„Indika“ im TEST – Schräger und satirischer war kaum ein Videospiel
Hellblade aber als fromme Nonne im düsteren Russland
Indika vom Studio Odd Meter bricht mit Konventionen in vielerlei Art. Sei es der pointierte Einsatz von satirischen Kniffen innerhalb seines Storytelling gepaart mit gänzlich anderen Genres. In diesem Adventure durch das düstere Russland des frühen 20. Jahrhunderts ist nichts wie es scheint. Absurde Charaktere mit noch absurderen Hintergründen bilden schlussendlich kein typisches Videospiel sondern ein Erlebnis mit einer Vielzahl von Ebenen. Unsere Review zu „Indika“.
Minutenlang schon bewege ich die kaum angestrengte Hauptfigur von Brunnen zu Fass. In gar mühevoller Kleinarbeit laufe ich bei klirrender Kälte mitten im Wintern über den zugefrorenen Boden um Wasser vom Brunnen in einen Eimer zu schütten und das klare Wasser dann wiederum in größeres Fasser zu befördern. Dies dauert seine Zeit. Ungefähr 10 Minuten später ist das Fass voll. Die Tür daneben öffnet sich, eine Ordensschwester tritt heraus und kippt missgünstig blickend das befüllte Behältnis zur Seite und schickt uns weg. Willkommen bei „Indika“! Das ehemalig Russische Studio „Odd Meter“, welches nach Kriegsbeginn ihre Zelte bzw. Rechner in Kasachstan aufschlug, hat zwar noch wenig Bekanntheit, was sich nach diesem Release vermutlich ändern wird. Dmitry Svetlov verantwortete die Geschichte und als General Director die gesamte Entwicklung. Nüchtern betrachtet ist „Indika“ als Adventure mitsamt eingestreuten Puzzle-Elementen angelegt, doch bekanntlich ist der Weg das Ziel und Svetlov brennt wahrlich ein satirisches Feuerwerk ab.
In „Indika“ steuern wir nämlich die gleichnamige Protogonistin. Die junge Nonne lebt fromm in einem Kloster. Kurioserweise wird sie von ihren Glaubensschwester schikaniert, regelrecht gehasst. Die Gründe hierfür erschließen sich uns nicht. Zudem plagen sie merkwürdige Wahnvorstellungen sowie eine mehrwürdige Stimme im Ohr, die ihr Leben samt ihren Glauben in Fragen stellt und sie dazu bringen möchte ihr geheimsten Sehnsüchte auszuleben. Trotz eines Zwischenfalls im Vorfeld erhält Indika den Auftrag einen bestimmten Brief in der Ferne abzugeben. Dies gerät zur persönlichen Tour de Force. Dieses Spiel bricht mit normalen Konventionen. Gestartet wird in retro-lastiger Pixel-Optik – unsere Spielfigur fällt und wir sollen Sterne einsammeln. Dies steht natürlich im krassen Kontrast zur realistischen düsteren Spielgrafik im Klosteralltag. Gerade diese Fallhöhe macht den Reiz von „Indika“ aus, so laufen wir durch trist gestaltete Gebiete während uns der sprichwörtliche Teufel in unheimlich charmanter Art ermutigt unseren Glauben abzustreifen und spart auch nicht mit sexuellen Anspielungen.
Seitenhiebe und 16-Bit Flashbacks
Das Storytelling ist die große Stärke, weil das Gameplay bewusst oder unbewusst minimalistisch ist. So laufen wir die meisten Zeit durch die eingegrenzten Level. Die Rätseleinlagen sind kreativ umgesetzt. So bricht vor unseren Augen der Boden bis zur Hölle auf, nur unsere Gebete sorgen wieder für Normalzustand, können jedoch entfernte oder höher angesetzte Ebenen erreichen. Besonders sind die zufälligen Bekanntschaften, die an Skurrilität kaum zu toppen sind. Passend dazu erleben wir Indikas Vergangenheit nicht per Zwischensequenz sondern in 16-Bit Grafik aus Iso-Perspektive. Besonders amüsant wird es gegen Ende des Abenteuer, wenn in bester „Mudrunner“-Manier riesige Kaviar-Dosen in einer Fabrikhalle aufeinander gestapelt werden müssen. Insgesamt legt „Indika“ seine Präsentation nicht als typisches Videospiel mit viel Interaktion an – eher als Erlebnis mit vielen Seitenhieben auf die russisch-orthodoxe Kirche und ihrem Einfluss auf die Gedankenwelt der Russen. Mitunter sieht sich der Titel wie eine bittere Abrechnung mit Religion und blindem Gehorsam in schwierigen Zeiten. Bedeutungsschwanger wird uns ein generischer Skilltree präsentiert, deren „freigeschaltete“ Elemente völlig unnütz sind. Vielmehr lässt uns Odd Meter hier zwischen den Zeilen ein fanatisches Machtinstrument spüren welches Menschen unterdrückt um sie letztendlich auszunutzen. Psychisch wie physisch.
Grafisch setzt „Indika“ keine neuen Maßstäbe aber setzt die Unreal Engine 4 defintiv in starker Form ein. Kurios wie vielsagend ist einerseits das starke Minenspiel per Motion-Capturing unserer Hauptfigur wie der Fakt, dass die junge Nonne unseren Blicken bei Kameraschwenks konsequent ausweicht. Einige Sequenzen hätten runder ausfallen können, dafür ist die etwas musikalische Untermalung mit Referenzen an das MIDI-Format. Die Reminiszenzen als clever eingefädelte Ikonisierungen der Anfangszeiten von Videospielen fallen ebenfalls äußerst positiv auf. Leider zickt die eigentlich ordentliche Steuerung in diesen Abschnitten zu oft herum um sie im Flow zu genießen.
Unser Fazit zu „Indika“
Seltsam, komplett ab der Norm wird euch „Indika“ wahrhaft überraschen. Mit seiner Spielzeit von rund sechs Stunden ist es nicht besonders lang, wird aber länger im Kopf umherspuken als euch lieb ist. Das Odyssey von Indika hat keine Scheu davor euch zu überrumpeln, zum Lachen zu bringen oder schlicht zu nerven. Letztendlich entwickelte Svetlov eines der seltsamsten Spiele, die wir seit langem spielten. Der reine Spielspaß wird nicht mit Unterhaltung gleichgesetzt sondern bitterem Erkenntnisgewinn. Das Indie-Segment ist um eine sehr empfehlenswerte Kuriosität reicher – sie hört auf „Indika“!
Release: 08.05.2024 | Entwickler: Odd Meter | Genre: Adventure | Preis: 19,99 Euro | Für PlayStation 5, Xbox Series X und PC | USK: ab 16
Indika
Spielspaß - 93%
Gameplay - 93%
Grafik - 87%
Technik - 87%
90%
Ausgezeichnet!
Zeitweise herrlich satirische Abrechnung mit Kirche, blindem Gehorsam und dem Medium Videospiel. Hier zählt das Erlebnis!
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