Borderlands 4 im Test / Review – Knallige Schüsse gegen jede Storyline
Überzeugt der neue Loot-Shooter von Gearbox wieder?
Die Borderlands-Reihe stand immer für eine besondere Mischung aus anarchischem Humor, stilisiertem Comic-Look und dem unermüdlichen Kreislauf aus Shoot und Loot. Mit jedem Teil wuchs die Serie zu einem festen Bestandteil des Loot-Shooter-Genres – doch „Borderlands 3“ offenbarte Risse in diesem Fundament. Zu viel eigensinniger Meme-Humor, penetrante Antagonisten und endlose Bullet-Sponges ließen den Glanz herb verblassen. Mit „Borderlands 4“ schlägt Gearbox nun eine stilistische Korrektur ein – und während das Spiel an vielen Stellen liefert, fühlt es sich zugleich an, als hätte die Reihe auf ihrer Suche nach neuer Ernsthaftigkeit ein Stück ihrer ureigenen Seele eingebüßt. Unsere ausführliche Review zu „Borderlands 4“ für Konsolen und PC.
Studio Gearbox entwarf mit „Borderlands“ eine erstaunliche Marke. Einerseits Loot-Shooter, welcher mit seinen ersten beiden Teilen nicht weniger als Videospielgeschichte schrieb, andererseits dank der erdachten Welt, die aus staubigen Steppen und ballerfreudigen maskierten Psychos einiges an anarchischem Humor bot. Durch „Tales from the Borderlands“ von Telltale Games erwies sich sogar ein storybasierter Deepdive im Point-and-Click Adventure als interessantes Genre für die Reihe. Zuletzt bröckelte es jedoch qualitativ. Nicht nur der gemeinhin mitunter als schlechteste Videospielverfilmung bewertete Kinofilm rund um die Chaostruppe von Pandora, beschädigte das zuvor recht makellose Antlitz von Gearbox Serie. Säuerlich stieß vielen Fans vor sechs Jahren auch „Borderlands 3“ auf. Der penetrant, teils lächerliche Meme-Humor gepaart mit öden spielerischen Ideen und kaum inhaltlicher Weiterentwicklung sollte die Shooter-Reihe bis September 2025 lahmlegen, jüngst erschien Teil Vier und möchte vieles wieder gutmachen.
Der neue Schauplatz trägt den schmucken Namen Kairos, ein riesiger Planet voller klimatischer Unterschiede. Die Spielwelt ist in mehrere Biome aufgeteilt, jedes mit eigenen Gegnern, Stimmungen und architektonischen Eigenheiten. Neon-durchzogene Metropolen stehen neben verfallenen Dörfern in ländlichen Gebieten, während in den Wäldern ein ständiger Nebel liegt. Es ist eine Bühne, die nach spannenden Geschichten schreit – und tatsächlich möchte Gearbox, hier eine neue, ernstere Erzählung inszenieren.
Im Zentrum steht der bedrohliche „Zeitwächter“, ein Diktator, der die Bevölkerung durch implantierte Nackenbolzen kontrolliert und jeden Widerstand mit brutaler Konsequenz erstickt. Zusammen mit drei Generälen herrscht er über Kairos, bevor sich die Geschichte zuspitzt. Auf den ersten Blick erinnert diese Ausgangslage an eine Mischung aus Dystopie und klassischer Revolutionsgeschichte. Anfangs funktioniert die bedrohliche Stimmung ziemlich gut, durch teils todernste Situationen wird uns die unerbitterliche Macht des Zeitwächters vorgestellt. Doch während der Aufbau Spannung verspricht, bleibt die weitere Umsetzung überraschend oberflächlich. Statt politischer Tiefe oder moralischer Ambivalenz dominieren klassische Heldenposen. Anders gesagt: Bis zum anziehenden letzten Viertel verpufft die Story. Die Kammerjäger, unsere spielbaren Figuren, agieren weniger wie verzweifelte Widerstandskämpfer, sondern eher wie überlebensgroße Superhelden, die von einer Explosion zur nächsten hetzen.
Gearbox betont, man habe die Tonalität „geerdet“ im Vergleich zu den Meme-Exzessen von „Borderlands 3“. Das Ergebnis ist jedoch ein merkwürdiger Mittelweg: Merklich ernster, aber nicht zwingend packender. Lange, gerade zu Anfang, Quest-Monologe ersetzen die flachen Gags, doch auch sie schaffen es selten, wirklich Gewicht zu erzeugen. So bleibt die Handlung zwar eine solide Kulisse für das, was Borderlands wirklich ausmacht, doch sie trägt den Spieler kaum von allein durch die 20 bis 25 Stunden der Kampagne.
Die neuen Kammerjäger – Charaktere mit Potenzial
Mit Vex, Amon, Harlowe und Rafa stehen vier frische Charaktere bereit, die unterschiedlicher kaum sein könnten.
– Vex, eine neue Sirene, beschwört spektrale Doppelgänger oder eine Geisterkatze, um Gegner ablenken.
– Amon, der Forgeknight, nutzt futuristische Tech-Waffen wie elementare Äxte oder Schutzschilde, um im Nahkampf zu dominieren.
– Rafa glänzt als flinker Schadensausteiler, der mit blitzschnellen Manövern Gegnern das Leben schwer macht.
– Harlowe wiederum verteilt Statuseffekte, die sich über ganze Gruppen ausbreiten.
Das Besondere sind diesmal die noch flexibleren Skilltrees. Jeder Held besitzt mehrere Pfade, die sich mit Augments und Capstones variieren lassen. Spieler können damit tief in eigene Spezialisierungen eintauchen oder hybride Spielweisen entwickeln. Im Endgame lassen sich Bosse beliebig erneut herausfordern, was Farming deutlich komfortabler macht und die Experimentierfreude mit verschiedenen Stilen fördert. Tatsächlich sind es die Kammerjäger selbst, die die Handlung über weite Strecken tragen. Ihre Animationen, ihre Kampfstile und die Art, wie sie im Koop zusammenspielen, lassen Kairos lebendiger wirken, als es die Erzählung allein vermag.
Wenn „Borderlands 4“ glänzt, dann im Kern dessen, was die Reihe immer ausgemacht hat: dem Schießen und Looten. Das Gunplay wirkt so geschliffen wie nie zuvor. Jeder Treffer hat Gewicht, Granaten lassen Gegner spektakulär in die Luft wirbeln und die Vielfalt an Waffen sorgt für einen ständigen Strom an Überraschungen.
Mit über 30 Milliarden möglichen Kombinationen aus Waffen, Feuermodi und Spezialeffekten bleibt kaum eine Waffe wie die andere. Hersteller wie Torque, Tediore oder die neuen Ordens-Waffen setzen klare Akzente: Explosive Boomsticks über Granatenpistolen bis hin zu hochpräzisen Burst-Gewehren. Dabei gelingt es Gearbox, das befriedigende Gefühl zurückzubringen, das in „Borderlands 3“ durch inflationäre Legendary-Drops verloren ging. Seltene Waffen sind tatsächlich selten, und wenn nach einem harten Bosskampf endlich ein goldener Drop aufblitzt, fühlt sich das wieder so befreiend an wie in den besten Momenten der Serie.
Destiny-Kenner fühlen sich gleich pudelwohl
Ein spürbarer Fortschritt sind die neuen Movement-Mechaniken. Statt nur zu sprinten oder zu sliden, können alle Kammerjäger nun gleiten, sich an bestimmten mit einem Greifhaken in die Höhe ziehen oder mithilfe eines Jetpacks ganze Areale überwinden. Diese Systeme verleihen Kämpfen eine neue Dynamik. Gegner lassen sich von oben flankieren, schnelle Rückzüge werden leichter, und selbst längere Wege auf Kairos wirken weniger beschwerlich.
Die Spielwelt selbst profitiert ebenfalls: Fahrzeuge können jederzeit gerufen werden, das neue Echo-4-System ersetzt die leidlich umständlichen Menüs der Vorgänger und integriert Karten, Missionen und Ausrüstung in ein übersichtliches Interface. Bei Vergleichen mit Waffen oder deren Spezifikationen zwar lange nicht perfekt, aber besser. In Kombination mit dem Wegfall fast aller Ladezeiten entsteht ein Spielfluss, der sich moderner und flüssiger anfühlt als jemals zuvor.
So überzeugend das Gunplay ist, so deutlich zeigen sich zugleich die Schwächen. Einige Bosskämpfe sind nach wie vor höchst zähe Angelegenheiten, bei denen endlose Lebensbalken die Geduld strapazieren. Da helfen auch hochgepowerte Schießeisen kaum. Vor allem im Alleingang offenbart sich ein Problem: Die „Kampf um dein Leben“-Mechanik, die einen nach dem Niederschlag mit einem Kill zurück ins Spiel bringt, hängt davon ab, ob es genug Kleinvieh abseits der harten Bosse gibt. Gegen „Bad Asses“ ohne Minions bedeutet ein Sturz oft das Ende – frustrierend, wenn man sich bereits durch mehrere Phasen gekämpft und man vom Checkpoint wieder bei Null starten muss.
Auch das Missionsdesign fällt nicht immer inspirierend aus. Manche Quests verheddern sich in langatmigen Kettenzielen, die weniger fordern als vielmehr ermüden. Schema Renne nach A um B zu verfolgen. Dazu kommt, dass die Open-World abseits der Missionen streckenweise leer wirkt. Zwar gibt es Banditenlager, Nebenquests und Sammelobjekte, doch nicht selten bleibt Kairos eine Kulisse ohne organisches Eigenleben. Amüsant hier: Gearbox-CEO Randy Pitchford, der sich zu gerne mit Fans über X streitet, bestritt noch Ende letzten Jahres die Existenz einer Open-World. Borderlands 4 hat eine Open-World – vollgeklatscht mit ignorierbaren Symbolen. Der eigensinnige Humor blitzt leider nur in optionalen Nebenquests auf. Da lernen wir beispielsweise eine Rakete kennen, die es bedauert nicht explodiert zu sein und nun in einer Sinnkrise steckt.
Zusammen bricht gewohntes Chaos aus
Wie schon bei den Vorgängern gilt: „Borderlands“ ist im Koop unschlagbar. Bis zu vier Spieler können jederzeit in die Kampagne ein- und aussteigen, die Gegner skalieren dynamisch mit den Leveln, und die Stabilität der Online-Verbindungen ist erstaunlich stabil. Wer mit Freunden loszieht, erlebt den Titel von seiner besten Seite: Chaotische Gefechte mit Loot-Belohnungen und ein Flow, der jede Schwäche im Leveldesign fast vergessen lässt. Allein dagegen fällt deutlicher auf, dass manche Elemente unausgewogen wirken. Missionen, die mit Freunden kurzweilig sind, ziehen sich für Solisten in die Länge. Bosse, die im Team herausfordernd wirken, werden alleine zu schnell frustrierend.
Visuell bleibt die Reihe ihrem Cel-Shading-Stil treu. Der Look ist markant, zeitlos und hebt sich weiterhin von anderen Shootern ab. Die Biome von Kairos liefern atmosphärische Panoramen und abwechslungsreiche Farbpaletten, auch wenn die Welt bei näherem Hinsehen nicht unbedingt voller Details strotzt.
Problematischer sind die technischen Stolperer. Schon nach wenigen Stunden treten spürbare Performanceeinbrüche auf, die von kleineren Rucklern bis zu kurzen Freezes reichen. Nicht unspielbar aber störend. Besonders ärgerlich: Diese Probleme betreffen sämtliche Plattformen, auch die leistungsstärkeren Konsolen. Gearbox wird hier mit Patches nachbessern müssen, um den Spielfluss auf Dauer zu sichern. Auf der Tonspur überzeugt das Spiel dagegen weitgehend. Die Waffen klingen brachial, Explosionen donnern wuchtig und der Synth-Rock-Soundtrack mischt Action mit atmosphärischen Klängen. Die deutsche Synchronisation schwankt zwischen professionell und überzogen, bleibt aber insgesamt solide.
Die Sache mit dem Endgame
Nach dem Ende der Hauptkampagne eröffnet sich ein gewohnt umfangreiches Endgame. Wiederkehrende Bosskämpfe, zusätzliche Beutezüge und eine Vielzahl an Sammelobjekten halten motiviert, auch wenn nicht jede Nebenaufgabe denselben Reiz entfaltet. Gearbox hat bereits eine Roadmap angekündigt, die in den kommenden Monaten kostenlosen Content verspricht, was Fans langfristig bei Laune halten dürfte. Dennoch wird nicht jeder mit der Masse an Sammelkram glücklich. Manche Collectibles strecken das Spiel künstlich, und nicht jeder Spieler möchte hunderte Stunden investieren, nur um die letzten Audio-Logs aufzuspüren.
Unser Fazit zu „Borderlands 4“
„Borderlands 4“ ist ein Spiel voller Widersprüche. Es korrigiert vieles, was den Vorgänger in Misskredit brachte: Weniger nervige Witze, besser abgestimmte Loot-Ökonomie, ein dynamischeres Gunplay und sinnvolle Movement-Erweiterungen. Doch es verliert dabei auch einen Teil seiner Identität. Die ernster erzählte Geschichte bleibt oberflächlich, die Welt wirkt abseits der Missionen viel zu leer – technische Probleme in der Performance mindern den Gesamteindruck. Gleichzeitig liefert es aber genau das, was Fans seit jeher suchen: chaotisches Geballer, befriedigende Beute und einen Koop-Modus, der seinesgleichen sucht. Wer bereit ist, über die erzählerischen Schwächen hinwegzusehen, bekommt hier ein Shooter-Paket, das viele Stunden fesseln kann. Wer jedoch nach einer packenden Story oder großen Innovationen sucht, dürfte enttäuscht werden. Der vierte Teil von „Borderlands“ bleibt damit ein würdiger, aber nicht überragender Nachfolger – ein Spiel, das seine stärksten Momente im Gameplay findet, aber bei der Suche nach einer neuen Identität ins Stolpern gerät.
Release: 12. September 2025 | Entwickler: Gearbox | Genre: Shooter | Für PlayStation 5, Xbox Series S/X und PC | USK: ab 18
Borderlands 4 (PlayStation 5)
Spielspaß - 82%
Gameplay - 90%
Grafik - 85%
Technik - 75%
83%
Empfehlung!
Knalliger Shooter mit hervorragendem Movement - Borderlands 4 besinnt sich auf seine Stärken. Die blasse Storyline und störende Performance-Probleme trüben den Gesamteindruck.
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