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Kingdom Come: Deliverance 2 im großen TEST – Königlich gut
Böhmische Dörfer ohne Zauberei oder überzeichnete Figuren
Warhorse bringt uns mit ihrer heißerwarteten Fortsetzung „Kingdom Come: Deliverance 2“ das Mittelalter zurück – rauer und realistischer denn je. Mit diesem unbarmherzigen Rollenspiel führt das tschechische Studio die Erzählung von Heinrich weiter und erweitert das authentische Böhmen um einige neue Facetten. Doch reicht das, um erneut (Videospiel)-Geschichte zu schreiben? Unsere große Review zum Rollenspiel-Epos.
Bevor wir uns mit dem Nachfolger befassen, ein kurzer Disclaimer. Seit ungefähr sechs Wochen darf ich in den neuesten Teil des Mittelalter-Action-Epos spielen, durchstreife das malerische Böhmen, lege mich verbal wie per Faust mit so manchem Adligen und Trunkenbold an, aber habe weiß Gott nicht alles in diesem Spiel erlebt. Daher sollte dieser Test als eine rein subjektive Sicht des Abenteuers verstanden sein. „Kingdom Come: Deliverance“ begann mit einem Inferno. Das Dorf Skalitz, Heimat unseres Protagonisten Heinrich, wurde von Sigismunds Truppen in Schutt und Asche gelegt. Heinrich, ein einfacher Schmiedesohn ohne große Ambitionen, wurde so in einen Konflikt hineingezogen, der seine persönlichen Verluste und die politische Lage Böhmens eng verknüpfte. Was folgte, war kein klassisches Heldenepos, sondern eine erdige Geschichte über Rache, Loyalität und Heinrichs Suche nach seinem Platz in einer durch kriegslüsternen Habgier zerrütteten Welt.
Am Ende des ersten Teils wurden einige Fragen unbeantwortet gelassen: Was wird aus Heinrichs Suche nach dem Schwert seines Vaters? Wie geht es im Bürgerkrieg zwischen König Wenzel IV. und seinem Bruder Sigismund weiter? Und vor allem: Kann Heinrich, der mittlerweile über sich hinausgewachsen ist, sein Schicksal selbst in die Hand nehmen?
Eine neue Reise für Heinrich
In „Kingdom Come: Deliverance 2“ setzt die Geschichte wenige Monate nach den Ereignissen des Vorgängers an. Heinrich ist nicht länger der unerfahrene Schmiedesohn, sondern ein etablierter Gefolgsmann des Adels. Doch die Last des Krieges, die andauernden politischen Intrigen und seine persönlichen Dämonen prägen ihn stärker denn je.
Heinrich wird diesmal von komplexeren Entscheidungen konfrontiert. Früh im Spiel muss er sich zwischen zwei rivalisierenden Herren entscheiden, deren Loyalität weitreichende Konsequenzen für das Spielgeschehen hat. Diese Entscheidungen prägen nicht nur den Verlauf der Hauptstory, sondern auch Heinrichs Beziehung zu wiederkehrenden Figuren wie seiner Jugendfreundin Theresa, die nun als resolute Witwe eine eigene Rolle im politischen Ränkespiel Böhmens spielt, oder dem zwielichtigen Hauptmann Bernard, dessen Loyalität zunehmend in Frage gestellt wird.
Böhmen – eine lebendige, aber gnadenlose Spielwelt
Wie schon der Vorgänger legt auch „Kingdom Come: Deliverance 2“ großen Wert auf historische Authentizität. Dafür wurden die Warhorse Studios hinlänglich bekannt als sie damals noch per Crowdfunding den Erstling finanzieren mussten. Dank einer loyalen Fangemeinde ist dies heute nicht mehr nötig. Böhmen wirkt erneut beeindruckend detailliert und lebendig: Dörfer und Städte wie Kuttenberg sind nicht nur größer und detaillierter als je zuvor, sondern auch organischer gestaltet. Bauern bestellen Felder, Händler streiten um Preise, und Bettler erzählen dir Geschichten, die weit mehr als bloße Kulisse sind. Burg Trosky, die wir gleich zu Beginn kennenlernen, ist ihrem Namen alle Ehre wert.
Neu ist, dass die Spielwelt dynamischer auf Heinrichs Handeln reagiert. Wenn du beispielsweise in einem Dorf einen Dieb für seine Tat bestrafst, erinnern sich die Dorfbewohner daran und behandeln dich entweder mit Respekt – oder mit Angst. Gleichzeitig hat Warhorse Studios das Moralsystem subtiler gestaltet: Entscheidungen haben oft keine klare „gute“ oder „böse“ Seite, sondern führen zu unvorhersehbaren Konsequenzen. Kurz- und mittelfristig. Solltet ihr also in Häuser einbrechen und Objekte stehlen, finden es die Bewohner:innen bei Betreten heraus, sprechen euch daraufhin an und melden es den Wachleuten. Sogar über dutzenden Spielstunden erinnern sich die Beteiligten an Heinrich und bleiben misstrauisch.
Ein weiteres Highlight ist die Atmosphäre. Im Sommer siehst du blühende Felder und summende Bienen, während der Winter schneebedeckte Landschaften und karge Märkte mit sich bringen werden, wenngleich auch erst im kommenden DLC. Diese Veränderung ist nicht nur visuell beeindruckend, sondern beeinflusst auch direkt das Gameplay: Lebensmittel verderben bei kühleren Temperaturen langsamer – dafür sind Vorräte wie Zutaten für Tränke (Löwenzahn, Salbei oder Wein) teurer. Esst ihr wiederum Verdorbenes braucht ihr Medizin um Euch von gesundheitlichen Problemen wieder zu entledigen. Womit wir zum Gameplay kommen. Einerseits verbesserte Warhorse das Lagermanagement in eurem Inventar, dennoch ist es für meinen Geschmack noch immer zu kompliziert um blind Objekte auswählen oder im späteren Verlauf mehrere Waffen in Taschen zu stecken. Zumal das Spiel extrem wenig erklärt – da wird der Anfang recht steinig. (Wir berichteten…)
Zwischen Realismus und Komfort
Die Kernmechaniken aus dem ersten Teil wurden beibehalten, aber sinnvoll erweitert. Der Fokus auf realistischen Nahkampf ist weiterhin ein Herzstück des Spiels. Das Kampfsystem bleibt technisch anspruchsvoll, wurde aber deutlich verfeinert. Die Positionierung und das Timing von Angriffen spielen nach wie vor eine zentrale Rolle, doch neue Bewegungen wie Finisher, Konter und die Möglichkeit, Gegner gezielt aus dem Gleichgewicht zu bringen, sorgen für mehr Tiefe. Besonders das Kämpfen zu Pferd wurde überarbeitet: Das Reiten fühlt sich flüssiger an, Kämpfe im Galopp, bei denen man Feinde mit der Lanze angreift oder mit Pfeil und Bogen attackiert, sind nun ein echtes Highlight. Doch Vorsicht: Kriegt euer Gaul Angst wirft er euch runter und läuft davon. Besonders ärgerlich wird dies natürlich in Konfrontationen.
Doch nicht nur die Kämpfe wurden verbessert. Schleichen und diplomatische Lösungen wurden in „Kingdom Come: Deliverance 2“ stärker ausgebaut. Es gibt nun mehr Möglichkeiten, Konflikten komplett aus dem Weg zu gehen, etwa indem Heinrich durch Bestechung oder geschicktes Verhandeln Probleme löst. Konversation quasi Auseinsetzung. Auch die Fertigkeitsbäume wurden überarbeitet: Jede Entscheidung beim Leveln von Fähigkeiten wirkt sich klarer auf Heinrichs Spielstil aus. Du möchtest ein Meisterdieb werden? Dann investiere in geschicktem Umgang per Dietrich beim Schlösserknacken und Schleichen, aber bedenke: Eine solche Spezialisierung lässt dich in direkten Konfrontationen schwächer dastehen. Durch die ohnehin lange Kampagne von rund 60-80 Stunden erhaltet ihr ausreichend Zeit euren Spielstil zu verfeinern oder gar zu wechseln.
Besonders interessant sind die neuen „Lebensweisen“-Perks, die Heinrichs Persönlichkeit stärker an deine Spielweise anpassen. Verbringst du viel Zeit im Kloster und verzichtest auf Alkohol, wird Heinrich ruhiger und besonnener, was ihm Vorteile bei Verhandlungen verschafft. Entscheidest du dich hingegen für ein raues Haudegenleben, wirst du im Kampf effektiver, aber weniger beliebt bei der friedfertigen Bevölkerung. Zumal ihr UNBEDINGT auf Aussehen achten müsst. Ein dreckiger, blutverschmierter Heinrich wird von vornherein argwöhnisch beäugt, gemieden oder von Schrankwirten bzw. Händlern erst gar nicht bedient.
Alte Bekannte und neue Rivalen
„Kingdom Come: Deliverance 2“ bleibt Heinrichs Geschichte treu, erweitert die Figurenpalette jedoch um spannende Neuzugänge. Theresa spielt eine größere Rolle, und ihre Beziehung zu Heinrich wird deutlich vielschichtiger. Ihre Stärke und ihre pragmatische Art stehen oft im Kontrast zu Heinrichs inneren Konflikten. Ob sich die beiden näherkommen oder weiter voneinander entfernen, hängt maßgeblich von deinen Entscheidungen ab. Ein neuer Gegenspieler ist Lord Zikmund von Rozmberk, ein verschlagener Adliger mit eigenen Ambitionen. Anders als die brutalen Söldner im ersten Teil setzt er auf politische Intrigen und manipuliert Heinrich geschickt, sodass du oft nicht weißt, wem du trauen kannst.
Die Hauptmissionen des Spiels greifen erneut den bodenständigen Ton des Vorgängers auf. Statt übernatürlicher Elemente gibt es historische Ereignisse, die durch Heinrichs Handeln beeinflusst werden können. Eine der ersten großen Missionen führt dich in das belagerte Kuttenberg, wo du als Bote zwischen verfeindeten Fraktionen agierst, während die Stadt von Hungersnot und Intrigen zerrissen wird.
Auch die Nebenquests sind ein Highlight. Um euch HIER einen kleinen Einblick zu geben: In einer Quest wirst du von einem reichen Händler beauftragt, eine entlaufene Magd zurückzubringen. Doch schon bald findest du heraus, dass ihre Flucht nicht so simpel ist, wie es scheint – sie versteckt sich nämlich aus gutem Grund. Du kannst sie an ihren Herrn ausliefern, ihr bei der Flucht helfen oder eine andere kreative Lösung finden.
Ein anderes Beispiel zeigt den neuen Fokus auf politische Konflikte: Du wirst als Vermittler zwischen einem Dorf und einem örtlichen Kloster eingeschaltet, weil es Streit um den Besitz eines Weidegrunds gibt. Hier zählt nicht nur dein Verhandlungsgeschick, sondern auch deine Fähigkeit, Beweise zu sammeln und die Wahrheit ans Licht zu bringen – oder einfach diejenige Seite zu unterstützen, die dir am meisten bietet.
Galopp zur Technik!
Grafisch ist „Kingdom Come: Deliverance 2“ ein beeindruckender Schritt nach vorne. Die Landschaften sind atemberaubend, und besonders die Beleuchtung lässt die mittelalterliche Welt zum Leben erwachen. Die Details in den Städten und Dörfern sind beeindruckend: Handwerker arbeiten an ihren Waren, Kinder spielen auf den Straßen, und selbst einfache Bauern haben realistische Tagesabläufe. Die Performance durch die potente Cryengine ist solide, auch wenn es bei hektischen Szenen ab und an zu Rucklern kommen kann – vor allem in den größeren Städten. Warhorse Studios versprach jedoch, weitere Optimierungen per Patch nachzuliefern.
- Erlebe die Ereignisse mit den Augen Heinrichs, eines jungen Mannes, der loszieht, um den Mord an seinen Eltern zu rächen
- Die authentische Wiedergabe des Böhmens des 15. Jahrhunderts gibt dir die Möglichkeit, diese faszinierende Umgebung wie nie zuvor zu erleben
- Passe Heinrichs Aussehen, seine Fähigkeiten und seine Ausrüstung nach Belieben an
Die Musik untermalt das Geschehen perfekt. Ob ruhige Geigenklänge während einer Reise durch den Wald oder bedrohliches Trommeln im Kampf – der wunderbare orechestrale Soundtrack schafft es, einen immer in die passende Stimmung zu versetzen. Auch die Deutsche Sprachausgabe ist nah an der Perfektion – die Sprecher:innen geben sich wirklich verdammt viel Mühe. So leiht Leonhard Mahlich „Heinrich“ seine Stimme, sie dürfte euch von Chris Pratt aus den „Guardians of the Galaxy“-Filmen bekannt vorkommen. Überhaupt lohnt es sich KCDII in lokalisierter Fassung zu spielen, da Ausdrücke wie „Hurensohn“ oder „Verdammte Arschgeige“ um einiges authentischer rüberkommen.
Unser Fazit zu „Kingdom Come: Deliverance II“
„Kingdom Come: Deliverance 2“ knüpft konsequent an die Stärken seines Vorgängers an und erweitert diese sinnvoll, ohne den Kern der Erfahrung aus den Augen zu verlieren. Die Spielwelt Böhmen ist lebendiger und dynamischer denn je, voller historischer Details und glaubwürdiger Figuren, die den Spieler in eine authentische, aber oft gnadenlose Mittelalter-Atmosphäre eintauchen lassen. Heinrichs Geschichte wird nuancierter erzählt, und die Entscheidungen, die der Spieler trifft, haben spürbare Konsequenzen, die weit über einfache Moralsysteme hinausgehen.
Gleichzeitig bleibt das Spiel in puncto Gameplay bodenständig, ohne auf moderne Komfortfunktionen zu verzichten – von der verbesserten Kampfmechanik bis hin zur Dynamik von Jahreszeiten und Ressourcenmanagement. Dennoch bleibt das Tempo gemächlich, und wer sich nicht auf die historische Akkuratesse und die alltäglichen Details der Spielwelt einlassen kann, wird womöglich schnell frustriert. Für alle anderen ist „Kingdom Come: Deliverance 2“ jedoch ein mitreißendes, forderndes und gleichzeitig belohnendes Abenteuer, das die mittelalterliche Spielwelt wie kaum ein anderes Werk greifbar macht. Ein würdiger Nachfolger, der viel Geduld und einiges mehr an Hingabe verlangt – aber reich belohnt.
Release: 04.02.2025 | Entwickler: Warhorse | Genre: Rollenspiel | Für PlayStation 5, Xbox Series S/X und PC | USK: ab 16
Kingdom Come: Deliverance 2 (PlayStation 5)
Spielspaß - 94%
Gameplay - 92%
Grafik - 91%
Technik - 93%
93%
Ausgezeichnet!
Opulenter Ausflug ins feudaler Mittelalter mit hoher spielerischer Authentizität dessen Gameplay extrem fordernd ist aber dadurch eine besondere Immersion schafft.
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