jazzopen 2024: FRANZI & The Cat Empire – Impulsiver Ritt durch die Genres
Die Australier setzen den jazzopen die Krone auf
Sie kamen, spielten und eroberten das Publikum der jazzopen Stuttgart 2024 im Sturm! Bei ohnehin heißen Sommer-Temperaturen verwandelten „The Cat Empire“ den Innenhof des Alten Schlosses in einen musikalischen Schmelztiegel jenseits aller Genrekonventionen. Die sechsköpfige Musikgruppe aus Melbourne begeisterte alleine durch ihren etwas anderen Konzertbeginn das ausverkaufte Haus. Im Vorfeld sorgte die aus heimischen Gefilden stammende Pop/Soul-Künstlerin „FRANZI“ für eine wohlige Eröffnung des Abends. Wir waren am Abend dabei und schilden Euch nun unsere Eindrücke.
Stuttgart – Die schwäbische Landeshauptstadt im Sommer birgt eine ganz eigene Atmosphäre. Da gibt es die Einen mit ihrem kühlen „Viertele“ (Weinschorle) in Händen an schattigen Plätzen und die Anderen mit spürbarem Tatendrang nach Sport und Kultur. Letztere Fraktion verschlägt es nicht allzu selten, besonders im Heumonat Juli, zu den jazzopen. Dieses Festival bildet das Herzstück der im Sommer laufenden Konzerte und gibt sich mit dem Slogan „Be jazz, be Open“ bekennend kämpferisch, sodass alle Zweifler:innen nicht mehr fragen sollten, welche Acts denn partout die Musikrichtung „Jazz“ bedienen und wer denn eher mit anderen Genres assoziiert wird. Wie Festival-Organisator Jürgen Schlensog in unserem Interview zum 30 jährigen Bestehen sagte: „Jazz und Blues bilden ja die Grundlage jeder Art von Popularmusik. Viele Jazzmusiker sind eben nicht mit dem erhobenen Zeigefinger unterwegs und sagen, das ist ja gar kein Jazz.“ So könnte man den wunderbaren Auftritt von „The Cat Empire“ als unmissverständliche Antwort verstehen, die Genre-Frage ganz sein zu lassen und sich der live dargebotenen Musik zu widmen. Bereits seit Donnerstag wird kräftig musiziert, beispielsweise wurde Doublebass-Legende Billy Cobham mit der „German Jazz Trophy“ ausgezeichnet. Unser persönlicher Auftakt der diesjährigen jazzopen ereignete sich jedoch gestern Abend. Den sommerlich-warmen Freitagabend im Arkadenhof ließen sich junge Semester eben so wenig entgehen wie Senioren.
Mit einem gut gelaunten Paar komme ich vor Konzertbeginn kurz in Gespräch. Beide hören bereits seit Jahren die Musik der australischen Formation, besuchen allerdings erst jetzt ein Konzert um „falsch mitzugröhlen“, erzählt die Dame lachend. Generell ist die Stimmung ungemein friedlich. Alle haben diese besondere Lust auf Musik und Erlebnis. Vergangene Auftritte von früheren jazzopen-Acts laufen passenderweise auf der recht großen LED-Leinwand, um den immer voller werdenden Innenhof musikalisch sozusagen vorzuglühen. Gegen halb Acht betritt eine junge Frau die Bühne. Ihr Outfit besteht aus einem karamellfarbenen Rock mit Accessoires verziert und einer wallenden dunkelblonden Mähne, genauso wie ihre Erscheinung ist ihre Musik. Verträumter Pop mit englischen Texten – die pointiert gesetzten Rock-Einflüsse sind meist organisch mit den Songs verbunden. Da kommt einem glatt Alanis Morrisette in den Sinn! Neben temporeicheren Songs scheut sich die fünfköpfige Band, bestehend aus Gitarre, Drums, Keys und Bass, nicht davor auch leisere Töne anzustimmen, denen das Publikum in großen Teilen folgt. Gegen Ende besingt Franziska Stöger nur mit Piano-Begleitung eine schöne Ballade. Genauso leichtfüßig wie ihre gesungenen Stücke steht sie auch rund 40 Minuten barfuß auf der jazzopen-Bühne im Innenhof.
Energiegeladener Start durch die Hintertür
Überhaupt soviel anders als auf anderen Konzerten. Statt austauschbaren Hallen begegnet man in dieser Location wahrhaftiger Geschichte. Erbaut 950 n. Chr dient das „Alte Schloss“ heutzutage als Landesmuseum und verschiedenen Veranstaltungen. Nach einer kurzen Verschnaufpause macht sich gegen 20:30 Uhr heißerwartete Anspannung bereit, die Headliner des Abends kündigen sich an und glaubt man den Worten von Moderator und Pressesprecher Reiner Schloz beginnen sie ihre Konzerte originell. Während alle Augen also zur Bühne blicken, macht sich im Hintergrund, genauer gesagt am gegenüberliegenden Ausgang plötzlich lautes Getrommel bemerkbar. Hintereinander, anfangs schwer zu erkennen, bahnen sich die Mitglieder:innen von „The Cat Empire“ ihren Weg durch den mittlerweile vollen Innenhof. Der Auftakt ist geglückt! Der grau gepflasterte Boden ist nunmehr kaum noch erkennen während das hellbeige-farbene Basalt des Alten Schlosses einen perfekten Rahmen für den ausgelassenen Konzertabend bietet. Die Australische Combo setzt auf impulsive Melodien, deren Inspirationen sich nicht eindeutig zuordnen lassen. Belebender brasilianischer Straßenkarneval gepaart mit unbekümmerten Rythmen, spätestens mit der „Thunder Rumbles“ hatte die Band das Stuttgarter Publikum auf ihrer Seite. Leadsinger Felix Riebl versprüht mit seinem lässig halb offenem dunkelblauen Hemd lockere Frauenschwarm-Vibes. Seine mit deutlich australischem Akzent unterfütterte auf Deutsch gehaltene Begrüßung wird vom Innenraum sofort mit zustimmenden Gejohle beantwortet.
Bereits im Auftakt überlässt Riebl nur zu gerne seinen Bandkolleg:innen den alleinigen Spotlight. So sprintet er nach rechts zu den Drums während Lazora Pompa und Jordan Murray wahlweise den Liedtext beherzt intoniert oder ein flottes Trompeten-Solo zu Gehör bringt. Kraftvoll ist jeder der Songs. Wie Efeu umschlingen diese bis zu fünf verschiedene Musikgenres welche von Jazz, Ska, Reggae, Funk, Latin bis hin zu Hip-Hop und Rock reichen. Riebl und Ollie McGill sind die verbliebenen beiden Gründungsmitglieder von „The Cat Empire“, die Restlichen kamen ab 2022 sukzessive dazu. Besonders die zwei Damen namentlich Grace Barbe am Bass und Neda Ramani an den Trommeln sorgten mit ihren leidenschaftlichen Einsätzen für den energiegeladenen Sound. Gut, so manche musikalische Versatzstücke scheinen dem geübten Ohr bekannt vorzukommen, dies tut der allgemeinenen Stimmung jedoch keinerlei Abbruch. Zu abwechslungsreich sind die dargebotenen Stücke, zu überraschend die melodische Begleitung. Löblich ist übrigens die Mischung. Temporeiche Songs wie „West Sun“ werden durch herrlich stilvolle abgelöst, dank eines knapp fünfminütigen hypnotisch gespielten Drum-Solo von Danny Farrugia was zu einem spontanen kollektiven Hinhocken im Zuschauerraum führt, nur um kurze Zeit später eurupitiv wieder aufzuspringen. Gar wie die Vielzahl an Genres sind ihre Liedtexte mehrsprachig gehalten, so wird neben Englisch auch Französisch und Spanisch angestimmt.
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Die eintretende Dunkelheit verschafft dem Innenhof mit seinen verschiedenen farbig illuminierten Wänden eine intime Atmosphäre. Diesen Umstand nimmt auch Riebl zum Anlass um über einen persönlichen Verlust zu sprechen und ihn mit dem schönen Gedanken zu verknüpfen, dass Musik die Menschen wieder zusammenbringen könne. Zustimmend entsteht ein kleines Lichtermeer aus Handy-Taschenlampen, was den gespielten ruhigeren Song im besten Singer/Songwriter Style noch eine zweite Ebene verleiht. Gegen Schluss holt „The Cat Empire“ mit einer gut hörbaren Country-Nummer den Cowboy-Hut raus, da würde selbst Taylor Swift mitwippen. Wie ausgesprochen fantastisch der bandgewordene Genre-Mashup dem jazzopen-Publikum gefiel, ließ sich an den Zugaben bestens ablesen. Um 21:48 Uhr wurde der „One last song“ angekündigt und um kurz vor halb 11 trat das letzte Mitglied von „The Cat Empire“ von der Bühne. Wahrlich kein Katzenjammer!
Zu unserem Themenschwerpunkt „jazzopen 2024“.
Mehr Informationen zu den jazzopen 2024.
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