Control im großen Test – Chaos im Büro
Die „Alan Wake“-Macher Remedy betreten einmal mehr übersinnliche Pfade – in „Control“ erkunden wir eine geheimnisvolle Behörde im Metroidvania-Stil. Ob die eigentlich starken Shooter-Elemente wieder überzeugen, verrät unsere Review.
Remedy im Wandel der Zeit
Remedy war Anfang der 2000er für eine Sache hinlänglich bekannt – cineastische Shoot-Outs mit vielen Zeitlupen. Ich selbst konnte mich trotz meines viel zu jungen Alters nicht vom allerersten und damals sogar indizierten „Max Payne“ nicht entziehen. Viel zu großartig war das Gefühl durch das winterliche New York zu stapfen und die Neo Noir-Atmosphäre einer bitteren Gangster-Ballade nachzufühlen. Zumal das Gameplay inklusive Ragdoll-Physik hier den gewissen Reiz versprühte. Nachdem Teil 3 der Reihe alleine von Rockstar Games entwickelt wurde, ging es in „Alan Wake“ deutlich ruhiger zu, das wie eine Geschichte von Altmeister Stephen King anmutete. Gleich eine komplette TV-Serie erhielt das Nachfolge-Projekt „Quantum Break“ – ebenfalls exklusiv für Microsofts Xbox – mit dem Mix aus Zeitreisen und Shooter bekamen die Finnen Lob von Spielern und Fachpresse. Ein Multiplattform-Titel sollte danach folgen – das aktuelle Spiel „Control“ wirkt wie ein inoffizielles „Quantum Break 1.5“. Plus einer mysteriös gehaltenen Storyline á la „Alan Wake“.
Mysterythriller-Plot
Kommen wir zur Handlung, die keinesfalls vor falschen Fährten zurückschreckt. Im Mittelpunkt steht die junge Frau Jesse Faden. Sie sucht in einem, von außen, recht unscheinbaren Gebäude nach Antworten auf ihre Fragen. Welche das genau sind bleiben anfangs verborgen. Die menschenleeren Gängen verheißen außerdem nichts Gutes. Nachdem sie die Leiche eines älteren Mannes fand wird sie durch die Aufnahme der daneben liegenden Pistole zur neuen Direktorin. Ausgestattet mit verschiedenen telekinetischen Kräften findet sie danach heraus, dass eine außerirdische Lebensform „Das Zischen“ genannt, die Behörde unterwanderte. Nun liegt es an Jesse das Zischen zu eliminieren und Antworten auf ihre Fragen zu bekommen. Autor Sam Lake versteht es gute Mysterythriller-Plots zu schreiben, in „Control“ muss man sich aber auf viel Vorlauf gefasst machen. Noch gar nicht erwähnt: Protagonistin Jesse redet oftmals mit sich selbst, erläutert Ängste, Sorgen oder gibt Tipps. Zwar zieht das Tempo des Spiels ab Mitte spürbar an, bis dahin verlässt man sich zu sehr auf sein Setting. Größtenteils laufen wir durch die monumentalen Betonbauten des Ältesten Haus, die sich mit paranormalen Ereignissen auseinandersetzt. Jesse durchsucht meist Schreibtische und öffnet Kisten. Zeitweise treffen wir sogar auf Gegner. Besonderheit bei „Control“ – wir besitzen nur eine Schusswaffe. Im Verlauf findet Jesse bestimmte Upgrades mit der unsere einfache Pistole zum „Schmetterer“ eine Art Schrotgewehr wandelbar ist. Natürlich lassen sich durch verdiente XP auch neue Fähigkeiten etwa mehr Gesundheit oder Konzentration freischalten.
Freie Erkundung mit Hindernissen
Das Spielkonzept könnte vielleicht abschrecken, denn „Control“ bedient sich des „Metroidvania“-Schemas. Heißt: Das komplette Federal Bureau of Control steht ab Beginn für Erkundungen frei, nur bestimmte Gängen lassen sich erst später durchlaufen. Ganz amüsant ist, dass die Wege zwar mit Schildern ausgeschrieben sind, aber dies manche verirrten Touren unsererseits nicht verhinderte. Das Gameplay setzt überraschend weniger auf Shooter-Elemente sondern auch abseits der Wege mal vorbeizuschauen. Von XP-vollen Kisten bis hin zu optionalen aber herrlich designten Bossgegnern ist hier alles vorhanden. Leider fühlen sich generell Waffen nicht so brachial wie erwünscht an. Zumal es, untypisch für Remedy, keinerlei Zeitlupen gibt. Technisch setzt man nach „Quantum Break“ einmal mehr auf die Northlight-Engine. Hier liegen die Stärken auf tolle Zerstörungseffekte sowie psychedelische Sequenzen, beispielsweise wenn Jesse einen unwirklich orange erleuchtenden Raum betritt. Insgesamt vermisst man nur die Detailverliebtheit anderer Titel. Hier wirken Texturen einfach nur flach. Dennoch sieht man sich kaum satt an der tollen Levelarchitektur. Die Framerate kommt in hektischen Situationen etwas unter die Räder. Was aber im Jahr 2019 wirklich eine absichtliche Frechheit darstellt – die deutsche Synchronisation. Nach ungefähr 10 Minuten haben wir auf die englische Tonspur gewechselt. Man hat es wirklich geschafft nahezu alle Sprecher der legendär schlimmen „Metal Gear Solid 1“-Lokalisierung zu versammeln. Völlig deplatzierte Tonlagen, unpassende Stimmen und nervige Aussprachen versauen jedes aufkeimende Gefühl von Spielspaß. Englische Synchro ist hingegen annehmbar.
Unser Fazit zu „Control“
Remedy ist weiterhin auf übersinnlichen Pfaden unterwegs – für Spieler ein Segen, denn damit bekommen sie recht untypische Titel serviert. „Control“ nimmt sich in seiner 18 stündigen Kampagne Zeit Interesse beim Spieler für seine Geschichte zu wecken. Nach und Nach sehen wir allerdings vieles klarer. Nur das recht langatmige Gameplay bzw. mit wenigen Höhepunkten versehene Konzept ist hier neben der wirklich desaströsen Synchro ein Ärgernis. Alles in allem aber ein erfrischend anderes Spiel.
Entwickler: Remedy | Preis: 69,99 Euro | Für PlayStation 4, Xbox One und PC | USK: ab 16
Control (PlayStation 4)
Spielspaß - 77%
Gameplay - 71%
Grafik - 82%
Technik - 81%
78%
Empfehlung!
Gewitzter Mysteryshooter, der sich durch seinen komplexen Plot von der Masse abhebt. Leider mit Einbußen im Gameplay.