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Interview mit Jürgen Schlensog zum großen jazzopen Stuttgart-Jubiläum

Junge Leute sollen in die Festival-Atmosphäre eintauchen

Die jazzopen 2024 beginnen in wenigen Wochen und präsentieren vom 18. bis zum 29. Juli 2024 elf Tage lang ein mitreißendes Programm voller Acts auf unterschiedlichsten Bühnen im Herzen von Stuttgart. Während im stadtbekannten Jazzclub BIX feiner Jazz dargeboten wird, geben sich auf dem Schlossplatz Weltstars wie Lenny Kravitz, Sting, Sam Smith oder Jamie Cullum das Mikrofon in die Hand. Zudem präsentiert Herbert Grönemeyer ein besonderes Bonbon, in dem er zusammen mit den Stuttgarter Philharmonikern einen musikalischen Abend bestreitet. Zum 30-jährigen Jubiläum also reichlich Stoff für ein amüsantes Interview mit Festivalchef Jürgen Schlensog.

Techkrams.de: 30 Jahre jazzopen. Seit 2008 halten sie mit der Übernahme der Opus GmbH, die Zügel in Händen. Davor waren Sie bereits begeisterter Jazz-Fan, spielten sogar im Orchester Akkordeon. Wie hat sich das Festival über drei Jahrzehnte hin verändert?

Jürgen Schlensog: Gesellschafter der Opus GmbH bin ich schon seit 2000 und habe das Festival die ersten Jahre als Beobachter erlebt. Damals handelte es sich eher um ein regionales Festival von hoher Qualität, sowohl was das Line-up als auch die Produktion betraf. Gespielt wurde vier Tage lang auf maximal zwei Bühnen, aber schon damals nicht nur Jazz-Acts. Und es gab eine gewisse Abhängigkeit von einem Titelsponsor. Meine erste Hauptaufgabe bestand darin, das Sponsoring breiter aufzustellen und dafür inhaltliche Konzepte zu entwickeln. Wir sprechen ja auch nicht von Sponsoren, sondern von Partnern. Das heißt: Einerseits sind wir in der Gestaltung des Festivals völlig frei, andererseits haben wir zum Beispiel mit Premium-Partner Mastercard den bargeldlosen Zahlverkehr eingeführt. Die Sparda-Bank stellt nicht nur eine Festival-Bühne, sondern vergibt im Rahmen der jazzopen jährlich die German Jazz Trophy. Und so arbeiten wir mit unseren Partnern zum beiderseitigen Nutzen in vielen Bereichen zusammen. Das ist ein wichtiger Grund für die Entwicklung. Der andere – ganz klar – dass es uns im Lauf der Jahre gelungen ist, mit dem Alten Schloss und dem Schlossplatz zwei sehr attraktive Hauptbühnen als echte Heimat dauerhaft bespielen zu können.

Techkrams.de: Inwieweit spielt die zum Teil unkonventionelle Auswahl an Künstlerinnen und Künstlern für den Erfolg eine Rolle?

Jürgen Schlensog: Eine große. Von Beginn an war klar, dass wir das Festival inhaltlich noch weiter öffnen müssen. Jazz und Blues bilden ja die Grundlage jeder Art von Popularmusik. Viele Jazzmusiker sind eben nicht mit dem erhobenen Zeigefinger unterwegs und sagen, das ist ja gar kein Jazz. Die Genres haben sich in den vergangenen Jahrzehnten ja auch sehr stark angenähert. Und sie vermischen sich in durchaus positiver Weise miteinander. Außerdem wollen wir die Leute nicht erziehen, sondern begeistern. Das heißt unabhängig von der Stilrichtung bieten wir hohe musikalische Qualität mit einer – ganz wichtig – hochwertigen Produktion. Wir sind kein elitäres Festival, sondern wollen eine breite Bevölkerung erreichen.

Techkrams.de: Könnte dann auch ein Helge Schneider als ausgebildeter Jazzmusiker ein Act für die kommenden Jahre sein?

Jürgen Schlensog: Ich möchte nichts ausschließen, zumal ich ihn als Künstler schätze. Grundsätzlich ist es bei uns so: Wir versuchen allen die Bühne zu geben, die sie füllen, die sie stehen können und auf die sie unserer Ansicht nach am besten passen. Ein prominentes Beispiel ist Weltstar Herbie Hancock, der wie kaum ein anderer den zeitgenössischen Jazz der letzten Jahrzehnte verkörpert. Er spielt bei uns in aller Regel aber auf der zweiten Bühne im Alten Schloss, weil er dort besser hinpasst. Das ist einfach ein schönes Erlebnis, ihn dort zu sehen, vor 1.100 Leuten. Wir kuratieren das Festival so, dass sich nicht jedes einzelne Konzert tragen muss. Wir stellen die Musikerinnen und Musiker auf die Bühne, auf der sie am besten zur Geltung kommen und für unser Publikum am intensivsten erlebbar sind.

Techkrams.de: 16 Jahre inmitten eines weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten Jazzfestivals. Da gab es sicherlich den einen oder anderen skurrilen Vorfall?

Jürgen Schlensog: Es gab einige. 2008 zum Beispiel. Lenny Kravitz kam zum ersten Mal zu uns, damals noch auf die Hauptbühne auf dem Pariser Platz. Freitag morgens, Punkt elf Uhr, trafen wir uns zur Besichtigung. Genau in diesem Moment begannen die Bauarbeiter unter großem Lärm mit den ersten ernsthaften Erdarbeiten für das heutige Europaviertel. Der Manager schaute sich um und sagte: „Hier spielen wir nicht.“ Wir konnten dann doch mit ihm reden und die Baggerführer davon überzeugen, für diesen Freitag die Arbeiten einzustellen. Aber dann schauten sich die Kravitz-Leute unsere Bühne an. Ihnen war die Beschallung viel zu schwach. Wieder Kopfschütteln. Am Abend stand Lenny Kravitz dann doch auf der Bühne, hatte einen Riesenspaß, ging durchs Publikum und ließ sich auf Händen tragen. Eine Riesenshow! Aber morgens um 11 Uhr hatte es danach erst einmal gar nicht ausgesehen.

Zur Person: Jürgen Schlensog ist Unternehmer und leitet seit 2008 mit seiner Eventfirma „OPUS GmbH“ das Festival jazzopen Stuttgart. Als gebürtiger Stuttgarter versammelt er Jahr für Jahr eine illustre Mischung aus nationalen und internationalen Künstler:innen auf allerlei Bühnen der Landeshauptstadt. Mit Leib und Seele steht er für Jazz und jegliche Couleur von Musik.

Techkrams.de: Hilft das langerarbeitete Festival-Prestige, die finanzielle Stabilität oder eher die besonderen Locations, um die Künstler:innen nach Stuttgart zu locken?

Jürgen Schlensog: Es ist ein Mix aus allem. Das Management von Sam Smith zum Beispiel kam auf uns zu, die wollten hier spielen. Eines der Gegenbeispiele ist Bob Dylan. Den haben wir fünf Jahre lang bearbeitet. Ihn musste man richtig akquirieren. Es spielen dabei viele Dinge eine Rolle: Termin, Routing, Geld natürlich. Die Reputation des Festivals, die wir uns inzwischen erarbeitet haben, hilft sicher erheblich. Sie können sich das ungefähr so vorstellen: Je bekannter der Künstler, desto sicherer sind Ticketverkäufe. Am Ende aller Tage muss die Rechnung stimmen. Und zwar für beide. Für alle Festivals, nicht nur in Deutschland, ist die ständig steigende Digitalisierung der Musikindustrie ein zunehmend großes Problem. Weil kaum noch CDs und LPs verkauft werden, ist die Haupteinnahmequelle der Musikerinnen und Musiker das Live-Geschäft. Folglich wird es immer teurer.

Techkrams.de: Fusion-Urvater Billy Cobham erhält am 18. Juli die German Jazz Trophy. Mit 40 eigenen Platten und als Pionier der Double Bassdrum gilt er als Ausnahmeschlagzeuger – was verbinden Sie mit ihm?

Jürgen Schlensog: Cobham ist einer der tragenden Kräfte des Fusion Jazz. Jetzt mit seinen 80 Jahren geht’s darum, ihn für sein Lebenswerk zu ehren. Das ist der Zweck der German Jazz-Trophy. Deswegen werden nicht Leute geehrt, die 45 sind, sondern die, die auf eine große Karriere blicken können. Und da gehört Billy Cobham einfach dazu. Eigentlich ein Fehler, dass er die Trophy nicht schon längst bekommen hat. (lacht)

Techkrams.de: Kommen wir von den Legenden zu den Jungen. Der Nachwuchs kann sich beim BW playground und auf den kostenfreien Open Stages Konzerten präsentieren. Verstehen sich die jazzopen auch als Kaderschmiede für angehende Jazz-Musiker:innen?

Jürgen Schlensog: Natürlich, aber nicht nur das. Der BW playground bietet jungen Nachwuchs-Formationen die Chance, gegen Gage erstmals auf einer der großen Bühnen aufzutreten. Auf den Open Stages dagegen spielen junge Profis, die schon eine gewisse Erfahrung besitzen und die in paar Jahren vielleicht einmal auf unseren großen Bühnen zu sehen sind. Sie sind schon so arriviert, dass sie zum Teil irritiert sind, weil wir für ihre Konzerte keinen Eintritt verlangen. Wir tun das aber, weil wir jungen Menschen, die sich unsere Tickets nicht leisten können, die Möglichkeit bieten wollen, auch in die Festival-Atmosphäre einzutauchen. Das heißt, wir fördern den Nachwuchs auf der Bühne und entwickeln gleichzeitig unser Publikum von Morgen.

Techkrams.de: Herbert Grönemeyer tritt dieses Jahr als besonderes Highlight mit dem 88-köpfigen Stuttgarter Philharmonikern (Orchester der Landeshauptstadt) auf. Wie kam es zu dieser musikalischen Zusammenführung?

Jürgen Schlensog: Die Idee hatte ich, weil ich sein Werk ganz gut kenne und auch wusste, dass er sich das eine oder andere Mal mit einem Orchester zusammentat. Mit seinem Manager bin ich seit fünf, sechs Jahren in Kontakt, falls das überhaupt reicht. Schließlich konnten wir ihn überzeugen, dass wir eine passende Bühne bieten. Und die Idee, den Auftritt mit einem Orchester zu realisieren, fand Grönemeyer gut. Das Besondere dabei: An diesem Abend werden drei Jubiläen gefeiert: Die Philharmoniker feiern 100 Jahre, die jazzopen 30 Jahre und das Grönemeyer-Album “Bochum” wird 40 Jahre alt. Die Vorbereitungen für diesen Abend sind sehr intensiv. Herbert Grönemeyer reist vier Tage vor dem Konzert in der Stadt an, mit der gesamten Entourage. Dann wird geprobt, alle gehen mit sehr viel Qualitätsanspruch an das Thema. Dahinter stehen große Aufwendungen, die mit Zeit und Geld zu tun haben. Das muss man sich auch leisten wollen. Ich hätte auch sagen können, Grönemeyer spielt sowieso vor ausverkauftem Haus, egal wie. Nein, wir versuchen solche Projekte immer wieder zu realisieren, weil sie auch für das Festival, dessen Qualität und Ideenreichtum stehen.

Techkrams.de: Karten an der Abendkasse wird es für dieses einzigartige Konzert vermutlich nicht mehr geben?

Jürgen Schlensog: Nein, leider nicht. Wir haben, wenn wir gerade darüber reden, sehr gut verkauft. Wir werden deutlich über 50.000 zahlende Besucher haben. Für die meisten Konzerte gibt’s keine Tickets mehr. Über die noch vorhandenen Tickets kann man sich auf unserer Website informieren. Auf dem Schlossplatz sind vier von sechs Abenden bereits komplett ausverkauft. Das Alte Schloss ist bis auf einen Abend komplett ausverkauft. Die Clubabende sind sehr gut nachgefragt. Wir sind sehr zufrieden. Wir konnten diesmal ja nur schwer das Risiko einschätzen, weil wir durch die Fußball-EM und das Public Viewing auf dem Schlossplatz so spät im Juli spielen müssen. Wir kommen erstmals in die Sommerferien und wussten nicht, wie das mit den Planungen unseres Publikums kollidiert.

Techkrams.de: Sting, Lenny Kravitz, Sam Smith, Grönemeyer, Jamie Cullum, Kyle Eastwood, Cat Empire oder auch Veronica Swift – die Dichte an Top-Acts zum Jubiläum ist enorm. War die Planungszeit im Vergleich zu Vorjahren anstrengender?

Jürgen Schlensog: Was für das Publikum gilt, gilt natürlich noch viel mehr für die Verfügbarkeit der Künstlerinnen und Künstler. Schließlich gibt es einen festen Festival-Kalender, nachdem alle Acts planen. Den mussten wir diesmal aufbrechen, deshalb waren unsere Planungen deutlich aufwendiger als sonst. Sie müssen sich das so vorstellen: Von Juni bis Mitte Juli finden die Festivals in Nord- und Mitteleuropa statt, danach ziehen die Künstler weiter nach Südeuropa oder fliegen in die USA. Das hat auch viel mit Logistik zu tun. Beispielsweise tourt Lenny Kravitz mit vier 40-Tonnern. Die fahren nicht mal kurz von Malaga noch Helsinki. Deshalb ist die Route seiner Tour genau durchgeplant. Als Festival muss man da geografisch und zeitlich reinpassen. Und wenn du jetzt außerhalb des eigentlichen Kalenders spielst, zumindest am Rande dessen, dann hast du ein Problem. Als eines der renommierten Festivals in Europa können wir die Reiseroute im Normalfall beeinflussen, in dem wir sehr frühzeitig mit Management und Künstler in Kontakt treten, um zu einem Fixpunkt der geplanten Tour zu werden. Deshalb arbeiten wir längst an unserem Line-up für 2025. Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir bereits Ende September rund 80 Prozent unseres Line-ups für den Sommer 2025 kennen.

Herr Schlensog, herzlichen Dank für das freundliche Gespräch.

Tickets und weitere Informationen zu den jazzopen 2024 in Stuttgart findet ihr hier.

Hier findest du unsere vergangenen Musik-Specials.

Jazzopen Vol.2
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Benny Illgner

Nachname hielt schon Fußbälle auf. Ich bisher nur virtuell. Sitzt seit 2005 in Digitalien fest und wartet auf den Pannendienst. Steht in fester Beziehung mit Twitter und Instagram. Schreibt Gags fürs Netz und Fernsehen. Nimmt gedeckte Schecks und Pizza gerne auf Twitter unter @IamIllgner an.

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