Review zu „Hell is Us“ – Das gefährlichste Monster bleibt der Mensch
Düsteres Abenteuer ohne Questmarker oder Checklisten
Spiele, die uns mit voller Absicht ins rätselhafte Ungewisse stürzen, sind heutzutage selten geworden. Zu stark ist die Gewohnheit, alles mit Wegpunkten, Karten und Checklisten zu versehen. „Hell is Us“ von Studio Rogue Factor bricht mit dieser Routine und verzichtet auf fast jede Form von Hilfestellung. Wer den Controller in die Hand nimmt, muss sich auf Erinnerung, Beobachtungsgabe und manchmal auch klassische Zettel-und-Stift-Notizen verlassen – unsere Review zum deutlich anderen Action-Adventure für Konsole und PC.
Als ich auf der gamescom vor zwei Wochen traditionell Station bei Nacon machte, sollte ich überrascht werden. Nein, nicht mit neuer Peripherie wie dem Revolution X Unlimited (zu unserer Review) sondern mit einem Spiel abseits abgetretener Pfade. „Hell is Us“ wird vom französischen Publisher vertrieben und beweist, dass der sprichwörtliche Mut in der Multimilliarden-Industrie der Videospiele definitiv existent ist. Vielmehr passt dieses Spiel anhand seiner konsequenten Darstellung von Grausamkeit und Kriegsverbrechen in erschreckender Aktualität in unsere Zeit.
Der Schauplatz der Geschichte ist Hadea, ein fiktives Land, das seit Jahrhunderten von Bürgerkriegen zerrissen wird. Unsere Hauptfigur Remi, ein UN-Friedenshüter, kehrt zurück, um seine Mutter zu suchen – und stößt auf ein Reich voller Traumata. Doch es sind nicht nur die Fronten der verfeindeten Fraktionen, die das Land prägen, sondern auch Kreaturen, die von den Bewohnern „Hollow Walkers“ genannt werden. Schneeweiß, gesichtslos und unheimlich, sind sie gegen moderne Waffen immun. Nur mit einem Arsenal mittelalterlicher Klingen, Hämmern und Speeren lässt sich gegen sie bestehen. Bedauerlich ist die begrenzte Gegnerarten-Anzahl von gerade einmal vier. Die Hollow Walkers sind mehr als bloßes Feindbild: Legenden und religiöse Überlieferungen weisen auf eine Jahrhunderte währende Auseinandersetzung hin, bei der alte Krieger und Kulte eine zentrale Rolle spielten. Dies wird durch auftretende Zeitanomalien bestens dargestellt. Das Spiel verwebt diese Mythen geschickt mit aktuellen Bürgerkriegs-Situationen in verschiedenen Teilen der Welt – beide Seiten machen sich die Vergangenheit zunutze, um ihre Gegner für die aktuellen Katastrophen verantwortlich zu machen. Es zeigt wieder mal: Der Mensch ist das gefährlichste Monster auf diesem Erdball.
Spielerisch mischt „Hell is Us“ Elemente aus klassischen Survival-Horror-Titeln mit Dungeon-Designs, die phasenweise an „Zelda“ erinnern. Verschlossene Türen, labyrinthartige Anlagen und verschachtelte Rätsel prägen den gesamten Spielfluss. Nur: Wo andere Spiele mit Karten halbwegs Orientierung bieten, herrscht hier völlige Absenz. Wer nach Stunden nicht mehr weiß, welcher Schalter welchen Gang geöffnet hat, muss sich durch eigene Notizen helfen. Anspruchsvoll ja, jedoch nur für eine gewisse Zielgruppe. Infolgedessen stellten die Entwickler:innen eine kostenlose Demo in den jeweiligen Stores zur Verfügung, die wir ausdrücklich aufgrund dieser Prämisse empfehlen. Testet, ob euch dieses Storytelling zusagt.
Das von Capcoms Resident Evil inspirierte Inventar-System wirkt geradezu sperrig: Items müssen zunächst umständlich ins Loadout verschoben werden, bevor sie nutzbar sind. Die optionalen Nebenquests – „Good Deeds“ genannt – starten oft beiläufig durch Fundstücke oder Gesprächsfetzen und tauchen anschließend in Menüs ohne Kontext auf. Sprecht ihr mit Bewohner:innen von Hadea fragen sie nicht offensiv, sondern lassen ihre Wünsche nach Gegenständen nebenbei einfließen. Belohnungen in Form von Relikten oder Ausrüstung lohnen den Aufwand, doch die Präsentation ist so minimalistisch, dass man schnell die Übersicht verliert.
Ein spannendes Spielwelt-Gymmick sind die „Zeitschleifen“. Diese schimmernden Zonen zeigen vergangene Traumata Hadeas, die sich in Endlosschleife wiederholen. Um sie zu schließen, müssen bestimmte Feinde bezwungen und anschließend ein Prisma eingesetzt werden. Da es drei verschiedene Prismatypen gibt, die erst im entscheidenden Moment identifiziert werden, entsteht oftmals Frust: Wo finde ich das richtige Prisma und warum gerade jetzt?
Im Nahkampf verlangt das Spiel präzises Timing. Remis Ausdauerleiste limitiert Dauer und Häufigkeit der Attacken, kann aber im richtigen Moment wieder aufgefüllt werden. Beispielsweise durch genaues Blocken. Gegner verhalten sich aggressiv und fallen auch aus Entfernungen sofort über den Spieler her. Doch da nur wenige Gegnertypen existieren, wiederholen sich die Bewegungsmuster bald, was den Reiz der Auseinandersetzungen lähmt. Im späteren Verlauf werden die Kreaturen von drei Varianten von Haze-Knoten beschützt – diese kristallenen Kräfte schützen die Hollow Walkers. Hilfreich ist die kleine Drohne KAPI an unserer Seite, die als Ablenkung sowie Unterstützung in Gefechten dient. Der häufige Vergleich mit einem Soulslike-artigem Gameplay trifft nur bedingt zu – erstes sind Checkpoints fairer verteilt und Feinde sorgen selten mit einer Attacke für Game Over.
- EINE HOSTILE WELT Neben dem Bürgerkrieg, der das Land spaltet, wird die Region von einem rätselhaften Unheil heimgesucht, das übernatürliche Kreaturen hervorbringt, die mit keiner modernen Waffe bekämpft werden können. Ihr altertümliches Schwert und Ihre Drohne werden Ihre besten Verbündeten sein, wenn Sie sich durch das von furchterregenden Chimären bevölkerte Land schlagen und das Geheimnis ihrer Anwesenheit in der Region lüften.
- EIN EINZIGARTIGES ERKUNDUNGSSYSTEM Keine Karte, kein Kompass, keine Quest-Anzeige: Es ist Teil des Abenteuers, seinem Instinkt zu folgen. Es ist eine einzigartige Erfahrung, die Sie erwartet, die Ihnen den Schlüssel dazu gibt, Ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und nach Ihrem Gefühl zu erforschen, dank eines einzigartigen Schreibstils und Leveldesigns. Ihre Entdeckungen gehören nur Ihnen.
- KÄMPFE GEGEN UNBEKANNTE KREATUREN Schwerter, Speere und Äxte: Ein ganzes Arsenal an Waffen, die speziell für den Kampf gegen diese übernatürlichen Kreaturen geschmiedet wurden, steht Ihnen zur Verfügung. Du musst lernen, dich diesen Monstern zu stellen, und deine Drohne weise einsetzen, um lebend aus ihnen herauszukommen.
Optisch schöpft „Hell is Us“ die Möglichkeiten der Unreal Engine 5 aus: Zerstörte Stadtviertel, bombardierte Landstriche und düstere Höhlen sind detailreich gestaltet. Allerdings stören Pop-Ins und Ruckler von Zeit zu Zeit das Gesamtbild. Wir hoffen auf einen Day-One Patch am heutigen Releasetag. Die Audiokulisse überzeugt dagegen ohne Kritik: Dissonante Synthesizer, verhallte Chöre und elektronische Geräusche erschaffen eine Atmosphäre irgendwo zwischen *Silent Hill* und experimentellem Burial-Soundtrack. Auch der DualSense-Controller wird mit haptischem Feedback clever eingebunden – Regen perlt spürbar auf den Triggern was eine grandiose Immersion schafft. Die Sprachausgabe ist auf Englisch und Französisch gelungen, während die deutsche Übersetzung teils unglücklich wirkt und dadurch sogar Rätsel unnötig verkompliziert.
Unser Fazit zu „Hell is Us“:
Für die Hauptstory sollten Spieler:innen runde 18 bis 22 Stunden einplanen, mit Nebenaufgaben werden gerne über 25. Doch wer wirklich alles sehen und verstehen will, muss sich deutlich mehr Zeit nehmen und am wichtigsten – Geduld. Denn „Hell is Us“ macht weder inhaltlich oder spielerisch keine Gefangenen: Es ist kryptisch, teilweise frustrierend und endet abrupt, ohne alle Fragen zu beantworten. Dennoch bleibt ein Erlebnis, das sich wohltuend vom Gewohnten absetzt. Ein Titel, der nicht jedem gefallen wird, aber durch seine Eigenwilligkeit Respekt verdient. „Silent Hill auf dem Land“ trifft den Kern – ein Spiel, das mehr fordert als es erklärt, sich mehr traut als viele Studios davor und genau darin seinen Reiz findet.
Release: 04.09.2025 | Entwickler: Rogue Factor | Genre: Action-Adventure | Für PlayStation 5, Xbox Series S/X und PC | USK: ab 16
Hell is Us (PlayStation 5)
Spielspaß - 80%
Gameplay - 83%
Grafik - 85%
Technik - 79%
82%
Empfehlenswert!
Kryptisches Action-Adventure mit retrolastigen Vibes im teils frustierenden Gameplay - das mehr über die Meta-Ebene erzählt als in offensiver Form.
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