Schauspielerin und Regisseurin Karoline Herfurth erzählt mit „Wunderschön“ von den Irrungen und Wirrungen allgemeiner Schönheitsideale im Leben mehrerer Figuren, die allesamt zutiefst menschlich geschrieben sind. Dank eines starken Casts u.a. Nora Tschirner, Joachim Król und Emilia Schüle werden auch inhaltliche Schwächen übertüncht – unsere Filmkritik.
Wunderschön ist ein anderer deutscher Film
Im Mainstream des Deutschen Films geht es seit Jahrzehnten, ganz unüberraschend, um das breittreten fußlahmer Klischees von bekannten Gruppen. Über das grundlegende Niveau von beispielweise Til Schweiger-Werken oder um es mal spezifischer zu nennen wie „Verrückt nach Fixi“ spielen sich Handlungsstränge meistens unterhalb der Horizontalen statt. Jemand, die in den letzten Jahren erfolgreich in massig Lichtspielhäusern dagegen mit frischen Ideen und empathischen Storylines arbeitet, ist Schauspielerin Karoline Herfurth. Ihre zwei ersten Filme als inszenierende Regisseurin waren „SMS für Dich“ und „Sweethearts“ – beide spielten zweifelsohne auf bekannten Genre-Klaviaturen. Liebesdrama ergo Action-Komödie. Sie nutzte jedoch keine bräsig reingesetzten Dialogen um ihren Figuren genügend Raum zur künstlerischen Entfaltung zu geben. In Herfurth’s neuem Episodenfilm kommen all jene stilprägenden Zutaten wie etwa schwierige Themen mit Humor zu verpacken und authentische Sensibilität sehenswert zum Tragen.
In „Wunderschön“ trifft das Publikum auf fünf verschiedene Frauen, deren Problematik sich mit dem Thema Selbstbild kreuzt. Gibt es überhaupt ein bestimmendes Ideal? Warum richten sich alle danach? Könnte das eigene Selbstbewusstsein äußere Blockaden überwinden? Waren Entbehrungen wert, um als Mutter und Ehefrau anerkannt zu werden? Herfurth schlüpft hierbei in die Rolle von Sonja. Zwar vermeintlich glücklich in einer Ehe aber tagsüber alleine mit zwei Kindern, davon ein Säugling. Sie hadert mit ihrem Leben, Partner Milan (Friedrich Mücke) ist Karriere augenscheinlich wichtiger. Anders geht es Frauke (Martina Gedeck) welche sich in ihrer jahrzehntelangen Ehe wieder mehr Intimität wünscht, wobei selbst ein Tango-Tanzkursus mit Wolfgang (Joachim Król) kompliziert wird. Positiv fällt beim Schauen das Pacing des Drehbuchs auf – mit einer Laufzeit von 131 Minuten verrannten sich nämlich bereits andere Filme gehörig. Desweiteren setzt Herfurth nicht auf simple Taschenspielergags sondern führt Figuren mit gewitztem Realismus ein. So hockt Sonja zu Beginn übermüdet im Bad an der elektrischen Milchpumpe. Ode die junge Julie (Emilia Schüle) hört zum Einschlafen „Bibi Blocksberg“-Hörspiele während Sie trotz herausragendem Aussehen mit allen ungesunden Methoden versucht ein gefragtes Topmodel zu werden. Bulimie inklusive Medikamenten-Missbrauch mit inbegriffen. Gerade ihre Episode hält uns Zuschauern einmal mehr den Spiegel vor. Erst modelt Sie strahlend mit anderen Mädels für die natürliche Kosmetik-Linie „Perfectly Strong“ nur um kaum weg aus dem Scheinwerferlicht im Kollektiv ungesunde Schlankheitstipps auszutauschen.
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- Herfurth, Karoline, Tschirner, Nora, Mücke, Friedrich (Schauspieler)
- Herfurth, Karoline (Regisseur)
Kurz darauf trifft Julie aber auf ein verwaistes Nachbarkind sowie deren Katze, die ihr gänzlich ohne moralischen Zeigefinger oder unnötigen Kitsch eine bessere Weltsicht weitab von Selbstoptimierung oder Instagram-PR aufzeigen. Hört sich im ersten Moment vielleicht komisch an – „Wunderschön“ lässt seine Protagonisten höchst menschlich erscheinen. Keine konstrierten Dialoge sondern authentisch eingefangene Makel deren Besitzer als Stärke begreifen. Fängt der Film stark an, endet leider diese Phase ab Mitte spürlich weil man zu viele Handlungsstränge miteinander verweben zu versucht. Gegen Ende berappelt sich das oftmals temporeiche Drehbuch, was einerseits an gut ausformulierten Dialogen liegt. Wenig erscheint reingepresst. Der Cast überspielt schwächere Phasen wie die recht strupplige Beziehungskiste von Vicky, deren Darstellerin Nora Tschirner mit markigen Sprüchen gewohnt erstklassig abliefert. Ganz niedlich aber auch aufgestülpt sind die Geschehnisse der Schülerin Leyla. Die frühe Trennung von ihrem Vater und Gewichtsproblemen bilden ihre Schwierigkeiten. Die Musik bedient sich meistens aus leichtfüßigen Pophits, darf in tragischen Momenten auch in ruhiger Tonlage vom Klavier erklingen. Die Kamera fängt Gesichter sowie Szenerie gut ein. Nichtsdestotrotz überzeugt „Wunderschön“ von Karoline Herfurth mit auflockernden Gags inmitten von ernsten Krisenthemen wie Ehe oder krankhafter Selbstoptimierung. Dank warmherziger Inszenierung verkommt das aber nicht zum moralisch-herumheulenden Stuhlkreis im Gemeindezentrum sondern als kräftestärkendes Plädoyer für das kostbare Leben.
Wunderschön. Deutschland 2022. Regie: Karoline Herfurth. Mit Friedrich Mücke, Martina Gedeck, Maximilian Brückner. 131 Minuten. FSK: Ab 6 Jahren.
Gibt es eine Post-Credit-Szene? = Nein.
Vielen Dank an CinemaxX für die freundliche Bereitstellung des Tickets. Kinotickets für „Wunderschön“ gibt es hier.
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