The Evil Within 2 im großen Test
The Evil Within 2 präsentiert sich als überaus gelungene Fortsetzung und serviert dem Spieler ein zutiefst menschliches sowie emotionales Actiondrama mit gekonnt dosiertem Survival-Horror. Hat Studio Tango hier ein Meisterwerk abgeliefert? Unser Test verrät es euch.
Beschwerlicher Anfang
Emotionen machen uns menschlich. Negative wie positive Ereignisse hinterlassen Spuren in unserer Vergangenheit. Sie prägt uns. Verlust und Trauer gehören hier zu den schlimmsten, lassen uns zweifeln oder misstrauisch werden. Ein Mann rennt panisch auf ein brennendes Haus zu. Lodernd zügeln die Flammen bedrohlich an Fassade und drohen alles zu vernichten. Nur mit Glück kommt er ins Innere des Gebäudes und sprintet nach oben. Die bunt geklebte Tür reißt er auf. Ehe er das Mädchen retten kann, verbrennt er augenblicklich. Sebastian Castellanos erwacht schweißgebadet in einem typischen Diner auf. „The Evil Within 2“ macht gleich zu Beginn viel mehr richtig als sein direkter Vorgänger. Während wir in Teil 1 mit blassen Figuren mitten ins Gruselkabinett liefen, fängt die Fortsetzung glaubwürdiger an. Entwickler-Legende Shinji Mikami sagte sich 2010 von Capcom los und produzierte mit selbst errichtetem Studio (Tango Gameworks) eigene Titel unter Bethesda Flagge. 2013 war es mit „The Evil Within“ soweit, es sollte die geistige Nachfolge vom Genre-Meilenstein „Resident Evil 4“ werden und kam trotz einiger Probleme bei Spielern gut an. Ich persönlich war kein großer Fan davon. Mit „Over-the-Top“-Gore und blassen Figuren wollte es bei mir nicht zünden. Dennoch waren wir wenig angetan als Bethesda eine Fortsetzung in Auftrag gab. Ich sollte mich irren.
Die Handlung von „The Evil Within 2“ spielt drei Jahre nach den Ereignissen in der Beacon-Nervenklinik aus Teil 1. Detective Sebastian Castellanos hat die Geschehnisse und Auswirkungen nicht verkraftet. Seine Frau verließ ihn und Tochter Lily ist bei einem Brand ums Leben gekommen. Er verlor seinen Job bei der Polizei und den Willen in der Flasche. Nach wie vor glaubt Sebastian nicht, dass seine Tochter gestorben ist. Bei Recherchen findet Hinweise auf die Geheimorganisation „Mobius“ und STEM. Ex-Kollegin Kidman, die wiederum für „Mobius“ arbeitet, „überredet“ ihn zu einem zweiten Gang in eine neu entwickelte STEM-Apparatur. Mit dem Argument, dass er damit seine Tochter aus der Geisteswelt rettet, lässt er sich drauf ein. Ab jetzt führt ein Weg in die Hölle – Rein. Zu allererst muss man Writer Trent Haaga ein starkes Lob aussprechen. Er schaffte es Hauptfigur Sebastian in den ersten 15 Minuten menschlicher wirken zu lassen, als es im Erstling je der Fall war. Wurden wir in Teil 1 fast kommentarlos in eine heftige Schlachtplatte rein geworfen, ist dies hier anders. Sebastian wird als zynischer aber gebrochener Mensch vorgestellt, der jedes Mittel in Kauf nimmt sein Kind zu retten. Es fühlt gar so an, als ob man vor drei Jahren ausschließlich eine halbfertige Version gespielt hatte. Kidman glänzt durchweg mit ihrer undurchsichtigen Rolle und steht uns im Spielverlauf mit Rat und Tat zur Seite. Das ist auch bitter nötig. Die Welt von „The Evil Within 2“ strotzt nur so vor Gefahren. Neben normalen Gegnern finden sich regelmäßige Bosskämpfe. Diese sind kreativ gestaltet und erfordern eine jeweils neue Strategie. Besonders die letzten 20 Minuten erinnern mit ihrem Bombast an alte Resi-Teile.
Von offenen Leveln und sicheren Räumen
Shinji Mikami wollte im zweiten Teil Open World-Elemente mit linearer Erzählung verbinden. Das gelingt in Maßen. Ich störe mich doch sehr am PR-Sprech einer „offenen Welt“. Klar, die Spielwelt ist weitaus größer gestaltet, aber bei genauerem Hinsehen eben nur ein großes Level. Natürlich gibt es auch diese kleinen verschrobenen gar fluchtartigen Areale, wird jedoch dadurch aufgelockert. Wir können nur sagen – Zum Glück! – wurde das Gameplay aufgebohrt. Dieses ist nun nicht mehr störanfällig und orientiert sich klar an „Last of Us“. Rennen, schleichen, Aktionen gehen nach rund 30 Minuten geschmeidig vom Controller. Mit jeweils frei belegbaren Richtungstasten sortieren Waffen sowie Heilgegenstände. Das Zielen funktioniert auch deutlich flotter. Begegnungen mit Feinden müssen nicht zwangsläufig offensiv beendet werden. Mit Schleichangriffen sind wir deutlich bedachter unterwegs und teils nicht zu entdecken. Stichwort: Büsche. Die Besessenen (keine Zombies!) folgen Geräuschen sowie unvorsichtige Bewegungen. Zur Not finden wir uns eben im Nahkampf wieder. Einer ist kein Problem, mehrere dagegen schon. Dieses Muster wird besonders im ersten Drittel verlangt, bis sich Sebastian im späteren Verlauf ohne Mühe mit Gebrüll und Schrotgewehr angreift. Neu hinzukommend sind die „Safe Houses“. Alle 30-45 Minuten finden wir einen Raum, in dem wir sicher sind. Meist mit anderen NPC´s warten dort frische Munition, Kaffee und Portale zu „Sebastians Zimmer“. Denn anders als Teil 1, weiß die Hauptfigur, dass sie sich im STEM befindet. Dieses ist dem früheren Büro nachempfunden. Hier verbessern wir an Werkbänken unsere Waffen auf und statten Krankenschwester Tatiana einen Besuch ab. Bei ihr wandeln wir, von erledigten Gegner absorbiertes, grünes Gel in Upgrades für Sebastian um. Von mehr „Sprintpower“ bis zu neuen Nahkampf-Moves können wir uns austoben. Zudem finden wir ab und an auf unserer Reise Dia´s die wir uns ansehen können. Bei leichtem bis mittlerem Schwierigkeitsgrad finden wir immer ausreichend Munition, so dass wir nur selten Angst haben müssen, ohne Kugeln dazustehen. Auch ist es möglich unterwegs Medi-Kits und Munition zu craften.
„The Evil Within 2“ wirkt deutlich ausgereifter als Teil 1. Verstand man hier nur mithilfe des Internets wirklich jeden angerissenen Storyfaden, darf man sich bei der Fortsetzung auf Hollywood-reife Spannungsbögen freuen. Aus einem Guss sozusagen. Ziel ist es Sebastian´s Tochter Lily zu retten. Vorbei die Zeiten als uns übermäßig viele Grafikeffekte vorgesetzt wurden, um gewisse Unruhe beim Spieler zu erzeugen. Gerade in ruhigen gar düsteren Gebieten ist Spannung mit am stärksten. Schreie verhallen. Blutlachen an der Wand. Sebastian tiefes Atmen – Großartig! Auch begegnen wir mehr als einem Widersacher. Deutlich interessanter geschrieben ist „Stefano Valentini“. Ein Künstler, der mit seinen Fotografien Menschen in zeitliche Dauerschleife stecken kann. „Krankes Arschloch“ wie Sebastian es treffend bezeichnet, wenn wir zu Beginn an eben diesen „Kunstwerken“ vorbeilaufen. Das Missionsdesign ist angenehm abwechslungsreich und lässt uns nach größeren Kämpfen, Zeit zum durchatmen. Im Großen und Ganzen bedient sich das Spiel einer Art Schnitzeljagd, die jedoch so atmosphärisch und charmant erzählt wird, dass man im Grunde nicht merkt. Mit teils in Spielgrafik und teils Render-Sequenzen wird uns die Storyline näher gebracht. Hingegen hat das Spiel keine Angst davor uns in völlig neue Gebiete mit frischen Gesichtern zu werfen. Von albtraumhaften Höllen-Levels eines DOOM in saftige ergrünte Wälder á la „The Last of Us“.
Technisch ist „The Evil Within 2“ mit wenig Makeln. Trotz PS4 Pro und recht stabiler Präsentation ist während unseres Test der Titel abgestürzt. Dank fairer verteilten Checkpoints war diese Angelegenheit verschmerzbar aber nervig. Nur wirklich hektischen Situation entstehen Framedrops, die freilich unauffällig bleiben. Sonst ist das Horrorspiel befreit von Kantenflimmern etc. Ladezeiten halten sich mit rund 10 Sekunden nach einem Tod im Rahmen, auch wenn ihr nicht häufig sterben werdet. „Ordinary World“ von Duran Duran als Cover-Version von „TheHitHouse“ ist mitunter wichtigster Bestandteil des Score. Einzelne Klaviernoten stimmen Parallelen ein und passt wunderbar zur Grundstimmung des Spiels. Sonst untermalt dieser Kämpfe nicht nervend. Sounddesign ist überaus gut gelungen. Schrotflinten hören sich brechend an und Feinde stoßen widerwärtige Geräusche in glasklarer Qualität ab.
Unser Fazit zu „The Evil Within 2“
Ich bin ehrlich, wenn ich sage, dass „The Evil Within 2“ das emotionalste Horrorspiel der letzten Jahre ist. Schuld, Trauer und Verzweiflung sind klare Motivatoren für einzelne Handlungen der Figuren im Spiel. Writer Trent Haaga beweist mit meisterhaftem Spürsinn welches Verhalten in der Spielwelt welche Gegenreaktion auslöst. NPC´s sind keine reine Randfiguren mehr sondern besitzen eigene ausgefeilte Persönlichkeiten. Während kam mit oft der Gedanke, dass Teil 1 nur das Grundkonzept war, dass mit der Fortsetzung in insgesamt allen Punkten perfektioniert wurde. Nehmt euch rund 10 Stunden Zeit und reist mit Sebastian in seine persönliche Hölle. Dieses Spiel ist es wert!
Entwickler: Tango Gameworks – Preis: 69,99 Euro – Für PlayStation 4, Xbox One und PC – USK: ab 18
The Evil Within 2 (PlayStation 4)
Spielspaß - 95%
Gameplay - 90%
Grafik - 82%
Technik - 85%
88%
Ausgezeichnet!
Brutal gute Fortsetzung, die mit ausgefeilter Story, interessanten Charakteren und viel Gefühl aufwartet. Klares Must-Play!