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Special: 32. Internationales Trickfilm-Festival Stuttgart 2025

Eine Woche voller animierter und trickreicher Kunst

Animierender Ausnahmezustand in Stuttgart! Vom 06. bis zum 11. Mai wurden sich in den Kinosälen die Augen quadratisch geglotzt und der Treffpunkt für Animation sowie Trickfilm einmal mehr bestätigt. Das 32. Internationales Trickfilm-Festival Stuttgart (ITFS) bildete die Schnittstelle zwischen (Fach-)Publikum und produzierenden Animator:innen aus 23 Ländern. Mit vielen Aktionen, Panels und einer reichhaltigen Auswahl an Kurz- und Langfilmen gelang eine sehr unterhaltsame Woche. Unser Special zum zentralen Festival.

Die schwäbische Landeshauptstadt darf sich in der ersten Maiwoche seit vielen Jahren als Schmelztiegel zwischen Animator:innen, Fachpublikum und Zuschauer:innen bezeichnen. Das Internationale Trickfilm-Festival punktete mit einem herausragenden Wettbewerb, in dem schwierige, aber ebenso lebensbejahende und hoffnungsvolle Themen ihren Platz fanden – genauso wie spannende Panel-Veranstaltungen, unter anderem mit Will Becher, einem langjährigen Animator der legendären Aardman-Studios, in denen nicht nur die tollpatschigen „Wallace & Gromit“ aus einem Haufen Knete zum Leben erweckt wurden.

In diesem sonnendurchfluteten Festival lag der Fokus diesjährig auf zwei Themen: Stop-Motion und die Schweiz. Dass die Schweiz nicht nur aus Schokolade und Käse besteht, wissen wir nicht erst seit den vergangenen Eurovision Song Contests. Nein – sie ist ein kreativer Hotspot der Trickfilm- und Animationsbranche. Neben einer hohen Produktivität ist auch der internationale Output enorm. Neben bekannten Gesichtern wie Maja Gehrig gab man auch weniger bekannten Animator:innen, die etwa ihren Abschluss an der Hochschule Luzern feierten, eine Plattform für ihre Werke.

Gerade die kurzweilige und amüsante Eröffnungszeremonie, spritzig moderiert von Jane Mumford, machte das Festival von Anfang an zu einem Publikumsmagneten. Es war einer jener Abende, die feierlich waren, aber auch Raum für ernsthafte Momente ließen. So hielt Annegret Richter, künstlerische Leiterin des ITFS, einen flammenden Appell für unsere Demokratie, der natürlich auch die allgegenwärtige Kunstfreiheit einbezog. Bereits an diesem Abend lief einer der später preisgekrönten Filme – „Butterfly“ von Florence Miailhe aus Frankreich. Mit stolzen 15 Minuten Laufzeit spannt er einen biografischen Bogen um einen schwarzen Profischwimmer, der das KZ überlebte. Der Film war bereits auf der Berlinale zu sehen.

Die Wettbewerbsfilme waren in diesem Jahr insgesamt ernsthaft gestaltet. Unter den vielen gezeigten Kurzfilmen – alle mit viel Liebe zum Detail und Leidenschaft entwickelt – blieb mir besonders „Playing God“ im Gedächtnis. Im Zentrum steht eine Knetfigur, die erst gestaltet wird, dann ein Eigenleben entwickelt und auf existenzielle Weise versucht, aus ihrem (inneren) Gefängnis auszubrechen. Die Besonderheit dieses Films liegt darin, dass neben ihr verunstaltete, missgestaltete, aber dennoch lebendige Figuren umherwanken. Ein packender, mitunter unangenehmer Kurzfilm, der durch seine Stop-Motion-Machart eine unheimliche Immersion erzeugt, indem er mit menschlicher Fleischlichkeit und einem ausgeprägten Freiheitsdrang sowie einer unglaublichen Zerbrechlichkeit spielt. Wie üblich wurden im Wettbewerb auch die Macher:innen auf die Bühne geholt, um Fragen aus dem Publikum zu beantworten und Einblicke in ihre Arbeitsweise zu geben.

Ich hatte die Gelegenheit, Regisseur Matteo Burani direkt zu befragen. Er erzählte mir, dass der Produktionsaufwand enorm war – zusammen mit seiner Animatorin arbeiteten sie quasi elf Monate lang abgeschottet im abgedunkelten Keller, um diese sehenswerte Stop-Motion-Produktion zu realisieren.

Ganz anders, aber ebenso in den Abgründen der Menschlichkeit verortet, war der ebenfalls im Hauptwettbewerb prämierte Kurzfilm „Hunting“. In der früher als „Young Animation“ bekannten Reihe – heute „Student Competition“ – lief am dritten Abend dieser Kurzfilm von Lea Favre. Darin verarbeitet die Filmemacherin eine verstörende Erfahrung mit einem älteren Mann, der sie während eines Ausflugs im Bus sexuell bedrängt. Geistesgegenwärtig nutzt sie die Gelegenheit und dokumentiert diesen Vorfall per Tonaufnahme. Im Film sind jene echten Aufnahmen zu hören – keine geskripteten Dialoge –, was dem Werk eine ungeheure Wirkung verleiht. Für mich hebt sich Favres Werk dadurch auf ein ganz besonderes Niveau. Zu Recht preisgekrönt – und am Samstagabend war der Jubel über ihren Erfolg greifbar.

Die Preisträger und Preisträgerinnen des Wettbewerbs findet ihr hier.

Festival mit stärkerem Zuspruch

Wie sehr das Festival in den letzten Jahren an Popularität gewann, zeigten auch die Besucherzahlen: Rund 30.000 Menschen kamen in die Kinos, das Festival Center, die GameZone und die Ausstellungen – und etwa 40.000 nahmen am Open Air auf dem Schlossplatz teil. Besonders die Arbeit von Annegret Richter, die als künstlerische Leiterin mit einem ausgezeichneten Gespür für Themen jenseits des Mainstreams agiert, trägt dazu bei.

So spielte die GameZone – im wahrsten Sinne – auch dieses Jahr wieder eine wichtigere Rolle und soll zukünftig weiter ausgebaut werden. In der Staatsgalerie konnten Besucher:innen interaktive Spielwelten erkunden und die fünf nominierten Titel des Wettbewerbs „Animated Games Award Germany“ testen. Die prachtvolle Säulenhalle war ein idealer Ort für studentische und junge Game-Projekte. Neben stilistisch interessanten Arbeiten – etwa einem VR-Projekt der Märzakademie oder einem Multiplayer-Spiel im Stil von Top-Down Shooter „Hotline Miami“ – gab es auch kreative Umsetzungen abseits des Bildungskontexts. Im Vergleich zum Vorjahr, als die GameZone noch in den teils stark belebten Wilhelmsbau-Passagen untergebracht war, war dies eine deutliche Verbesserung.

Ein Dilemma kennen Festivalgänger:innen nur zu gut: Man besucht einen Programmpunkt und verpasst fünf andere. Besonders lohnenswert war jedoch die Schulpräsentation „Hochschule Luzern meets Adult Swim“. Die Warner Bros.-Marke für erwachsene Animation war erneut Partner des Festivals – und der Mix aus Abschlussfilmen und dem typischen Adult-Swim-Wahnsinn funktionierte hervorragend. Auch die beliebte „Live Drawing Challenge“ lockte viele Zuschauer:innen an: Animator:innen konnten frei Hand zeichnen und Preise gewinnen.

Ein weiteres Highlight: das „Rick and Morty Preview Event“, bei dem zwei Folgen der achten Staffel gezeigt wurden – Wochen vor dem offiziellen Start auf WOW/Sky. Die am Eingang verteilten schwarzen Beutelchen für Smartphones sowie Aufnahmegeräte unterstrichen die Exklusivität der Vorführung.

Lernen mit Spielen und Medienbildung

Wer nach so viel animiertem Wahnsinn etwas Ernsthaftigkeit suchte, war beim Panel „EdutainME“ gut aufgehoben. Vier Institutionen präsentierten hier je ein Lernspiel. Besonders der SWR überzeugte mit „Nachrichtenmacher“, einem grafisch schwachen aber lerneffektiv guten Spiel, in dem man Fake News entlarven für eine Radiosendung im Jugendsender DASDING zusammenstellen muss. Per QR-Code konnte man die Spiele auch selbst im mobilen Browser ausprobieren.

Diese gesellschaftlich relevanten Themen sind es, die das ITFS auszeichnen. Medienpädagogik sollte ohnehin ein Pflichtfach in allen Schulformen sein. Durch die vormittäglichen „Tricks for Kids“-Vorführungen wurde auch den jüngsten Zuschauer:innen die Möglichkeit gegeben, Festivalluft zu schnuppern. Oscar-prämierte Filme wie „Flow“ oder „Sauvages“ von Claude Barras gegen Abend sorgten für tolle Mitmachaktionen für Kinder und Familien.

Sehr beliebt waren auch die Master Classes. Mit Festivalpass konnten Besucher:innen spannenden Vorträgen beiwohnen – etwa dem von Will Becher (Aardman Studios), der mit „Chicken Run“, „Wallace & Gromit“ oder „Shaun das Schaf“ berühmt wurde. Einer der vielen Höhepunkte seines Vortrags war die Präsentation einer echten „Wallace & Gromit“-Figur. Diese durfte zwar nicht angefasst, aber nah fotografiert werden – und Becher stand Rede und Antwort zur aufwändigen Produktionsweise.

Auch Raimund Krumme, unabhängiger Animationsfilmer und Jurymitglied, betonte die emotionale Tiefe vieler Werke: „Man merkt, wie viel Persönlichkeit in den Filmen steckt. Auch ich nehme für mich in Anspruch, immer noch auf der Suche zu sein.“

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Der Wettbewerb war geprägt von tiefgründigen, menschlichen Themen – Geschichten, die berühren, zum Nachdenken anregen, vielleicht sogar zweifeln lassen. Wer Abstand davon suchte, war in den Kinderveranstaltungen gut aufgehoben. Besonders „Tricks for Kids“, wunderbar aufgeweckt moderiert von Franzi Glaser, zeigte die Bandbreite des Festivals. Ein liebgewonnenes Ritual: das gemeinsame „Eins, zwei, drei – FILM AB!“ im Saal. Die Energie, die dabei entsteht, ist nicht nur für die Jüngsten einzigartig.

Der französisch-tschechisch-slowakische Film „Hello Summer“ von Martin Smatana beeindruckte durch einen faszinierenden Mix aus Animation und realen Objekten – etwa rosa Luftkissen als Autoreifen. In „Amen“ – einem weiteren Preisträgerfilm – übernehmen Schweine ein verlassenes Kloster. Vielschichtig, humorvoll und spannend erzählt.

Disney-Kinoerfolge wie „Vaiana 2“ sorgten erwartungsgemäß für volle Plätze, doch auch ernstere Titel wie „Chris the Swiss“ begeisterten trotz hartem Thema das Open-Air-Publikum. Glücklicherweise blieb das Wetter durchgehend trocken – perfektes Festivalwetter.

Das Internationale Trickfilm-Festival 2025 bewies einmal mehr Kontinuität und Wandlungsfähigkeit. Die Leiterinnen Annegret Richter und Heike Mozer wissen, dass ein Festival jedes Jahr einen neuen roten Faden braucht. Dieses Jahr waren es „Stop Motion“ und „die Schweiz“. Der Zuspruch von Animator:innen und Publikum wächst stetig – ein Zeichen für den lebendigen, offenen Geist des Festivals. Besonders die Möglichkeit, Filmschaffende in lockerer Atmosphäre kennenzulernen, macht den Reiz aus. Wir waren an allen fünf Festivaltagen gerne vor Ort – um die Atmosphäre zu genießen, mit Animator:innen ins Gespräch zu kommen, Filme unterschiedlichster Couleur zu sehen und diese besondere Woche in Stuttgart mit vielen unvergesslichen Momenten zu verbringen.

Das 33. Internationale Trickfilm-Festival Stuttgart findet vom 05. bis 10. Mai 2026 statt.

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Benny Illgner

Nachname hielt schon Fußbälle auf. Ich bisher nur virtuell. Sitzt seit 2005 in Digitalien fest und wartet auf den Pannendienst. Steht in fester Beziehung mit Twitter und Instagram. Schreibt Gags fürs Netz und Fernsehen. Nimmt gedeckte Schecks und Pizza gerne auf Twitter unter @IamIllgner an.

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