Filmkritik zu „Das geheime Leben der Bäume“ & Interview mit Peter Wohlleben
Peter Wohlleben rüttelt mit seiner persönlichen Naturdoku auf – lasst die Natur endlich wieder durchatmen und den Urwald zurückkehren. Als er Station während der Kinotour in Stuttgart machte, trafen wir ihn zum überaus lehrreichen Interview über Pflanzenelefanten, abenteuerliche Reisen und neue Blickwinkel.
Natur im Wandel
Der Förster, dem die Bäume vertrauen – so kann man Peter Wohlleben beschreiben. Mit seinem 17. Sachbuch „Das geheime Leben der Bäume“ gelang dem 56 jährigen Naturschützer ein weltweiter Bestseller. Wobei die Verfilmung vielleicht eines der untypischsten Projekte der letzten Jahre ist – Constantin Film entwickelte mit Wohlleben wunderbar den Spagat zwischen Biopic und ruhigem Naturfilm, der durch emotionale Momente ganz ohne jedweden Kitsch allen Zuschauern quasi die teils bittere Wahrheit ins Gesicht pfeffert: Die aktuelle Forstwirtschaft tut unseren Wäldern nicht gut. Der eigentlich wertvolle Urwald wird nach und nach geopfert, um Acker für Korn zu schaffen. Bäume wachsen nicht mehr mit System sondern werden hübsch nebeneinander gestellt. Die herrlich im Kino anzusehenden Zeitrafferaufnahmen vom vielfach preisgekrönten Naturfilmer Jan Haft vervollständigen das Ergebnis.
RobVegas.de: Haben Sie durch die langwierige Drehzeit von rund eineinhalb Jahren einen anderen Blick auf ihre Arbeit und die Welt erhalten?
Peter Wohlleben: „Ja, definitiv. Auf meinen Reisen traf ich auf viele Naturschützer – z.B. in Schweden begleitete uns zum ältesten Baum der Welt ein Guide, wie sich später als der aktivste Umwelt- und Waldschützer in Schweden herausstellte. Auch sehr alleine dort. Da wurde mir klar, wir müssen uns besser vernetzen, nicht im Sinne von Aktivismus sondern, dass man sich einfach mal auf ein Bier trifft. Wir haben aktuell in deutschen Wäldern – den größten Harvester (Holzvollernter) normalerweise wiegen die rund 20 Tonnen, der wiegt aber 70 Tonnen mit dem wunderschönen Namen „Raptor“, also wie dieser Raubsaurier. (lacht) Der sägt jetzt gerade große Buchen ab, wobei das ja die Bäume sind, die dem Klimawandel aktuell widerstehen. Vorausgesetzt man lässt dieses Waldgefüge in Ruhe.“
Im Film selbst gibt es neben wunderschön anzusehenden Naturszenen wie etwa nach Eichen suchende Wildschweine oder bemerkenswerte Überflüge der heimischen Wälder auch teils persönliche Einblicke in das Leben von Wohlleben. Mal streift er einsam durch wildgewachsene Pfade im Wald, dann gibt er euphorischen Lesern auf Buchmessen begeistert Autogramme. Niemals hält der Finger hoch, mahnt die gesamte Menschheit ab oder wirkt desillusioniert. Neben verschiedenen Schulungen oder auch zahlreich besuchten Waldführungen, findet er dennoch seine größte Ruhe in der Badewanne. Es gibt eine Sequenz, in der die Kamera höchst effektiv genau diese nachdenkliche Stimmung einfängt. Über 20 Jahre arbeitete Wohlleben als verbeamteter Förster in der Gemeinde Hümmel in Rheinland-Pfalz. In einigen Szenen gut zu erleben, dass die Deutsche Forstverwaltung wohl in vielen Dingen, die Naturschützer richtig finden uneins ist.
RobVegas.de: „Was mich überraschte, vor Ihrem Bestseller-Erfolg „Das geheime Leben der Bäume“ schrieben Sie ganze 16 Bücher. Welche Motivation steckte dahinter?“
Peter Wohlleben: „Ich bin keiner, der unbedingt schreiben muss. Das erste Buch wollte ich erst gar nicht schreiben, meine Frau motivierte mich aber dazu. Menschen kann man dadurch anders erreichen. Gerade bei Sachbüchern muss man irre viel recherchieren – aber beim Schreiben lerne ich wahnsinnig viel dazu. Ich treffe interessante Leute, quäle mich auch durch staubtrockene Studien und fasse es zusammen, dass man es Ende vernünftig lesen kann.“
Erstaunliche Ereignisse im Wald
Wie verbohrt die Menschen sind, zeigt eine besondere Sequenz. Bäume im Wald vernetzen sich durch ihre Wurzeln. Wird beispielsweise ein Baum von Schädlingen angenagt, warnt es per Pheromone seine Artgenossen und gibt einen speziellen Stoff frei, der den Angreifern nicht schmeckt. Steckt man aber meist kleine Bäume aus ihrem Ökosystem und platziert sie als Straßenbäume sind ihre Überlebenschance höchst gering. Was uns der überaus sehenswerte Film von Peter Wohlleben zeigt: Im Wald geschehen die erstaunlichsten Dinge. Vielmehr wird uns die Natur, egal wie verschwenderisch wir mit ihr umgehen am Schluss wieder erstrahlen. Ein gutes Gefühl.
RobVegas.de: „Auf Umweltprobleme aufmerksam machen und zu Demos (im Film Hambacher Forst) aktiv hingehen – schimmert da ein Stückweit der gegenwärtige „Greta-Aktionismus“ hindurch?“
Peter Wohlleben: „Dafür sind meine Haare zu kurz. (lacht) Sagen wir mal so, ich hab mich mit dem Greta-Aktionismus gar nicht so beschäftigt. Natürlich in den Nachrichten gesehen, aber es ist ähnlich entstanden. Ich sagte dann – ich gehe meinen Weg und habe es im Hinblick auf meine Vergangenheit auch so gemeint. Aber der Vergleich wäre schwierig, da Sie natürlich einen weitaus größeren globalen Impact besitzt.“
Danke für das Gespräch, Herr Wohlleben.
Das geheime Leben der Bäume. Deutschland 2020. Regie: Jan Haft. Mit Peter Wohlleben. 119 Minuten. Ab 0 Jahren.