Filmkritik zu „Der Fall Richard Jewell“ | Erstklassige Routine
„Da ist eine Bombe im Centennial Park. Ihr habt noch 30 Minuten!“ Mit dieser markanten Drohung erzählt Hollywood-Urgestein Clint Eastwood ein emotionales Drama, das sich mit Vorurteilen gegenüber einem weißen, naiven Wachmann auseinandersetzt, der im Jahre 1996 Menschenleben rettete.
Jährlicher Beitrag
Clint Eastwood ist in gewisser Hinsicht mit Woody Allen zu vergleichen. Beide haben in ihren Karrieren Meilensteine für zukünftige Filmemacher und auch Schauspieler gesetzt und arbeiten bis ins hohe Alter an neuen Stoffen. Als jährlichen Beitrag für die Lichtspielhäuser sozusagen erscheint mindestens ein Film. Wobei verständlicherweise die Qualität in gewisser Hinsicht nicht immer auf typischem Oscar-Niveau á la „American Sniper“ oder „Gran Torino“ gehalten wird. Der Thriller auf wahren Begebenheiten „15:17 to Paris“ bot zwar eine nervenaufreibende Rahmenhandlung, dennoch setzte sich Eastwood im Casting durch und holte sich die wirklichen Helden der, zum Glück, gescheiterten Zugentführung durch islamistische Terroristen vor die Linse. Erwies sich im abschließenden Werk als schwächezehrenden Fehler. Doch mit „Der Fall Richard Jewell“ kehrt Eastwood ins klassische Filmemachen zurück und präsentiert diese ebenso auf wahren Geschehnissen beruhende Drama als routinierte, wenn auch, erstklassige Fingerübung.
Richard Jewell (Paul Walter Hauser) ist ein Mann in seinen besten Jahren, der ehemalige Polizist verdingt sich als Sicherheitsmann in verschiedenen Bereichen und lebt bei seiner Mutter. Doch am 27. Juli 1996 soll sich sein Leben von Grund auf ändern. Durch Zufall findet er während eines Konzerts im Olympic Park von Atlanta eine Nagelbombe. Mit viel Glück rettet Jewell einige Personen durch schnelles Eingreifen. Nu wenige Tage gerät der gefeierte Held ins Visier des FBI. Prompt schlittert er immer mehr in einen Strudel von aggressiven Medien und Beschuldigungen – nur der kauzige Anwalt Watson Bryant (Sam Rockwell) will ihm helfen. Trotz der recht einfachen Prämisse gerät der Film nicht zum gelangweilten Justizdrama sondern Eastwood steckt zwischen tollen Dialogen aus der Feder von Billy Ray genug Anhaltspunkte den Zuschauer selbst kurzzeitig zweifeln zu lassen, ob Jewell nur schikaniert oder tatsächlich etwas damit zu haben könnte. Der Cast u.a. Jon Hamm spielt gekonnt das unsympathische miese Sackgesicht des FBI während Olivia Wilde lasziv verdorben als Dorfjournalistin der großen Story hinterher jagt. Über allen Zweifeln erhaben ist das Gespann Hauser/Rockwell – beide harmonieren derart gut, dass es großen Spaß macht als Zuschauer den Dialogen zu lauschen. Während Jewell eher simpel gestrickt ist und das von ihm bewunderte FBI eher als Freund statt Feind sieht, erkennt Bryant die Gefahr und mindert sie oftmals im Keim. Musikalisch darf Arturo Sandoval mit denkwürdigen Melodien glänzen, das Hauptthema unterstreicht die Atmosphäre des Films perfekt.
Unser Fazit zu „Der Fall Richard Jewell“
Clint Eastwood beherrscht einfach Filme, die dich mitreißen und gleichzeitig emotional packen. Teilweise sind die realen Geschehnisse kaum zu glauben und an Absurdität nicht zu überbieten, dennoch ist er ernst genug um seine Geschichte authentisch wiederzugeben. Altmodisch ohne übertriebene Mätzchen und die lange Laufzeit von über zwei Stunden kaum zu spüren.
Der Fall Richard Jewell. USA 2019. Regie: Clint Eastwood. Mit Paul Walter Hauser, Sam Rockwell, Kathy Bates. 129 Minuten. Ab 12 Jahren.
Gibt es eine Post-Credit-Szene? = Nein.
Vielen Dank an CinemaxX für die freundliche Bereitstellung des Tickets. Kinotickets für „Der Fall Richard Jewell“ gibt es hier.