„Detroit: Become Human“ im großen Test
Nach sieben Jahren Entwicklungszeit präsentiert „Heavy Rain“-Entwickler David Cage sein neuestes Spiel – in „Detroit: Become Human“ übernehmen wir gleich von drei Figuren die Kontrolle. Spannendes Sci-Fi Kino oder tröge Zukunftsvision? Unsere Review.
Der Meister des interaktiven Films
Spieler, die seit mehreren Konsolengenerationen dabei sind, ist der Name „David Cage“ bestimmt sofort ein Begriff. Bereits auf Dreamcast wollte er mit „The Nomad Soul“ packende Geschichten erzählen, verzettelte sich aber hierbei an unausgegorenen Genre-Mischungen. Mit dem Nachfolge-Projekt „Fahrenheit“ (in Amerika „The Indigo Prophecy“) gelang ihm der internationale Durchburch. So frei an Entscheidungen war selten ein Spiel zuvor. Ein Durchschnittstyp ermordert in Trance einen unschuldigen Mann. Von da an ist er auf der Flucht. Simple Story – viel Entscheidungsfreiheit. Flüchten oder lassen wir uns verhören? Das technisch noch ausgereiftere „Heavy Rain“ überraschte Kritiker wie Spieler mit gut inszenierter Story sowie stark geschriebenen Figuren. Der Meister des interaktiven Films jagte mit uns den ominösen Origami-Killer. Während sein letztes Spiel, sowohl Star-Power mit Schauspielerin Ellen Page und Willem Dafoe aufwies, man nur als vergeigt bezeichnen kann. Fehlender roter Faden und sprödes Gameplay. Findet das langerwartete „Detroit“ wieder in die prämierte Spur?
Die Hauptprämisse von „Detroit: Become Human“ ist alleine schon hochinteressant. Was ist Menschlichkeit oder kann eine Maschine auch Emotionen empfinden also menschlich sein? Im Zentrum der Handlung stehen drei Figuren im Jahr 2038: Der Androiden-Detektive „Connor“, der bei Verbrechen von sogenannten Abweichlern ermittelt. Die Haushaltshilfe „Kara“, die bei Spielstart von einer Reperatur zurückkehrt. Sowie „Markus“ – ebenfalls für den Haushalt und Pfleger des alternden Malers Carl Manfred. Allesamt von der recht ominösen Firma „Cyperlife“ entwickelt. Episodenhaft wechseln wir zwischen den Protagonisten durch und erleben einerseits Thriller-Elemente, Familiendrama oder der Kampf um selbstbestimmte Freiheit. Bereits die ersten Minuten lassen einen in Sachen Motion-Capturing und Grafik mit großen Augen zurück. Realistische Bewegungen und die wirklich gute Regie überbieten sogar aktuelle Kinofilme – in Maßen. Obwohl zwischendurch einige Logiklücken aufklaffen – möchte Cage existenzielle Gedanken beim Spieler wecken. Was bedeutet es Mensch zu sein?
Aufstand der Controller
Das Gameplay reiht sich mühelos in die Inszenierung ein. So sammeln wir als Connor an Tatort allerlei Beweise ein, interpretieren oder stellen wie in der Batman Arkham-Reihe Konstruktionen nach. Im krassen Gegensatz zur Kara/Markus-Line – hier spielen wir einen roten Faden nach. Prächtig gelungen: Ruhige Sequenzen wechseln sich mit temporeichen Momenten ab. So verfolgen wir mit Connor einen Flüchtigen, um kurz darauf mit Markus in aller Ruhe Graffitis abzuklappern. Im Verlauf treffen wir viele Entscheidungen. Gesprächsstile und selbst Beziehungen zu anderen Figuren werden davon beeinflusst. In Gesprächen können wir zwar meist frei entscheiden aber die einsilbigen Wortfetzen sind nicht sauber gelöst. Je nach Gemütslage klingt die beschriebene „ironische“ Antwort völlig davon befreit. Besser wäre ein voller Satz gewesen. So kann es durchaus passieren, dass mittendrin ein zentraler Charakter stirbt. Doch keine Bange, im Hauptmenü habt ihr die Möglichkeit den Tod zu verhindern bzw. neu anzusetzen. Typisch für Quantic Dreams überschreitet man auch Grenzen. hier wird beispielsweise Gewalt an Kindern gezeigt, was im Vorfeld für berechtigte Kritik sorgte. Jedoch werden derartige Elemente nicht voyeuristisch ausgeschlachtet, sondern nur für die grundsätzliche Handlung verwendet. Trotz recht simpler Steuerung ist sie an vielen Momenten extrem hakelig geraten. Mit Schwingungen des rechten Sticks agiert der Spieler. Leider erkennt die Technik manchmal nicht, dass wir doch agieren wollen. Und so drehen wir wie wahnsinnig die Kamera ohne Reaktion. Im Gegensatz zum Vorgänger „Beyond“ überlässt uns Cage diesmal sichtlich mehr den Controller.
Auf der letztjährigen Gamescom durften wir schon eine Demo anspielen, die uns einfach beeindruckte. Grafisch weit oben und spielerisch die perfekte Symbiose aus Videospiel und Film. So ist zum Glück auch das Endprodukt geworden. Grafisch etwas schwächer, dennoch detailreich bei recht stabilen 30fps läuft „Detroit: Become Human“ auf der PS4 Pro. Die normale hat mit kleineren Frame-Drops und nachladenden Texturen zu kämpfen, letzteres auch auf der Pro. Jedoch erscheinen diese niemals störend, wobei Ladezeiten zum Teil etwas zu lang geraten. Zudem kann es nur für einen ansich schon großen Titel sprechen, dass für jede Figur eigens ein Komponist den Score schrieb. So bemerkten wir bei Connor wohlige Elektro-Einflüsse, während bei Kara es auch der Sound des nächsten „The Last of Us“ hätte sein können. Ordentlich über alle Maßen! Ebenso haben wir bei den hervoragend ausgewählten deutschen Synchronstimmen nichts auszusetzen. Jeder Charakter klingt realistisch und Dialoge sind selbst außerhalb der Cutscenes lippensynchron. Stichwort: Polishing.
Unser Fazit zu „Detroit: Become Human“
Der Abspann läuft und eine rund 15 stündige emotionale Achterbahn endet. Trotz dreier völlig unterschiedlich angelegter Geschichten schafft es David Cage diese am Schluss sinnvoll miteinander zu verbinden. Spannend und temporeich bleibt „Detroit“ von Anfang bis Ende, schreckt aber auch nicht davor zurück einige Schläge in die Magengrube auszuteilen. Die recht offenkundigen Logikfehler sind hinsichtlich der tadellosen Präsentation zu verschmerzen. Zumindest hoffen wir auf einen rettenden Patch zum Thema motzende Steuerung. Alles in allem überzeugt „Detroit“ als Sci-Fi Actionkino.
Detroit: Become Human (PlayStation 4)
Spielspaß - 87%
Gameplay - 74%
Grafik - 95%
Technik - 84%
85%
Empfehlung!
Must-Play! Spannend inszeniertes Sci-Fi Kino mit kleinen Macken.
Dem Autor Benny Illgner jetzt auf Twitter folgen.
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