KinoKritiken

Retro-Kritik zu „28 Days Later“ – Dystopischer Klassiker mit aktueller Relevanz

Wiederaufführung vor Start des Dritten Teils

Gestern lief 28 Days Later wieder im Kino – und ja, das ist tatsächlich schon über 20 Jahre her, dass Danny Boyles Endzeit-Meisterwerk zum ersten Mal für leere Straßen und schlaflose Nächte sorgte. Die Wiederaufführung kam nicht von ungefähr: Im Juni startet 28 Years Later, der lang erwartete dritte Teil der Reihe. Wer also wissen will, wie alles begann, bekam die perfekte Gelegenheit dazu – auf der großen Leinwand.

Alex Garland steht heutzutage mit Werken wie „Civil War“, „Ex Machina“ oder zuletzt „Warfare“ für markige Unterhaltung mit klaren Botschaften. Gesellschaftlich wie politischkritisch denn noch ohne erhobenen Zeigefinger, vielmehr mit überspitzten Hypothesen in Was-könnte-sein-Szenarien. Mit „The Beach“ tat er sich mit Regisseur Danny Boylew zusammen, der mit „Trainspotting“ einen großen internationalen Erfolg vorweisen konnte und eben auch kantige Geschichten narrativ inszenieren konnte. Garland trumpfte ein paar Jahre davor mit seinem paradiesischen Thriller „The Beach“ auf. Doch mit dem Drehbuch zum Horrorthriller „28 Days Later“ resultierte sich dank Zusammenarbeit ein wegweisendes Werk. Im Juni 2003 flimmerte er über weltweiten Leinwände und konnte trotz eigensinniger Optik sowie dystopischer Erzählweise ein große Zuschauerschaft um sich scharren. Natürlich sieht man dem Film sein Alter an. Gedreht auf damals noch relativ neuer Digitaltechnik, ist die Bildqualität eher 480p als 4K – roh, körnig, stellenweise fast dokumentarisch. Aber genau das macht seinen Reiz aus. Der Look passt perfekt zur Atmosphäre: Eine Welt, die gerade zusammengebrochen ist, braucht keinen Hochglanz.

Im Zentrum der Geschichte steht Jim (Cillian Murphy) – ein junger Mann, der nach einem Unfall im Krankenhaus erwacht und feststellen muss, dass um ihn herum nichts mehr ist, wie es war. Die Straßen Londons sind leer, die Welt scheint ausgestorben. Was folgt, ist eine Reise durch eine verstörend stille, postapokalyptische Landschaft, auf der Suche nach Antworten, Verbündeten – und einem Rest von Menschlichkeit. Die Geschichte lebt stark von dieser Perspektive: Jims Orientierungslosigkeit ist auch unsere. Wir lernen die neue Welt, in der alles zusammengebrochen ist, Stück für Stück mit ihm kennen.

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Was beim Wiedersehen besonders auffällt: Wie nah uns dieser Film heute plötzlich wieder ist. Die Szenen leergefegter Straßen, Menschen in Isolation, das Misstrauen gegenüber Fremden – vieles erinnert unweigerlich an die erste Phase der Corona-Pandemie. Damals reine Fiktion, heute mit ganz anderen Augen zu betrachten. Der Film verhandelt keine Infektion im wissenschaftlichen Sinne, sondern die sozialen Folgen von Kontrollverlust – und trifft damit auch zwei Jahrzehnte später noch einen Nerv. Sony veröffentlicht im kommenden Juni den dritten Teil der Reihe und nahm den gestrigen Tag zum Anlass den Horrorklassiker nochmal im Kino wiederaufzuführen, da auf den Tag genau in 28 Tagen „28 Years Later“ anläuft.

Boyles Version des Horrorfilms ist kein Gore-Fest, sondern ein intensives, manchmal verstörendes Gedankenexperiment. Was macht eine Gesellschaft aus, wenn alle Regeln plötzlich verschwinden? Was bleibt vom Menschen, wenn die Zivilisation bröckelt? Und bleibt neben blutspuckenden Infizierten nicht schlussletztendlich der Mensch die größte Gefahr? Entgegen damaligen wie heutigen Mainstream-Standards schwimmt er bewusst gegen den Strom – setzt auf lange ruhige Einstellungen ohne Getöse. Und wenn, kann Komponist einen ikonischen Soundtrack die Gefühlslange ohne groß inszenierte Bilderflut beeindruckend untermalen. Boyle und Garland setzen auf Tempo statt langatmige theoretische Dialoge. Hier ist der sprichwörtliche Weg das Ziel. Für den damals noch recht unbekannten irischen Schauspieler Cillian Murphy (Oppenheimer) war der Film ein Startschuss für eine große Karriere, während eine Naomi Harris (Bond-Reihe) hier auch durch ein rebellisches wie auch liebevolles Verhalten auffällt. Dazu gesellt sich noch Brendan Gleeson (Brügge sehen und sterben?) mit seiner ihm eigenen raubeinig-charmanten Art, der der Geschichte noch Seele gibt.

Angebot
28 Days Later - Dvd
  • PAL
  • Murphy, Cillian, Huntley, Noah, Harris, Naomie (Schauspieler)
  • Boyle, Danny(Regisseur)

28 Days Later ist nicht nur ein Klassiker des britischen Horrorfilms, sondern auch ein Stück Kino, das in seiner Wirkung eher stärker als schwächer geworden ist. Gerade jetzt – kurz vor dem dritten Teil – lohnt sich der Blick zurück. Und selten war Endzeit-Kino so düster, so eindringlich und so relevant.

28 Days Later. England 2002. Verleih: Sony. Regie: Danny Boyle. Mit Cillian Murphy, Naomi Harris, Brendan Gleeson. Genre: Horror. 110 Minuten. FSK: Ab 18 Jahren.

Gibt es eine Post-Credit-Szene? = Nein.

Vielen Dank an den Traumpalast Esslingen für die freundliche Bereitstellung des Tickets. Kinotickets für „28 Years Later“ gibt es (bald) hier.

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Benny Illgner

Nachname hielt schon Fußbälle auf. Ich bisher nur virtuell. Sitzt seit 2005 in Digitalien fest und wartet auf den Pannendienst. Steht in fester Beziehung mit Twitter und Instagram. Schreibt Gags fürs Netz und Fernsehen. Nimmt gedeckte Schecks und Pizza gerne auf Twitter unter @IamIllgner an.

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