Special: Internationales Trickfilm-Festival Stuttgart 2024 – Starker Jahrgang!
Abwechlungsreiche Festivalwoche
Unter dem Motto „Stuttgart, but Magic“ verwandelte das Internationale Trickfilm-Festival die schwäbische Landeshauptstadt für fünf Tage einmal mehr in einen pulsierenden Schmelztiegel aus animierte Kreativität, informativen Panels und einem Hort für Professionals sowie bester Familienunterhaltung. Unser Special zum ITFS 2024.
Am Eröffnungsabend des Int. Trickfilm-Festival Stuttgart 2024 lag bereits dieser undefinierbare Zauber in der Luft. Zwischen Fachpublikum, so manchem prominentem Gesicht der Branche sowie klassischem interessierten Zuschauer:in gab es keine sichtbaren Grenzen. Moderatorin Anja Lange führte charmant und toll übersetzend durch den heiteren Abend, in dem nicht nur der erste Block der diesjährigen Wettbewerbsbeiträge präsentiert wurde sondern einige Animator:innen zu Wort kommen durften. Welche inneren Beweggründe gab es beispielsweise für den Deutschen Jochen Kuhn seinen Kurzfilm „The Last Generals – The Bunker Movie“ zu produzieren, er antwortete recht tiefsinnig, da alle Länder „Verteidigungsministerien“ besitzen jedoch kein „Kriegsministerium“. Umso amüsanter beendete dann der Engländer Greg Mcload mit dem anarchisch-amüsanten Trick-Spaß „Mee and Burd“ den festlichen Abend – das Publikum war ebenfalls sehr angetan und verlieh dem Comedyautor den begehrten „Audience Award“, dafür konnte man per QR-Code im Kinosaal abstimmen. Doch das ITFS erhielt dieses Jahr nicht nur ein leichtes Redesign sondern mit Heike Mozer, als kaufmännische Leitung, sowie Annegret Richter als künstlerische Leiterin ein komplett neues Führungsduo in allererster Reihe. Rein weiblich – genauso wie die Hauptjury bestehend aus Špela Čadež, Ebele Okoye sowie Carolina López Caballero. Beide engagiert und mit viel Herzblut ab der 1. Sekunde dabei. Richter warb in ihrer Eröffnungsrede auch für politischen Zusammenhalt im Hinblick auf die kommende Europawahl – ohne Demokratie wären Festivals dieser Art unmöglich, sagte sie sinngemäß. Jene Wettbewerbsfilme hatten eine gute Mischung, reichten von spritzigem Brit-Humor über Vergangenheitsbewältigung der grausamen Pinochet-Diktatur bis hin zu menschlichen (leerstehenden) Sehnsüchten im Alltag.
Die Festivalwoche war trotz so manch minimierten Anteilen im Programm ordentlich gestaltet. So wurde das neugestaltete Festival Centre im Haus der Katholischen Kirche als diesjähriger Mittelpunkt vielerlei Veranstaltungen konzeptioniert, beispielsweise fanden Empfänge sowie die regelmäßig gut besuchten „Filmmakers‘ Talks ihren Platz. Trotz so manchem Gewusel im vorderen Teil des Cafés waren selbst Preisverleihungen im tageslicht-erleuchteten Raum möglich. Die steinerne Wandverkleidung setzte hier interessante Akzente – so nahm Michaela Pavlátová ihren ASIFA-Award während der AniX Awards entgegen. Am Abend widmet sich ein Kurzfilmprogramm über das Schaffen von Pavlátová. Löblich war die flotte Inszenierung der Preisverliehungen im Hinblick der letzten Jahre, wo solche Programmpunkte gerne mal zwei Stunden in Anspruch nahmen. Die Festival-Area auf dem Schlossplatz reichte in diesem Jahr vom Sportangebot über eine Stop-Motion-Werkstatt bis hin zu Radio-Workshop oder Frühjahrscheck fürs Fahrrad. Insbesondere die vollständig am Samstag beheimatete „Trickfilm-Werkstatt“ für Kinder von 10-16 Jahren ist mehr als gelungen. Konzentriert arbeiteten rund 16 Kinder an ihren Stop-Motion Kurzfilmen, welche im nächsten Jahr im Rahmen der „Tricks for Kids“ ihre Premiere feiern werden.
Die Preisträger:innen des ITFS 2024 (Auszüge):
Großer Animationsfilmpreis des Landes Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart in Höhe von 10.000 Euro erhielt „27“. Frankreich, Ungarn 2023. Regie: Flóra Anna Buda.
Lotte Reiniger Förderpreis für Animationsfilm: „Dodo“ Regie: Yi Luo. Deutschland 2023.
Preis für den besten Studierendenfilm: „It’s just a whole“ Regie: Bianca Scali. Deutschland 2023.
Preis für den besten Animationslangfilm „Sirocco and the Kingdom of the Winds
(Sirocco et le Royaume des Courants D’air)“ Regie: Benoît Chieux. Frankreich, Belgien 2022.Preis für den besten animierten Kurzfilm für Kinder: „#doudouchallenge“ Regie: Alexandra Delaunay-Fernandez, Julie Majcher, Marine Benabdallah-Crolais, Noémie Segalowicz, Scott Pardaillhe-Galabrun, Sixtine Emerat. Frankreich 2023.
Preis für das beste und innovativste animationsbasierte Computerspiel aus Deutschland: „Closer the Distance“ Studio: Osmotic Studios GmbH. Publisher: Skybound Games.
Der Preis für das beste deutsche Drehbuch für einen Animationslangfilm: „Das NEINhorn“ Drehbuch: Marc-Uwe Kling, Marcus Sauermann.
Der in früheren Tagen als „Young Animation“ bekannte „Student Competition“ erhielt mit tageswechselnden Mottos ebenfalls ein leichtes Refresh, so wurde am Mittwoch unter „Wildlife“ animalisches Verhalten präsentiert während mit „Growing Up“ der mal mehr oder weniger beachtete Altersprozess im Vordergrund stand. Besonders in diesem Jahr fiel die erstaunlich hohe Qualität jener junger Filmemacher:innen auf, die jedoch merklich mehr Pessimismus in ihren Werken zuließen als in Vorjahren. Womöglich eine Art künstlerische Reaktionen der vergangenen gesellschaftlich harten Jahre aus Pandemie sowie Kriegsgeschehen in der Welt. Während die Werktage aufgrund frostiger Temperaturen nur wenig Open-Air Magie zuließen, war das sommerlich-warme Wochenende des Trickfilm-Festival Stuttgart 2024 umso stärker besucht. Dennoch waren die anspruchsvollen Langfilme inklusive spezieller Programmpunkte wie eine gekürzte Aufführung der „Zauberflöte“ der Oper Stuttgart sowie die „idee-BW Preisverleihung“ eine sinnvolle Ergänzung. Für die Jüngeren war die, in den Königsbau Passagen beheimatete, „Gamezone“ mehr als nur einen Klick wert. Sechs Videospiele u.a. „Everspace 2“ von Entwickler Rockfish Games oder das von Mimimi Games programmierte „Shadow Gambit: The Cursed Crew“ waren tagsüber in Gänze anspielbar und fanden großen Andrang. Im nächsten Jahr erhoffen wir uns natürlich einen größeren Spielraum hierfür.
Was sich an jedem Festivaltag in nahezu jedem Programmpunkt offenbarte – wie gierig Jung & Alt auf neue Stoffe und die zugrundeliegende produktionelle Ebene sind. Dies veranschaulichte die sehenswerte Studio-Präsentation von Luce Grosjean, einer enthusiastischen Französin, die mit „MIYU Distribution“ nicht nur ganze sieben Kurzfilme in den Wettbewerb platzierte sondern auch fünf Animationsstudios inne hat und die „Trophee de I’animation du Film Francais“ vor fünf Jahren erhielt. „MIYU“ versteht sich als global agierendes Label für jegliche Animation-Filmemacher, die einerseits produktionell wie vertrieblich Leistungen brauchen. In rund eineinhalb Stunden erzählte Grosjean offen über ihren holprigen Werdegang sowie heutige Erfolge, das vorwiegend junge Publikum lag ihr an den Lippen. Der diesjährige Schwerpunkt auf Irland wurde in Kurzfilmen und einer kleinen Ausstellung im Linden-Museum verarbeitet.
Weitere Eindrücke über das ITFS 2024 haben wir am vergangenen Samstag bereits in einen gesonderten Artikel gepackt. In einem stillen Moment meinte Annegret Richter zu mir – Zukünftig möchte man ein harmonisches Festival schaffen, bei dem Zuschauer:innen mit Animatoren problemlos ins Gespräch kommen.“ Nach dieser Woche mit ganz vielen unterschiedlichen Momenten können wir diese Motivation als gelungen werten. Jene Programmpunkte, die auf dem Papier womöglich uninteressant wirken, entfalteten in einem Kinosaal voller neugierige Augen und leidenschaftlichen Künstler:innen ein ganz besonderes Gefühl, welches nur äußerst selten in Form von Festivals zu spüren ist. Anders ausgedrückt: Das Internationale Trickfilm-Festival Stuttgart 2024 setzte eine außergewöhnliche Benchmark.