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jazzopen 2024: Veronica Swift & Jamie Cullum – „Stuttgart, we’re Friends!“

Jamie lässt sein Publikum nicht im prasselnden Regen stehen

Selbst im Bindfaden-artigen Regen kann Jamie Cullum auf den stärksten Chor von Stuttgart vertrauen – der britische Flitzebogen bespielte zum sagenhaften achten Mal die jubilierenden jazzopen Stuttgart. Seine wahrhafte Spielfreude mit lockerer Interaktion des Publikums machte sein Konzert zum klaren Highlight des diesjährigen Festivals. Zuvor rockte Veronica Swift über die Bühne des Schlossplatzes in wirbelstürmischer Art. Unsere Eindrücke zum gestrigen Konzertabend.

Stuttgart –Trüb, grau sieht die Innenstadt der schwäbischen Landeshauptstadt am späten Nachmittag aus, dies liegt zur Abwechslung nicht etwa an mehreren leerstehenden Geschäftsflächen sondern am Wetter. Eine graue Wolkenschicht hat sich über die Stadt ausgebreitet. Hinzu kommt mal stärker, mal schwächer hinunterkommender Regen. Eigentlich ein Wetter zum Zuhausebleiben. Wären da nicht die just stattfindenden jazzopen Stuttgart. Diese feiern in diesem Jahr nicht nur ihre 30 Jahre Bestand, auch ein feierliches Programm wird geboten. Von Herbert Grönemeyer, Lenny Kravitz und Sam Smith erhielten die Besucher:innen der großen Schlossplatz-Konzerte ein Highlight nach dem Anderen serviert. Obwohl der Einlass gar noch nicht begann, füllt sich der Schlossplatz langsam. Um den unaufhörlichen Regen zu meiden hört man im breiten Schwäbisch „Gemma doch an die Bierbar da drüben sieht trocken aus!“ Lockten am Freitagabend bei knalligem Sonnenschein die schattigen Plätze zur Abkühlung, sind sie jetzt trockene Oasen. Kurz bevor der Innenhof des Neuen Schlosses final nach den Soundchecks geöffnet wird, stehen an beiden Eingängen rund 250 Personen in jeweils zwei Schlangen, die Vorfreude demnach riesig.

Nachdem sich die leidenschaftlichen Konzert-Cracks die mittigsten Plätze an den Wellenbrechern vor der Bühne sicherten, hörte der Regen zur Abwechslung auf. Mit dem ersten Support-Act, die Freiburger Band „The Rehats“, bricht zwar nicht die Sonne durch jedoch erklingt locker-leichter Pop, der ohne Country-Versatzstücke an „Mumford & Sons“ erinnert. Insgesamt zu viert stehen drei Mitglieder:innen mit Bass und Gitarre vorne während der Schlagzeuger weiter hinten den nötigen Bass liefert. Zwischen den Songs sprechen Nadine Traoré und Johannes Stand im amüsanten Podcast-Stil miteinander, beteuern ihr Tun mit dargebotener „Gute Laune Musik“. Den anwesenden Leuten gefällt’s. Durch den wieder einsetzenden Regen entsteht langsam ein Meer aus bunten Regencapes und Kapuzen. Gegen Halb Acht, der Innenraum ist spürbar voller, moderiert SWR1-Moderatorin Stefanie Anhalt eine Künstlerin an, die bereits im Jazzclub BIX für Furore sorgte – Veronica Swift. Die grazile Frau wirkt auf den ersten Blick unscheinbar, hat’s aber faustdick hinter den Ohren. Musikalisch lässt sich Swift nicht direkt in ein Genre einordnen. Sie bedient sich aus rotzigem Jazz mit starken Rock und Big-Band Einflüssen was an ihrem eng geschnittenem Outfit inklusive breit gewobener Netzstrumpfhose liegt. Ihr markantes Augen Make-Up ist ebenso ein Hingucker. Eines ließ sich nach wenigen Minuten festhalten: Veronica Swift lebt für ihre Performance. Wie ein Flummi rast sie über die jazzopen-Bühne während ihre im Wet-Look gestylten schulterlangen Haare ihr bei Headbanging-Einlagen wild umher wehen. Damit macht sie sogar dem späteren Headliner Konkurrenz.

Ihre Stimme bleibt im Kopf

Ihr Set lässt einen guten Blick auf musikalisches Talent zu, da sie einerseits mit „Get Tough“ relativ harte Hard Rock-Nummern welche an Pink Floyd oder Led Zeppelin kredenzt, andererseits zum Schluss ganz bewusst mit „Sing“ die leisen Töne sucht um ihre gewaltige prägnante Stimme zu präsentieren. Zudem ist ihre handverlesene Band ein wichtiger Teil des Puzzles. Mit ihrem, generell im Vordergrund aufhaltenen, Gitarristen tanzt, flirtet oder neckt sich Swift während den Songs in höchst amüsanter Weise. Nur um sogleich den Mikrofonständer zu greifen und ihn als Erweiterung ihrer Performance zu verwenden. Das Publikum ist durchaus angetan und dessen Applaus quittiert sie mit „Vielen, vielen Dank!“. Die gebürtige US-Südstaatlerin blies mit ihrer grandiosen Darbietung nicht nur den Regen weg sondern schlägt mit ihrer ganz eigenen Version der Mondscheinsonate „In Moonlight“ erst in minimalistischer Art per Klavierbegleitung nachdenkliche Töne an um eruptiv den Bass aufheulen zu lassen und diese schwere Ballade vollends mit Drums in die frühen rockigen Achtziger zu katapultieren. Durch das mysteriös-filmreif gespielte Cover von Jefferson Airplane’s „White Rabbit“ überzeugte Veronica Swift eindeutig das interessiert verfolgende Publikum. Gegen Ende meinte sie gar selbstreferenziell: „You make your down place in this world when you find the right people“. Anders gesagt: Sie kam als Support und ging als Headlinerin.

Neigte sich das rhythmische Mitnicken der Zuschauer:innen zum Ende, räumten die Stagehands die Bühne frei wurde die Stimmung im mittlerweile vollen Ehrenhof bedächtiger. Als könnte er selbst es nicht schon erwarten, fängt Jamie Cullum schon 15 Minuten eher an. Ganz non chalant ohne großes Opening. Lässig betritt er die Bühne, läuft zielstrebig zu seinem Sehnsuchtsintrument und haut sprichtwörtlich in die Tasten. Wir sehen ihn jetzt zum dritten Mal und auch an diesem Abend verlor er seine Strahlkraft in keinster Weise. Sprudelnd wie ein kreativer Vulkan rennt er zum Tamborim, um sein „Gong Gong Intro“ die beatlastige Würze zu verleihen. Dann tänzelt er zurück zum Piano um sogleich wie im Rausch nach einigen Takten aufzuspringen. Die Zuschauer:innen verfolgen jede noch kleine Bewegung des britischen Multiintrumentalisten, der trotz seines Renommees seine Auftritte bei den jazzopen für ein großes „Privileg“ sieht. Nach dem freudig aufgenommenen „These Are The Days“ platzt es förmlich aus ihm heraus: „Stuttgart, we’re Friends!“ Langsam taucht die Dämmerung die gesamte Location in eine besondere Atmosphäre, welche durch die abwechselnd blau und gelb leuchtenden Scheinwerfer ein ungemein gutes Bild abgibt. Nur der am Hacken haftende Schauer gibt Anlass zum Seufzen. Der zum achten Mal seit Festivalbestehen auftretende Cullum witzelt: „Stuttgart und Ich erlebten zusammen jedes Wetter – außer Schnee.“ Lautes Auflachen, es geht auch mit Kapuze. Wie kaum ein anderer Künstler liebt er dieses Festival – er baut in seine Song nur zu gerne „Stuttgart“ ein. Dem Wetter entsprechend spielt er, sein mittlerweile legendäres, „Singing in the Rain“. Ganz hauchzart.

Weniger ist mehr

Bei all seinen weiteren Wirbelungen über die Schlossplatz-Bühne weht sein leichtes schwarzes Hemd über dem er zuvor ein lässiges Jacket trug. Obwohl er erst 44 Jahre ist, stellt er nach rund 50 Minuten Spielzeit fest: „Man weiß was Altern bedeutet, wenn man sein Gesicht auf einer riesigen LED-Leinwand sieht.“ Wie fabelhaft sein Auftritt ist, macht Jamie Cullum nicht an exorbitanten Showelementen fest oder bekannten Gastmusiker:innen sondern an seiner unglaublich zackigen Band, die sich gegenseitig Vertrauen geben. Mal lässt der Chef einzelnen Mitgliedern freien Lauf, in dem ein Saxophon-Solo den mit rund 6.700 Zusehenden ausgelasteten Innenhof in einen intimen Jazzclub weit nach 2 Uhr Morgens verwandelt oder führt selbst ungeplante Aktionen durch. Beispielsweise stimmte er „Everlasting Love“ an. Wunderbare Schmuse-Stimmung verbreitete sich, mancher Cineast erinnerte sich an die Komödie „Bridget Jones 2 – The Edge of Reason“, wo diese Version Verwendung fand. Überhaupt sind die Tempiwechsel die große Stärke von Cullum – von ruhig bis spritzig wild war alles dabei. Neben seinem obligatorischen Sprung vom Piano durfte ein Bad in der Menge ebenfalls nicht fehlen. Erst kletterte er singend (!) über die Wellenbrecher um vom Innenraum quasi verschluckt seinen Song „20 Something“ fertig zu singen. Sprichwörtlich Musik zum Anfassen.

Jazzopen Vol.2
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Die grandiose Lichtshow, die den Stuttgarter Nachthimmel partiell nicht nur einmal in schöne Farben taucht, ist wahrlich ein Highlight. Nach 90 Minuten nicht die Spur von Müdigkeit, wie sein Sprung mit Schmackes vom Piano beweist während die swingige Latin-Pop Nummer „You And Me Are Gone“ gespielt wird. Cullums Bandmitglieder brauchen nahezu keine Anweisungen, sie verstehen sich ohne Kommunikation. Nach und nach verschwinden sie von der Bühne bis der englische Flitzebogen übrig bleibt – als Abschiedsbonbon verspricht er nicht nur die jazzopen „again, again, again“ zu besuchen sondern performed einen seiner größten Hits „Don’t Stop the Music“, dem Original von Michael Jackson respektive Rihanna. So endet ein musikalisch extrem breitgefächerter Konzertabend, dessen Publikum beim Hinauslaufen den Refrain anstimmt und es sowas nur auf den jazzopen Stuttgart gibt. You made again, Jamie!

Zu unserem Themenschwerpunkt „jazzopen 2024“.

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Benny Illgner

Nachname hielt schon Fußbälle auf. Ich bisher nur virtuell. Sitzt seit 2005 in Digitalien fest und wartet auf den Pannendienst. Steht in fester Beziehung mit Twitter und Instagram. Schreibt Gags fürs Netz und Fernsehen. Nimmt gedeckte Schecks und Pizza gerne auf Twitter unter @IamIllgner an.

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