Meisterdetektiv Hercule Poirot bekommt es in der Lagunenstadt Venedig mit seinem wohl schaurigsten Mordfall zu tun. Kenneth Branagh, wieder als Hauptdarsteller und zugleich Regisseur vertreten, inszeniert die Agatha Christie-Verfilmung als düsteres Schauermärchen. Ob sich der Gang ins Kino für „A Haunting in Venice“ lohnt, klärt unsere Review.
Knarziges Gebälk. Unsanfte Wellen peitschen an die Hausfassade. Laut Bewohnern ist wohl jedes Haus ins Venedig verflucht. Der italiensche Tourismus-Anker verbirgt nicht nur an sonnigen Tagen seine düstere Seiten, sogleich der Horror-Klassiker „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ auch in unnachahmlicher Weise diese offenbarte konnte. Kenneth Branagh ermittelt nun in seinem 3. Fall als schlagfertiger Meisterdetektiv mit fein frisiertem Schnurrbart. Seine ersten beiden Fälle führten an ihn an bekanntes cineastisches Terrain wie dem schneeumwehten Orient-Express oder an den Nil durch das sonnendurchflutete Ägypten – die große Gemeinsamkeit: Verzwickte Aufklärungen. Nicht zu vergessen ein Schaulaufen eines Star-Ensemble welches mal aus Johnny Depp und Michelle Pfeiffer oder Gal Gadot und Armie Hammer bestand. Trotzdessen war „Mord im Orient-Express“ dank seiner cineastischen Opulenz und wunderbar kreativen Kameraführung ein winterlicher Genuss dem man sich schwer entziehen konnte. „Tod auf dem Nil“ enttäuschte aufgrund seiner viel zu exzessiven Nutzung von CGI, sodass besonders Außenaufnahmen viel zu überbelichtet ergo merkwürdig aussahen. Mit „A Haunting in Venice“ schlägt Branagh eine andere Richtung ein, es wird deutlich düsterer und gruseliger.
Dabei beginnt alles so friedlich – Hercule Poirot lebt im Ruhestand im schönen Venedig. Sein persönlicher Leibwächter (Riccardo Scamarcio) hält alle möglichen Störenfriede ab, die unbedingt seine detektivische Hilfe brauchen. Eines Tages besucht ihn die Romanautorin Ariadne Oliver (Tina Fey) und nimmt ihn zu einer Séance mit Medium Joyce Reynolds (Michelle Yeoh) in einem verfluchten Palazzo (Villa) mit, die kurz darauf auf einer Marmorstatue aufgespießt wird, für Poirot ist klar – dieser Fall braucht dringende Aufklärung. Klischees sind in Agatha Christie-Werken unglaublich wichtig, ohne sie funktionieren ihre Kriminalfälle kaum, so findet sich ein gottesfürchtiges Kindermädchen neben einem gebrochenen Arzt aus dem 2. Weltkrieg sowie eine gefallene Sängerin wieder. Poirot, einmal mehr fabelhaft von Branagh dargestellt, führt Gespräche, findet Indizien und doch schwinden kurioserweise seine Sinne. Er hört Kinderstimmen, fällt vor Schwäche gar in Ohnmacht. Was passiert hier nur? Passend dazu ist ein tobendes Unwetter was die Schicksalsgemeinschaft im Palazzo einschließt und im starken Mittelteil eine grandiose Atmosphäre schafft. Jeder ist verdächtig. Nichts ist wirklich. Die vereinzelten Horrormomente sind gut getroffen, wenngleich die FSK 12-Freigabe doch sehr gnädig war, da Kinder nur schwerlich die Situation greifen können.
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- Branagh, Kenneth, Depp, Johnny, Pfeiffer, Michelle (Schauspieler)
- Branagh, Kenneth (Regisseur)
Während ähnliche Filme wie „Knives Out“ durch gezielte Hinweise das Publikum einluden selbst mitzuraten WELCHE Figur(EN) dahinter stecken etwa durch eine verharrende Kamera an bestimmten Stellen oder falsche Fährten präsentiert Branagh irgendwann die Lösung des Falls dermaßen abwegig, dass selbst gewiefte Krimi-Fans auf solch eine Erklärung nur schwerlich kommen würden. Die Kameraarbeit von Haris Zambarloukos muss zweifelsohne gelobt werden, Branaghs Verfilmungen zeichnen sich mitunter durch experimentelle Kameraperspektiven ab, etwa eine lange Obersicht im Erstling oder in „A Haunting in Venice“ durch Gegenschnitte mit wechselnden Seiten samt Ego-Sicht in besonders handlungsorientierten Szene. Ach ja…die Handlung deren Christies-Vorlage „Die Halloween-Party“ zugrunde liegt wurde massiv verändert. Sei es die Location oder Handlungsstränge. Etwas schade ist der kompromierte Einsatz des Casts – gerade Jamie Dornan (Belfast) und Michelle Yeoh (Everything, Everywhere, All at Once) sind in ihrer Screentime derart zusammengestaucht, dass Emotionen quasi im Minutentakt wechseln. Mit seinen 104 Minuten Laufzeit ist er knackig gehalten und zugleich der kürzeste Poirot-Fall innerhalb der Neuverfilmungen. Kurzum: Nicht so anstrengend wie „Tod auf dem Nil“, aber auch nicht so temporeich interessant wie „Mord im Orient-Express“. Als Dolby Atmos-Fassung erwartbar wuchtig.
A Haunting in Venice. USA 2023. Verleih: 20th Century Studios. Regie: Kenneth Branagh. Mit Kenneth Branagh, Tina Fey, Jamie Dornan. 104 Minuten. FSK: Ab 12 Jahren.
Gibt es eine Post-Credit-Szene? = Nein.
Kinotickets für „A Haunting in Venice“ gibt es hier.
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