazuzugehören. Der Film macht daraus kein tränenreiches Drama mit moralisch erhobenem Zeigefinger, sondern ein leises, gut beobachtetes Portrait eines Mannes, der so lange durchs Raster fällt, bis er zwischen bunten Kartons und Plastikfiguren landet — und dort eine Weile bleibt, weil er keinen anderen Ort zur Überbrückung mehr hat. Perfekt um einen kalten Wintertag im Kino zu verbringen.

Roofman. USA 2025. Verleih: Leonine. Regie: Derek Cianfrance. Mit Channing Tatum, Kirsten Dunst, Ben Mendelssohn. Genre: Tragikkomödie. 126 Minuten. FSK: Ab 12 Jahren.

Gibt es eine Post-Credit-Szene? = Nein.

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Benny Illgner

Nachname hielt schon Fußbälle auf. Ich bisher nur virtuell. Sitzt seit 2005 in Digitalien fest und wartet auf den Pannendienst. Steht in fester Beziehung mit Twitter und Instagram. Schreibt Gags fürs Netz und Fernsehen. Nimmt gedeckte Schecks und Pizza gerne auf Twitter unter @IamIllgner an.

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