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Marvel’s Spider-Man im großen Test

Das PlayStation-exklusive Action-Adventure „Marvel’s Spider-Man“ überzeugt in nahezu allen Belangen. Wir schwangen uns durch ein beeindruckendes New York und verraten euch, warum sich der Trip lohnt.

Lizenzspiele – immer schlecht?

Jeder Gamer weiß: Lizenzspiele haben es niemals leicht. Der Start des gleichnamigen Kinofilm oder gar der Hype um eine Figur muss natürlich ausgenutzt werden, um per Versoftung noch zusätzlich Geld in die Kasse zu spülen. Wohltuend zu sehen, dass sich die Jungs und Mädels von Insomniac Games davon entziehen und mit „Marvel’s Spider-Man“ einen komplett eigenen Weg gegangen sind. Ähnlich der „Batman Arkham“-Reihe von Rocksteady überrrascht der Titel nicht nur mit seiner ausgereiften Spielwelt sondern auch mit einer gar meisterhaft inszenierten Storyline. Man denke nur an die vorherigen Lizenzinhaber Activision, die zwar über Jahrzehnte Spiele zur freundlichen Spinne herausbrachten aber niemals den Kern der Comic-Vorlage von Stan Lee verinnerlicht haben. Laues Spielprinzip trafen auf misslungenes Gameplay mit einem großen Schuss Repetition. Diese Punkte treffen allesamt nicht auf das neueste Abenteuer zu – zum Glück!
Auch fällt es positiv auf, dass sich Insomniac nicht zum 100. Mal mit der Origins-Story von Spider-Man aufhält. Peter Parker ist mit 23 Jahren gereift und bringt sein Leben als Superheld und Wissenschaft unter einen Hut. Irgendwie. Ein regelmäßiges Zuspätkommen im Labor von Otto Oktavius ist normal, das Aushelfen bei Tante May im „F.E.A.S.T.“-Zentrum für Obdachlose ebenso. Nachdem Spider-Man den Schurken Kingpin hinter Gittern brachte, bricht eine Bande namens „Dämonen“ in New York ein. Ihr Ziel: Chaos und Zerstörung. Doch hinter all dem steckt noch eine größere Sache. Die knapp 20-25 stündige Kampagne, unterteilt in drei Akten, ist großartig inszeniert. Humorvolle Sequenzen wechseln sich mit Blockbuster-haften und emotionalen Szenen ab. Die Entwickler haben es verstanden die Essenz eines Marvel-Comics und des filmischen Reboot ins Spiel zu binden. Es machte sich also bezahlt, hier eng mit Marvel zusammen gearbeitet zu haben. Zumal neben den schön anzusehenden Zwischensequenzen auch innerhalb des Gameplay mit Gesprächen die Handlung zusätzliche Facetten verleihen.

Unglaubliche Vorzeichen

Bereits auf der kurzen Gamescom-Demo war eines glasklar – das Schwingen durch Manhattan macht verdammt nochmal großen Spaß! Getreu dem Motto: „Easy to learn – Hard to master“ ist es zwar ein leichtes stur die R2-Taste gedrückt zu halten und quasi vollautomatisiert zu sprinten und Netz zu verschießen. Wahre Könner kombinieren jedoch gezielte Sprünge mit Wandläufen, Parkourelementen und Geschwindigkeit. Es fühlt sich einfach richtig an. Damit lassen sich zudem auch kraftvolle Attacken auslösen – in Zufallskämpfen wie Drogenhandel gilt es gegen eine Überzahl von Feinden die Fäuste sprechen zu lassen. Mit nur wenigen Knöpfen ist das geistige Vorbild á la „Batman Arkham“ nicht von der Hand zu weisen. Doch statt eines ewig haltenden Blockangriffs beim dunklen Ritter gilt bei der Spinne Schnelligkeit sowie hohen Verbrauch von Gadgets. Zu Anfang noch recht simpel nur mit wenigen Netzfähigkeiten ausgestattet, wächst unser Inventar zum Ende hin mit bis zu 10 Waffen an. Von Spider-Dronen, die unentwegt Laserstrahlen verschießen oder das hilfreiche Elektronetz. Clever in jeder Hinsicht. Der Titel besitzt ein Levelsystem – höchste endet bei 50. Mit gesammelten XP nach Storyaufträgen, Nebenmissionen oder Kämpfen schalten wir nach und nach mehrere Anzüge samt neuer Anzugkraft frei. Ob als „Punk-Spidey“ mit Gitarre oder im Avengers-Dress – so muss Fan-Service sein.
Nebulös wirkt nur der Blick auf Fußgänger, wenn Spider-Man den Times Square am Boden besichtigt. Passanten größtenteils aus der Klonfabrik, aber mit verschieden farbigen Klamotten an, damit es nicht zu groß auffällt. Negativ fällt auch, dass die sonst excellente deutsche Lokalisierung nicht bis zum letzten Ruf übersetzt wurde, was unweigerlich zu einem miesen Deutsch-Englisch-Mix kommt. Leider ist die Schwarmintelligenz auch nicht gerade clever – vermöbelt die Spinne wieder ein paar Feinde rennen Passanten als Gruppe offensiv gegen Wände und bleiben hängen. Im Kampf wird dies fast nie bemerkt, aber solche Momente holen einen öfters aus der sonst tollen Immersion raus. Sonst wirkt die Spielwelt äußerst lebendig und verändert sich im weiteren Verlauf. Zwischendurch ist Zeit für allerlei Sammelaufgaben und Nebenmissionen. Insomniac hat sich wohl Open-World Spezialist Ubisoft zum Vorbild genommen. Anders ist es nicht zu erklären, dass wir erst Türme freischalten müssen um gewisse Teile der Karte aufzudecken. Klingt nervig, ist es zum Glück nicht. Der schwingende Weg zum Ziel macht in „Marvel’s Spider-Man“ einfach zu viel Spaß. Genauso verhält es sich mit 55 Rucksäcken, die jeweils ein Stück aus Peter´s Vergangenheit in sich tragen. Schade ist es, dass sich nahezu alle Zufalls-Verbrechen gleich spielen. Gegner verprügeln – fertig. Verfolgungsjagden sind ebenso wiederholend geraten. Hier patzt das Studio. Sonst gibt es Herausforderungen jeglicher Art von Tauben einfangen bis hin zu Arena-Kämpfen ist einiges vertreten. Negativ: Ein echtes Schleichsystem gibt es nicht, Spidey bewegt sich nur „leiser“ an Gegner ran. Für die Abwechslung innerhalb der Storyline spricht auch, dass wir mehrere Charaktere außer Peter Parker/Spider-Man steuern dürfen. Um nicht zu spoilern erwähnen wir nur Mary Jane Watson. Sie ist als Reporterin beim Daily Bugle unterwegs und mit ihr müssen weitesgehend Stealth-Aufträge absolviert werden. Recht unspektakulär – hier hätte man mehr rausholen können.

Abzüge in der B-Note

Technisch ist „Marvel’s Spider-Man“ relativ sauber geraten. Und doch gibt es einige unschöne Phänomene. Im Test war die Lippensynchronität in Zwischensequenzen wiederholt fehlerhaft, zwei Abstürze jeweils beim Start des Spiels und Kameraprobleme innerhalb von Kämpfen, die wir selbst nachjustieren mussten. Trotzdem ist das alles Meckern auf hohem Niveau, denn die Präsentation per se ist meisterhaft. Wir Spieler bekommen endlich, nach Jahrzehnten, ein Superhelden-Spiel, was den Namen Marvel wirklich verdient. Alleine der cineastische Score ist gekonnt auf den Punkt. Orchestrale Klänge mit Anleihen des „Avengers“-Theme unterstreichen unsere Abenteuer durch die Großstadt perfekt. Grafisch könnte man glatt meinen, dass die Entwickler alles aus der Konsole rausholen wollten. Im Test blies die PS4 Pro zwar wie verrückt – aber die tolle Weitsicht und schöne Lichteffekte machten dies wieder wett. Absolut jede Textur ist scharf und im richtigen Winkel fast schon fotorealistisch. Fast vergessen, der obligatorische Fotomodus ist wieder dabei und ein launiges Spielelement.

Unser Fazit zu „Marvel’s Spider-Man“

Endlich. Nach über 10 Jahren seit dem ebenfalls guten „Spider-Man 2“ entfesselt Insomniac einen Tornado aus Spielspaß, spannender Story und niemals stupiden Gameplay. Es ist das Superhelden-Spiel nach dem sich jeder Marvel-Fan sehnte. Herrliche Freude im Sonnenuntergang durch die Häuserschluchten von New York zu schwingen. Herausfordernd größere Gegnergruppen mit Ausweichmanövern auf´s Korn zu nehmen. Unterhaltsam eine plausible sowie gut erzählte Story serviert zu bekommen. „Marvel’s Spider-Man“ ist der finale Kaufgrund für Sony´s Konsole. Nah an der Perfektion!
Entwickler: Insomniac Games | Preis: 69,99 Euro | Für PlayStation 4 | USK: ab 12
Gibt es eine Post-Credit-Szene? = Ja.

Marvel's Spider-Man (PlayStation 4)

Spielspaß - 92%
Gameplay - 87%
Grafik - 96%
Technik - 85%

90%

Ausgezeichnet!

Insomniac überzeugt mit Story, Spielwelt und Gameplay - patzt jedoch beim ungenutzten Potenzial und technischen Mankos.

Benny Illgner

Nachname hielt schon Fußbälle auf. Ich bisher nur virtuell. Sitzt seit 2005 in Digitalien fest und wartet auf den Pannendienst. Steht in fester Beziehung mit Twitter und Instagram. Schreibt Gags fürs Netz und Fernsehen. Nimmt gedeckte Schecks und Pizza gerne auf Twitter unter @IamIllgner an.

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