Kino

Filmkritik zu „Mein Bester & Ich“

Das US-Remake von „Ziemlich beste Freunde“ hat eine bewegte Produktion – 2017 abgedreht, durch den Weinstein-Skandal ein Jahr auf Eis gelegt und schlussendlich startet er demnächst im Kino. Wäre er doch nur im Giftschrank geblieben.

Hollywood im Remake-Wahn

Mit US-Remakes ist es ja meist so eine Sache. Kommt irgendwo auf der Welt, meist in Europa, ein sehenswerter Film in die Kinos und läuft anhand der Besucherzahlen hervorragend, darf man sicher sein, dass Hollywood bereits Schauspieler für das Remake sucht. So auch geschehen bei „Ziemlich beste Freunde“ – die Tragikkömödie von 2011 rund um einen querschnittsgelähmten Unternehmer und seinem unfreiwilligen Pfleger aus ärmlichen Verhältnissen avancierte binne kürzester Zeit zum Lieblingsfilm vieler Zuschauer. Hauptdarsteller Omar Sy stieg zum derzeit gefragtesten französischen Schauspieler auf. Das Original aus Frankreich erreichte die unkonventionelle Geschichte zwischen zwei grundverschiedenen Figuren mit Herz und Humor zu erzählen. Was lag nach über 9 Millionen Besuchern alleine hierzulande näher als schnellstens an der US-Fassung zu arbeiten? Nach unzähligen Darstellerwechseln einigte man sich auf Comedian Kevin Hart und Bryan Cranston als ungleiches Paar.
Die Geschichte folgt bis auf zwei eklatante Änderungen der Vorlage. Der Ex-Knacki Dell (Kevin Hart) läuft Gefahr wieder im Kittchen zu landen, da er keinen Job findet bzw. gar nicht will. Aus Trotz wird er vom reichen Unternehmer Philipp Lacasse, der nach einem Sport-Unfall, an den Rollstuhl gefesselt ist angeheuert. Aus anfänglichem Widerwillen entwickelt sich durch Dell´s Humor eine große Freundschaft. Der Stoff bietet also ungeheures Potenzial. Aber wie es Regisseur Neil Burger (Divergent) geschafft diesen ohne Charme, Witz oder jegliches Gefühl auf die Leinwand zu bannen ist unerklärlich. Zwar kopiert Kameramann Stuart Dryburgh hier europäische Sehgewohnheiten mit Bravour, verpasst bei seinen Nahaufnahmen teilweise die markante Stille einzufangen. Kevin Hart war als Besetzung mutig, keine Frage. Jedoch spielt er in „The Upside“ nicht übertrieben, gleiches gilt für Cranston der durch reine Blickkontakte oder Gesichtsausdrücke einiges dem Zuschauer offenbart. Was aber komplett ausgelassen wurde ist der Charme. Kalt wie eine Hundeschaunze werden wichtige Sequenzen durchgehechelt. Es fällt sofort auf, dass Omar Sy (Kevin Harts Rolle im Original) durch seine Eddie Murphy-esken Momente viel Humor einbringt um den Film nicht vollends zur kollektiven Heulerei verkommen zu lassen. Die Stadt Paris wurde durch New York ausgetauscht und das vornehme Stadthaus in ein Penthouse. Leider führt diese Änderung zu wirren Logiklöchern, da Philipp in der Vorlage auch alleine seine Behausung verlassen konnte.

Fragwürdiges Drehbuch

Auch die Rolle von Nicole Kidman wirft einige Fragen auf. Sie übernimmt gleich zwei Rollen, einmal die von Philipps Vertrauensperson und Koordinatorin im Haus. Kenner wissen im Original gab es zwei Rollen dafür. Insgesamt wirkt hier vieles eingedampft und ohne wirkliche Leidenschaft. Die neuen Sequenzen, wie Dell´s verzweifelter Trip in einer Luxusdusche, sollen zwar im gleichen Guss betrachtet werden fallen jedoch durch ihren typischen US-Comedy Touch zu sehr auf. Dafür zeichnet sich wohl Co-Autor Paul Feig aus, der für solche Filme nicht der perfekte Mann ist. Die 1:1 kopierten Szenen machen hier noch den besten Job. Ärgerlich wurde es als „Mein Bester & Ich“ Figuren ganz weg ließ und die Storyline änderte. Beispielsweise fehlt auch gänzlich die Tochter von Philipp. Ebenso endet das Original mit dem ersten Treffen mit Philipp´s Brieffreundin, während im Remake das Date mitten im Film angesiedelt ist und dem Rausschmiss von Dell endet. Zumal der Schluss nicht hirnloser hätte sein können.
Das Remake macht bereits in den ersten Minuten einiges klar. Das ikonische Klavierstück von Ludovico Einaudi wurde aus unerfindlichen Gründen nicht verwendet. Obwohl es dank Remake-Rechte möglich war. Stattdessen setzt Komponist Rob Simonsen auf zwar eingängige Melodien, die jedoch nicht im Kopf bleiben. Zum Ende wird Soul-Queen Aretha Franklin muskialisch eingeflochten. Dennoch ist es schade, das der Score so austauschbar ist und nur in Ansätzen Klvierstücke zulässt. So kommt keine Atmosphäre auf.

Unser Fazit zu „Mein Bester & Ich“

Ein ziemlich bestes US-Remake wurde aus „Mein Bester und Ich“ wirklich nicht. Überraschungsarm wird die Storyline runtergerattert ohne jegliches Gefühl aufkeimen zu lassen. Der Humor ist in einzelnen Punkten mit Schmunzlern vorhanden – was ihn aber nicht vor einem Totalschaden bewahrt. Leute, die „Ziemlich beste Freunde“ mögen, werden enttäuscht und Zuschauer, die das Original nicht kennen, fragen sich weshalb das Original erfolgreich wurde. Lose-Lose-Situation.
Gibt es eine Post-Credit-Szene? = Nein.
Vielen Dank an CinemaxX für die freundliche Bereitstellung des Tickets. Kinotickets für „Mein Bester & Ich“ gibt es hier.

Benny Illgner

Nachname hielt schon Fußbälle auf. Ich bisher nur virtuell. Sitzt seit 2005 in Digitalien fest und wartet auf den Pannendienst. Steht in fester Beziehung mit Twitter und Instagram. Schreibt Gags fürs Netz und Fernsehen. Nimmt gedeckte Schecks und Pizza gerne auf Twitter unter @IamIllgner an.

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