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Filmkritik zu “Fast & Furious 9” – Adrenalingesäuertes Chaos ohne Sinn

“Fast & Furious 9” schafft es innerhalb von über zwei Stunden dutzende Male die millimeterhohen Anforderungen an Sinn, vernünftige Drehbücher oder seichter Unterhaltung zu unterbieten und selbst langjährige Fans ohne jede Scheu zu verspotten. Unsere Filmkritik zum filmischen Chaos.

Familie. Brumm. Explosion.

Nur der Supercomputer im Valley oder gar die klügsten Köpfe auf diesem Planeten vermögen es, die Anzahl des Wortes “Familie” in “Fast & Furious 9” richtig aufzählen zu können. Waren es 20, 50, 130 oder vielleicht 300 Mal? Jedenfalls ist Clan-Oberhaupt Vin Diesel dieser Aspekt verdammt wichtig, sodass mindestens die Hälfte seiner finster dreinblickenden Dialoge davon ausmachen. Und Kalendersprüche! Auch nicht wegzudenken. Wie “Meine Liebe ist immer in deinem Herzen” oder auch “Wir sind nicht normal.” – was zweifellos für dieses komplette Werk spricht. Nach dem durchaus spaßigen, weil an Buddy-Comedy der 80er erinnernden, “Hobbs and Shaw” von 2019, ging ich zwar vorsichtig aber leicht optimistisch in das neueste Abenteuer der populären Hauptreihe. Meine Güte. Mittlerweile scheint man an einem Punkt angelangt zu sein, an dem ein gefährlicher Mix aus Spott und Hohn gegenüber dem Publikum mit ins Portfolio eingeplant wird. Zitate an frühere Teile samt ironisierender Krawall-Action, die viel zu hektisch inszeniert ist um zu wirken wechseln sich mit einer an Idiotie kaum zu überbietenden Storyline rund um Geheimdienste, Hacker und dramatischem Familiendrama ab.
Nach über drei Jahren als Filmkritiker ist es mir erstmals nicht möglich eine Handlung wiederzugeben. Weil Sie schlichtweg nicht vorhanden ist. “Fast & Furious 9” verhält sich wie ein ungezogenes Kind im Süßigkeitenladen, das unentwegt alle Bonbons antatscht oder gleich wieder ausspuckt. Kleinere Handlungsfäden enden im Nirvana, selbst ganze Figuren wie Dom Torretto’s kleiner Sohn ist am Anfang kurz zu sehen, danach aber sofort verschwunden ohne ein weiteres Wort der Protagonisten dazu. Obwohl doch Familie für Dom Torretto (Vin Diesel) über allem steht. Primär steht aber seine Vergangenheit im Vordergrund. Ähnlich wie “Black Widow” bedient man sich diesem beliebten Kniff um neue Figuren wie selbstverständlich einzuführen – hier sein Bruder Jakob (John Rena). Im Jahr 1989 müssen die jüngeren Brüder einen tragischen Nascar-Unfall mitansehen, bei dem ihr Vater tödlich verunglückt. Wieder in der Gegenwart gilt es für die bekannte Crew bestehend aus Roman, Letty und Co. einen mysteriösen Gegenstand zu bergen mit dem es möglich ist, die Kontrolle über sämtliche Waffensysteme der Welt zu übernehmen – beginnendes Chaos das sich über Tokyo bis nach Köln erstreckt. Jede Oblate bietet mehr Dichte als dieser Film. Na gut, könnte man jetzt meinen: Braucht reiner Action-Bombast denn Story? JA. Zumindest so viel um über zweieinhalb Stunden wenigstens den roten Faden halbwegs erkennen zu können.

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  • Diesel, Vin, Walker, Paul, Johnson, Dwayne (Schauspieler)
  • Zielgruppen-Bewertung: Freigegeben ab 16 Jahren
Regisseur Justin Lin gibt sich stellenweise nicht mal genug Mühe um die Ästhetik über gewöhnliche “Asylum”-Frechheiten á la Sharknado aussehen zu lassen, der beliebig geratene Soundtrack von Brian Tyler ergänzt unglücklicherweise den dargebotenen Zustand. Was als kleiner dreckiger Thriller rund um die Tuning-Szene in Los Angeles rebellisch anfing endet bis dato mit übergroßen Magneten in teils marvelesken CGI Action-Sequenzen denen es an Spannungsbögen genauso wie an Übersicht hapert. Insgesamt wirkt der Cast um Vin Diesel merklich müde. Positiv zu erwähnen sind Ludacris & Tyrese Gibson, die zwar zum Comic Relief degradiert wurden, dafür aber durch gute One-Liner die Stimmung heben. Wobei der Kardinalsfehler lange vor Kinostart passierte, in dem die überraschende Rückkehr von “Han” im Trailer sowie das Filmplakat gesponsert und “Fast & Furious 9” um seine letzte Chance vielleicht besser als 99% aller anderen Filme zu sein, beraubt wird. Auch die Art wie die Macher mit gestandenen Oscar-Darstellerinnen wie Helen Mirren oder Charlize Theron umgehen, eine Frechheit sondersgleichen ist. Hier agieren sie entweder als sinnentleerte Stichwortgeber:innen (Theron) oder gleich als Taxi (Mirren) zum nächsten absurden Plotpoint. Der Weggang des früheren Drehbuchautoren Chris Morgan spürt der Zuschauer in jeder grenzenlos vergeudeten Minute. Selten fühlte man sich Zuschauer nach einem Film verarschter.
Fast & Furious 9. USA 2020. Regie: Justin Lin. Mit Vin Diesel, Michelle Rodriguez, John Rena. 143 Minuten. FSK: Ab 12 Jahren.
Vielen Dank an CinemaxX für die freundliche Bereitstellung des Tickets. Kinotickets für „Fast & Furious 9″ gibt es hier.

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Benny Illgner

Nachname hielt schon Fußbälle auf. Ich bisher nur virtuell. Sitzt seit 2005 in Digitalien fest und wartet auf den Pannendienst. Steht in fester Beziehung mit Twitter und Instagram. Schreibt Gags fürs Netz und Fernsehen. Nimmt gedeckte Schecks und Pizza gerne auf Twitter unter @IamIllgner an.

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