jazzopen 2023: Parov Stelar & Paolo Nutini in Concert – Der Schlossplatz tanzt
Österreichischer Elektro-Swing trifft auf rauen Rock aus Schottland
Bei den jazzopen 2023 stand auf dem Stuttgarter Schlossplatz ein nächstes Highlight an – der schottische Singer/Songwriter Paolo Nutini teilte sich einen wunderbar lauen Sommerabend mit dem österreichischen Elektro-Swing Ensemble um Beat-Maestro Parov Stelar. Treibende Rhythmen eingemantelt in stimmungsvollen-schummrigen Texten. Unsere Konzertkritik zum 3. Abend auf dem Stuttgarter Schlossplatz.
Wird es überhaupt funktionieren? Oder ist der Versuch schon irrwitzig? Nein, damit meine ich nicht das durchaus ungewöhnliche Konzertdoppel von Paolo Nutini und Parov Stelar sondern einige Zuschauer:innen, die es für eine gute Idee hielten ihren Festivaldrink auf den bebenden Boden der Tribüne zu stellen. Der achte Festivaltag der jazzopen 2023 bewies nämlich den bekannten Wahnsinn von Veranstalter Jürgen Schlensog auch mal ungewöhnliche musikalische Doppel auf das interessierte Publikum loszulassen. „Am Ende entscheidet immer die Qualität“, meint Schlensog bei seiner offiziellen Begrüßung im Gespräch mit SWR1-Moderatorin Stefanie Anhalt. Und ebenjene angesprochene Qualität war am gestrigen Abend definitiv gegeben. So erinnerte Support Thala an den gitarrenlastigen Rock mit weiblicher Note der späten Neunziger Jahre á la „Hole“. Zudem konnte die Leadsängerin mit brauner schulterlanger Mähne kleinere technische Zwischenfälle charmant überspielen. Insofern startete der Abend mit gut hörbaren US-College Rock während sich der backsteingepflasterte Innenhof des Neuen Schlosses langsam mit Besuchern füllte. Das gute, sonnige Wetter lud aber zum entspannten Flanieren über den Schlossplatz ein, welcher mit weitläufigen Grünfläschen und schattenspendende Baumkronen mehrere Anhänger findete.
Gegen 19 Uhr läuft lässigen Schrittes der schottische Musiker Paolo Nutini Richtung Mikrofon um ohne vielerlei Worte zu verlieren sein Set zu beginnen. Zu hören ist herrlich rotziger Rock mit eingängigen Riffs, die mit der rauchigen Stimme Nutinis fabelhaft untermalt wird. Seine achtköpfige Band geht auch mimisch ab Song 1 gänzlich mit – während die simpel gestaltete Bühnentechnik den Fokus ganz auf die Präsenz des Leadsängers hinwies. Erst nach dem 3. gespielten Song, „Scream (Funk My Life Up)“, richtet der Sänger mit toskanischen Wurzeln erste Worte an sein aufmerksam zuhörendes Publikum. Die Freude über den gestrigen Auftrittsort teilt er glücklicherweise mit ebenjenen. Die Altersgruppe reicht an diesem Konzertabend von Jung bis in die älteren Semester. Nutinis längere braune Haare wirken manchmal wie ein Vorhang um die Emotionen aus seinen Songs gar in ihm zu halten, das fast schon als Understatement zu verstehende nicht vorhandene Getöse mit Effekten wirkt ungemein lässig. Ungefähr ab Mitte des Konzerts sitzt Nutini ganz alleine mit akustischer Gitarre um ganz gefühlvoll eine verträumte Ballade zu singen – „Better Man“ dreht sich um missverstandene Liebe zu einem Mädchen, für das man zu einem besseren Mann verändern will. Viele der dargebotenen Songs bestehen aus treibenden, rockigen Rhythmen samt sanften Punk-Anleihen. Sein wohl bekanntester Hit „New Shoes“ durfte hierbei natürlich nicht fehlen, erklingt jedoch deutlich gereifter und dank Saxophon-Unterstützung jazziger denn je. In dieser Leichtigkeit erinnert er sogar an den englischen Wirbelwind und jazzopen-Wiederholungstäter Jamie Cullum, der leider in diesem Jahr aussetzt. Über den Köpfen erstahlt zu den finalen Songs von Nutini ein blauer Himmel mit verstrichenen Wolken welches wie ein Aquarell wirkt. Tosender Applaus erhält der Indie-Bon Jovi nach seiner musikalischen Umarmung nach schmerzvollem Liebeskummer – „Through The Echoes“.
Die Dämmerung setzt bereits über dem Festivalgelände ein als Marcus Füreder alias Parov Stelar im schicken weißen Anzug mit klaren „Miami Vice“-Parallelen die dichtgestellte Bühne betritt und sich gewohnt höflich zunächst vor dem fast aus allen Nähten platzenden Innenhof verbeugt. Danach schreitet sein gut gelauntes Ensemble zur hell erleuchteten Präsentationsfläche. Langsame Beats entwickeln sich innerhalb von Sekunden zum tanzbaren Klangteppich. Sein weiblicher wie männlicher Vocal verbinden sich mit ihren hellen Stimmen wunderbar mit den Melodien und bewegen sich dabei beeindruckend grazil als wären sie auf einer lauschigen Sommerparty irgendwo bei Malta. Stelar selbst nimmt sich ganz in den Hintergrund und orchestriert wie ein altgedienter Maestro das Geschehen vorne. Was sofort auffällt: Ohne seine drei Musiker an den Blasinstrumenten käme es wohl niemals zum einzigartigen Sound des Electro-Swing Meisters – dessen zwei Laptops zwar den grundlegenden Beat vorgeben aber sein Band-Ensemble erst dank grandiosen Melodien Omma Erna im Publikum mit der künstlichen Hüfte kreisen zu lassen. Spätestens ab Song 2 standen oder schwungen die Zuschauer jedes vorhandene Tanzbein. Dies ging übrigens so weit, dass der Schwarm vor der Bühne konsequent den Mitwirkenden vertraut und selbst kleine Spielchen wie die Tonleiter per Tuba von einem der Bläser gerne mitgemacht wurden. Zünftige Polka-Einflüsse durften ebenso wenig fehlen wie tanzende Zuschauer, die zum Bier holen gingen. Der rot-blau beleuchtete Innenhof des Neuen Schlosses war in bester Partylaune. Und doch verkniff es sich Stelar nicht, quasi zur Gerechtwerdung des Festivalnamens, etwas bluesigen Jazz zu spielen bevor er der tanzenden Menge wieder ordentlich Zucker mit „Grandpas Groove“ gibt.
Besonders hübsch war der Einsatz der rund acht Meter hohen LED-Leinwand, die clever mit einfarbigen Quadraten genutzt wurde, um einzelne Musiker wie Willie Larsson Jr. an den Drums in Szene zu setzen. Facettenreich war der Abend auch, weil Parov Stelar die Leinwand für einen kurzen Clip aus dem Western-Klassiker „The Good, The Bad, The Ugly“ für einen musikalischen Exkurs verwendete. Gegen 23 Uhr verabschiedet sich die Crew mit einer flotten Zugabe vom ausgeflippten Stuttgarter Publikum und mit Sicherheit war es nicht das letzte Mal.
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