Special: Kessel Festival 2022 – Rock am Wasen!
Größer, lauter aber auch aus alten Fehlern gelernt?
Am vergangenen Wochenende stand der Cannstatter Wasen ganz im Zeichen des schweißtreibenden Festivalsommer. Die 2. Ausgabe des Kessel-Festival kam mit entspannter Atmosphäre, mitreißenden Musikacts daher und verbesserte so manch arge Problematik im Vergleich zum Premierenjahr spürbar. Ausgestattet mit Trinkflasche samt Rucksack ließen wir uns auf das nachhaltige Abenteuer bei strahlendem Wetter ein.
Langsam aber kontrolliert bewegt sich die Schlange aus Jung und Alt Richtung Eingang. Zumindest schneller als derzeit in nordrhein-westfällischen Flughäfen kommt man lange vor Einbruch der Dunkelheit am Ziel an. Es ist Samstagmittag, gegen 12 Uhr und nachdem das Ordnungsamt den Cannstatter Wasen als Location absegnete dürfen die ersten freudigen Besucher:innen an zahlreiche Stände. Bei sommerlichen Temperaturen lockten nicht nur schattige Plätzchen wie die frisch eingeführten Zelte zur kleinen Pause zwischen Musik und Mitmach-Aktionen ein. Das war übrigens ein großer Kritikpunkt von 2019, als Veranstalter C2 Concerts erstmals zum Kessel Festival lud. Dieses trat übrigens die inoffizielle Nachfolge der „Hip-Hop Open“ an, welches 2015 letztmalig veranstaltet wurde. Dieses Mal wurde für kühlenden Schatten gesorgt. Deutlich abwechslungsreicher gestalteten die aktuellen Festival-Macher das gesamte Drumherum – auf der Festivalmeile gab es nebst selbst gestaltbare Jute-Beute auch viele Programmpunkte für die Kleinsten.
Mit kunterbunten Hüpfburgen sowie einem überwachten Riglet Park begeisterte man nicht nur Kinder. Ganze Familien verweilten oftmals längere Minuten während gleich gegenüber die frech genannten „Jungwinzer“ im luftigen Zelt zum eisgekühlten Rosé, Rot- und Weißwein luden. Inspiriert vom Stuttgarter Weindorf saß man ebenfalls auf urigen Bierbänken, was jedoch der Stimmung keinen Abbruch tat. Um solche Augenblicke für die Insta-Story festzuhalten bewiesen die öffentlich-rechtlichen Radiosender DASDING & SWR3 den Durchblick, indem sie Akku Auflade-Stationen bereitstellten. Das Kessel Festival ist zwar vergleichbar mit anderen mehrtägigen Veranstaltungen präsentiert sich jedoch beim Thema „Nachhaltigkeit“ als Monopolist. Die gut besuchte „Kleiderstraße“, auf der jede Person Kleidung zum Austausch mitbringen konnte, legte den Startpunkt für weitere Stände in Sachen nachhaltige Lebensweise. Seien es recycelte Taschen oder Klamotten aus Stoffabfällen. Spannend ist hier die Firma „Kleinblatt“ mit der Masterstudent Jay sich für urbane Gärten stark macht – inklusive Geschmacksproben der grünen Erzeugnisse.
Zwischen Maultaschen und Slackline
Wer es bei Speisen deftiger mag konnte kurz vor dem Hauptbühne noch die Fressmeile ablaufen. Neben einer Vielzahl von verschiedenen kulturellen Küchen wie asiatischen, italienischen, iranischen oder amerikanischen gab es sogar „Maultaschen in a Box“ als schwäbischen Einschlag. Obwohl im Vorfeld mehr Toilettenhäuschen als zuletzt angekündigt wurden, standen trotzdem viele Leute fast 30 Minuten an einer Station. Ähnliche Szenen beobachtete man an der einzigen Trinkwasserstellen am Haupteingang – bei knapp 35 Grad im Schatten sollte dringend nachgebessert werden. Dennoch blieb selbst in hektischen Situationen entspannt zwischen den Besucher:innen, gerade weil Familien mit Kinderwägen den Tag mit Fun Sport-Aktionen im „Rock the Beach“-Bereich und mitreißenden Konzerten ausklingen lassen konnten. Abseits konnte sich die Newcomer-Band „Jules“ einen begehrten Opener-Slot nächstes Jahr erspielen.
Sozusagen das Herzstück von allen Festivals – die musikalischen Gäste. Mit Headliner wie „Silbermond“, „AnnenMayKantereit“, „LaBrassBanda“ und „Die Orsons“ gewannen die Veranstalter spannende Genre-Gänger und routinierte Bands mit Prestige. Einige Acts waren dermaßen von der Stimmung der geschätzt 12.000 Zuschauer:innen begeistert, dass sie Zugabe an Zugabe reihten und fast den engen Zeitplan sprengten. Spricht für sich. So ließ sich das Publikum in sengender Hitze nicht zweimal bitten – bei „Herz über Kopf“ von Joris kraftvoll mitzusingen. Über zwei große LED-Leinwände bekam man weit hinten auch vom Bühnenspektakel etwas mit, wie ein riesiges „Peace“-Banner nebst Regenbogenflagge am Ende seines einstündigen Sets. Wahrlich wild performten die Hip-Hop Crew „01099“ aus Dresden. Eine Mischung aus fein formulierten Raptexten sowie guten Beats verleitete nicht wenige zum allseits beliebten Moshpit. (Gerne googeln bei Unklarheit) Obwohl der Sonntag im Vergleich etwas ruhiger ablief standen ab 19 Uhr die interessierten Besucher:innen bis zur Fruchtsäule um „The Voice of Germany“-Jurorin Stefanie Kloß samt Band zu lauschen. Neben Gassenhauern wie „Krieger des Lichts“, „Irgendwas bleibt“ schloss Silbermond kaum verwunderlich mit „Symphonie“. Klassischer Handytaschenlampen-Moment.
Familientaugliches Festival-Feeling im Stuttgarter Kessel, das versprachen die Veranstalter im Vorfeld und hielten dieses Versprechen mit Abstrichen auch ein. Einerseits ist die kostenlose Trinkwasserstation eine vorbildliche Idee, dafür gab es zu wenige. Die Toiletten-Spots gab es diesjährig häufiger aber dennoch zu spärlich, um besonders nach Konzert-Enden für (zeitliche) Entlastung zu sorgen. Dennoch wird auf Feedback gehört und möglicherweise steht uns 2023 ein noch schöneres Kessel Festival ins Haus…ähm Wasen.