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The Last of Us Part 2 im großen spoilerfreien Test – Ellie’s Requiem

Der letzte Streich von Naughty Dog auf der PlayStation 4 zelebriert ein schonungslos, hartes Survival-Abenteuer – das dem Spieler dank grafischer Brillanz mehr denn je cineastische Bilder schafft und tief in menschliche Abgründe schaut. Einzigartig in jedweder Hinsicht und keine typische Fortsetzung. Unser großer Test zu “The Last of Us Part 2”.

Epilog

Es dauert nicht lange bis die Wachen ihre Stellung verlassen. Forsch aber mit nötiger Vorsicht pirschen sie sich durch das unwegsame Gelände. Wild überwuchtert mit Gestrüpp, Efeu und sonstigen Auswüchsen der Flora und Fauna. Aufgeplatzter Asphalt mit kratergroßen Löchern verschaffen hier keinen besseren Überblick. Moment….huschte da nicht etwas nach rechts ins abrissreife Haus, deren Grundmauern durch viele Kämpfe dieser Art schon blank liegen? Aus dem Nichts ein Pfeil. Er durchbohrt Seth sofort. Blutend am Boden schafft er es nur noch mit letzter Kraft Richtung Osten zu zeigen. Thomas entdeckt eine schwerzuerkennende Person auf ihn zulaufen, während er realisiert, dass ausgerechnet der Verbliebene am Posten ist. Doch kein Infizierter rennt wütend keuchend auf ihn zu – es ist eine junge Frau, die nahezu alles verloren hat.

In der Siedlung von Joel’s Bruder Thommy

Neil Druckmann und sein Team bei Naughty Dog vor einigen Jahren vor der sprichtwörtlichen Mammut-Aufgabe. Wie soll die Fortsetzung zu einem der bestbewertesten PlayStation-Spiele aussehen? “The Last of Us” verband großartiges Storytelling mit authentischen Figuren und gut gebautem Gameplay in einer umbarmherzigen Welt voller gruseliger Gestalten und tragischen Momenten. Um es gleich vorweg zu nehmen: Part 2 ist nicht die Art von Fortsetzung, die sich die Fans des Erstlings gewünscht hätten. Druckmann weiß um diesen Umstand und versucht mit vielen Mitteln bestimmte Erwartungen im Verlauf der wirklich langen Handlung zu provozieren und sogleich wieder platzen zu lassen. Bevor wir jedoch näher die Story erläutern, verweisen wir auf die Entwickler die ohne Spoiler anteaserten: The Last of Us Part 2 wird eine Geschichte von Hass sein. Das ist sie auch. Einige Jahre sind vergangen, die Ellie und Joel zusammen in Jackson verbrachten haben. In der Siedlung von Joel’s Bruder Thommy lebten sie sich ein, fanden Freundschaften und sogar ein Zuhause. Nachdem ein übler Schneesturm eine unheilvolle Kettenreaktion auslöste, die Ellie’s bisheriges Leben gänzlich auf den Kopf stellt verlässt sie mit ihrer Freundin Dina ihre Gemeinschaft um Rache zu nehmen. Dafür reist sie in entfernte jedoch halbzerstörte Seattle. Um Spoiler zu verhindern, belassen wir es mit weiteren Storyeinzelheiten. Ab Mitte der Geschichte bekommt das Wort Perspektivwechsel eine wichtige Bedeutung. Sie wird zwar packend inszeniert, ihr fehlt aber etwas der gewisse Hoffnungsschimmer, den Teil 1 inne hatte.

Schönheit der Zerstörung

Oftmals zusammen aber auch völlig alleine durchstreifen wir als Ellie die wunderschön anzusehenden halbdemontierten Viertel von Seattle. Überwucherte Straßenzüge triffen auf gewaltige Schluchten bei denen sich das Wasser über Jahre des Stillstands wieder den Weg bahnte. Nahezu demolierte Wolkenkratzer in denen sich entweder Feinde oder Infizierte durch auf Fehler des Gegenüber warten. Ellie trifft auf ihrem Abenteuer zwei größere Gruppierungen – zum einen die “WLF” eine Art militariseirte Gemeinschaft und die “Scars” religiöse Fantatiker, die pure Gewalt an ihren Opfern ausleben. In den ersten Spielstunden tun sich wahrscheinlich Liebhaber des Erstlings überaus schwer. Neue, unbekannte Figuren stehen im Fokus und nur selten spürt man die klassische Atmospähre. Teilweise erinnert “The Last of Us Part 2” storytechnisch an Rockstar Games-Hit “Red Dead Redemption 2”. In schneebedeckten Gebieten erkunden wir mit Pferden die Umgebung. Doch die Entwickler lassen uns oftmals von der Leine. Da gibt immer mal wieder Gebiete zum optionalen Erforschen. Liegt im verfallenden Haus vielleicht etwas nützliches? Denn Vorräte sammeln, wie es gerne von den Protagonisten genannt wird, ist elementar wichtig. Ihr solltet jede Schubladen, jeden Raum bestenfalls doppelt nach Munition und Ingredienzien für Medi-Kits oder Bomben suchen. An der Schnelligkeit des mobilen Craftings änderte man zum Glück nichts. Jederzeit kramt Ellie in ihrem Rucksack um flott bestimmte Sachen zu fertigen. Ebensolche sind bitter nötig. Kämpfe gegen gleich mehrköpfige Gruppen enden trotz Stealth-Ansatz in heftigen Shootouts. Die Gegner-KI ist nicht dumm, sie bespricht das weitere Vorgehen und umkesseln euch. Manchmal hilft da nur die Flucht zurück. Leider vergisst man uns trotz Verlusten schnell wieder und schleichende Angriffe sind problemlos möglich.

Intensität des Gesamteindruckes

Jegliche Hauptfiguren sind großartig geschrieben, handeln nachvollziehbar und führen authentische Dialoge, in denen sie kurz stocken, sich versprechen oder unterbrechen. Hier unterstreicht Naughty Dog seinen klar gewählten cineastischen Weg. Da die nicht entblödenden Rufe aufgrund Ellie’s gleichgeschlechtlicher Sexualität leider viel zu laut waren – nur ein Nebensatz. Sie liebt Frauen und das ist gut so. Generell legt man in derartigen Momenten viel Gefühl rein, sodass der Spieler sanft damit konfrontiert wird. Gerade jetzt ist schwierig nichts zu spoilern, weil ich unbedingt sagen möchte, dass Druckmann (hier alleine für das Skript verantwortlich) die Objektivität wegen emotionalen Momenten opfert, um neue Blickwinkel zu schaffen. Dennoch steigt das geliebte Gefühl der aufkeimenden Harmonie in all dem Elend relativ spät bzw. nur selten auf. Es geht deutlich düsterer, gemeiner und unbarmherziger zu. Das Gameplay konzentriert sich leichter Eingewöhnung auf die Stärken des Vorgängers – Kämpfen und Erforschungen. Entwas entlarvend treffen wir in von 9 von 10 Fällen die sogenannten Clicker, also vom Cordyceps befallene Menschen, in engen leicht klaustrophobischen Räumen an. Nur ab und an gilt es sie in offeneren Arealen zu bekämpfen, obwohl sich Kämpfe oftmals durch Vorbeischleichen gänzlich vermeiden lassen. Nahkämpfe könnten kaum brachialer sein. Klaffende Wunden bei Ellie und ihren Feinden sind währenddessen klar auszumachen. In Sachen Gewalt war Naughty Dog nicht zimperlich: Dieses Spiel hat das USK-18 redlich verdient und sollte nicht von Kindern gespielt werden. Teilweise schlug es sogar mir als erfahrenen Spieler dermaßen auf den Magen, dass ich eine kurze Verschnaufpause brauchte. Die Intensität des Gesamteindruckes greift ab Sekunde 1. Keine Sorge, “The Last of Us Part 2” ist durchgehend linear erlaubt sich in ersten Fünftel ein größeres Gebiet – gleichzusetzen wie Madagaskar in “Uncharted 4 – A Thief’s End”.

Grafisch wie spielerisch imposant

Wenn der Systemlüfter sich wie ein seit fünf Stunden startender Düsenjet anhört, heißt das bekanntlich – grafisch etwas geboten. Und zwar wie! Zum Ende der PS4-Ära serviert man uns den wohl detailreichsten und schönsten Titel. Texturen wirken durch ihre hohen Detailgrad extrem realistisch. So auch die Gewaltspitzen. Ob erledigte Gegner per Kopfschuss oder selbst das Abtrennen von Gliedmaßen ist überaus hart und wird ohne Verwischungen gezeigt. Aber die Gewalt rechtfertigt hier nicht den Zweck sondern unterstreicht die Düsternis. Alleine der Fakt, dass Ellie’s Abenteuer mit stabilen 30fs läuft aber in voller 4K-Auflösung zeigt die technische Meisterleistung der Entwickler. Bäume bewegen sich physikalisch richtig mit dem Wind und die Soundkulisse misamt Umwelteinflüssen oder die mehr als garstigen Geräusche der Clicker verdienen eure Aufmerksamkeit. Über kleinere Bugs wie nachladende Texturen und KI-Aussetzern schauen wir gerne hinweg.

Unser Fazit zu “The Last of Us Part 2”

Ich lüge nicht, wenn ich sage, dass ich seit Jahren auf diese Fortsetzung wartete. Wobei “Fortsetzung” falsch ist – es ist der zweite Teil der Geschichte. Falls ihr mit Genuss spielt dauert dieses Abenteuer stolze 35 Stunden. Enorm viel für ein reines Singleplayer-Spiel. Alle Figuren schließt ihr trotz ihres Backgrounds in euer Herz. Druckmann verlässt erwartete Pfade, reißt das Ruder herum und erzählt uns alles aber nicht das was der Fan hören wollte. Trotzdem hört er zu. Egal, ob das leichtfüßigerere Gameplay oder der Mut in Zwischensequenzen noch mehr zeigen zu wollen. Hier werden regelmäßig neue Maßstäbe gesetzt. Noch cineastischer wirkt das Gesamtwerk, noch bösartiger manche Momente und noch meisterhafter als gedacht. Wow.
Entwickler: Naughty Dog | Preis: 69,99 Euro | Für PlayStation 4 | USK: ab 18

The Last of Us Part 2 (PlayStation 4)

Spielspaß - 96%
Gameplay - 93%
Grafik - 96%
Technik - 97%

96%

Ausgezeichnet!

Ellie's Odyssey ist eine kinoreife Inszenierung, die grafisch zum Besten der PlayStation-Ära gehört und neue Maßstäbe in vielen Aspekten setzt.

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Benny Illgner

Nachname hielt schon Fußbälle auf. Ich bisher nur virtuell. Sitzt seit 2005 in Digitalien fest und wartet auf den Pannendienst. Steht in fester Beziehung mit Twitter und Instagram. Schreibt Gags fürs Netz und Fernsehen. Nimmt gedeckte Schecks und Pizza gerne auf Twitter unter @IamIllgner an.

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