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Kritik zu „Joker: Folie à Deux“ – Wenn Musik zur Last wird

Bundesweiter Kinostart: 03. Oktober 2024

Eine halbe Dekade später kehrt die ikonische Verbrecherfigur „Joker“ aus dem DC-Kosmos zurück – Regisseur Todd Philipps setzte mit dem Erstling ein beeindruckendes Psychogramm eines Mannes, der gnadenlos an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurde. Mit „Joker: Folie à Deux“ wird die Geschichte rund von Joaquin Phoenix brilliant aufspielenden Charakter als eine Art Musical weitererzählt, ob dieses Unterfangen tatsächlich gelingt und wie sich Lady Gaga als „Harley Quinn“ einfügt, erfahrt ihr unserer Kritik.

Düster, hoffnungslos und dreckig sind die Gänge, Zellen und sonstigen Örtlichkeiten des berüchtigten Arkham Asylum. Abgetrennt auf einer Insel neben der pulsierenden Metropole Gotham fristen hier Schläger und andere Unholde ihre Strafe ab. Auch Arthur Fleck – jener Mann welcher fünf Menschen umbrachte, dabei geschminkt wie ein Clown war. Ein Opfer nämlich den Late-Night Talker Murray Franklin (Robert de Niro) sogar live im Fernsehen exekutierte. Da steht er nun. In seiner dunklen Zelle, halbnackt, so spindeldünn dass jegliche Knochen sichtbar sind, seine Augen jeglichen Lebenswillen wie er selbst verloren haben. Es ist die Tristesse, welche in der ersten Stunde von „Joker: Folie à Deux“ mehr als die Handlung überwiegt. Todd Philipps inszeniert einmal mehr den Werdegang des hageren Mannes welcher von der Gesellschaft an vielen Stellen an den Rand gedrängt wurde, bis eben das sprichwörtliche Fass überlief und sich in einer unfassbaren Gewaltspirale entlud. 2019, also vor fünf Jahren, startete mit „Joker“ keine xbeliebige Comicverfilmung sondern vielmehr ein anspruchsvolles Psychogramm eines Menschen dem ziemlich übel mitgespielt wurde und seinen Platz in der Gesellschaft suchte. Philipps, der bis dato mit den Anarcho-Komödien wie der „Hangover“-Trilogie bekannt war, erhielt den Regieposten. Man munkelte erst sollte Großmeister Martin Scorsese diese Stelle besetzen, konnte jedoch wegen sich hinziehender Dreharbeiten von „The Irishman“ dann doch nicht. Hierfür spricht die Verpflichtung seines alten Freundes Robert de Niro. Was Todd Philipps schon damals auszeichnete – seine fantastische Ästhetik. Bisherige Arbeiten trumpften mit toll fotografierten Bildern auf.

Dies gilt zweifelsohne ebenso für den zweiten „Joker“-Film nur fehlt etwas im genauen Vergleich mit dem Erstling, wofür auch Scorsese verantwortlich ist. Nämlich der rote Faden. Waren die Klassiker namentlich „Taxi Driver“ & „King of Comedy“ stilprägend für „Joker“ versucht nun „Joker: Folie à Deux“ eine eigene Geschichte zu erzählen, welche nur marginal existiert. Während in der ersten Stunde wir den erbarmungslosen Alltag im „Arkham Asylum“ kennenlernen und einen fast schon dahin vegetierenden Protagonisten beobachten, ändert sich die Stimmungslage zwar mit dem Auftauchen einer mit Pfeffer im Hintern aufspielenden Lady Gaga als „Lee“ aber letztlich bricht man damit kaum durch die Oberfläche. Die Liebschaft beider wird allenfalls nur behauptet anstatt dem Publikum wahrhaft zu präsentieren. Man dupliziert vielmehr Motive des grandiosen Erstlings um daraus wieder Handlungsfäden zu ziehen. Beispielsweise spielt der Film ab der zweiten Hälfte vermehrt in einem Gerichtssaal was einerseits mehr Abwechslung zulässt, aber inhaltlich wenig Neues bringt. Nicht zu vergessen sind die im Vorfeld diskutierten Gesangseinlagen. Zu allererst: Bei mir persönlich besteht keinerlei Aversion gegen Musicals. Sei es „Mamma Mia!“ oder „Bohemian Rhapsody“, stark unterhaltsam. Negativ auffallend sind hingegen deplazierte Gesangseinlagen, die überschlagen rund 25 Minuten des Films ausmachen. Bei 139 Minuten Lauflänge wohlgemerkt.

Obwohl sie von Phoenix und allen voran Lady Gaga fantastisch dargeboten sind und durch extra gebaute Kulisse sich sozusagen von der Haupthandlung loslösen, erzählen diese Musicaleinlagen wenig bis nichts. Ohne sie funktioniert dieses Werk genauso, wenn nicht gar besser. Letztlich kratzt dieser „Joker“-Film hinhaltlich nur an der gesetzten Oberfläche, obwohl der Vorgänger mir erstaunlicherweise mehr über den Menschen Arthur Fleck mitteilte, als dieser. Etwa die unaussprechlichen Misshandlungen des jungen Arthur, welcher die psychologischen Störungen etwas das krankhafte Lachen erzeugte und nur medikamentös einzustellen waren. All diese Fakten werden nochmal präsentiert ohne eine inhaltliche Erweiterung zu schaffen.

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Der angesprochene Cast spielt trotz einer schwachen Drehbuchschreibe erstaunlich stark. Neben Phoenix und Gaga spielt der Ire Brendan Gleeson seine Figur des Gefängniswärter mehr als solide und lässt sogar ein bis zweimal ein Schmunzeln zu. Wenngleich „Joker: Folie à Deux“ seine Grenzen zwischenmenschlicher Beziehungen in gewissen Momenten mehr als deutlich macht. Catherine Keener spielt die engagierte Anwältin von Fleck durchaus beherzt wirkt jedoch aufgrund zu weniger persönlicher Momente austauschbar. Die kleinen Gastauftritte von Figuren des Erstlings wie Zazie Beets wirken leider nur als Fan-Service. Dafür überzeugt die verdammt gute Optik, die Arbeit von Kameramann Lawrence Sher sind knackig-satte Bilder mit pastellartigen Einfärbungen. Zusammen mit den gut eingefangenen Nahaufnahmen wirkt er mit Teil Eins wie aus einem Guss. Die Sichtung in einem Dolby Cinema oder mindestens in Dolby Atmos ist daher empfehlenswert, weil sich die mehr als ordentliche Tonabmischung hier bestens auslegt.

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  • Dieser Artikel hat deutsche Sprache und Untertitel.
  • Conroy, Frances, Camp, Bill, Beetz, Zazie (Schauspieler)
  • Phillips, Todd (Regisseur)

Was bleibt am Schluss des Sequels? Einmal das heißerwartete Wiedersehen mit einer komplett andersgestalteten Comicverfilmung, die 2019 bewiesen hat, dass selbst anspruchsvolle Arthouse-Filme an den Kinokassen über eine Milliarde Dollar einspielen können, sobald die Vorlage stimmt. Danach überwiegt jedoch die Enttäuschung auf mehreren Ebenen. „Joker“ kostete damals „nur“ 55 Millionen Dollar, erzählte mir aber deutlich mehr als die Fortsetzung für 200 Millionen Euro. Merkwürdig. Die Gesangseinlagen sind gut präsentiert, bringen aber die Handlung nicht voran. „Joker: Folie à Deux“ ist sehenswert, aber enttäuschend inhaltsleer geworden.

Joker: Folie à Deux. USA 2024. Verleih: Warner Bros. Regie: Todd Philipps. Mit Joaquin Phoenix, Lady Gaga, Brendan Gleeson. Genre: Drama / Thriller. 139 Minuten. FSK: Ab 16 Jahren.

Gibt es eine Post-Credit-Szene? = Nein.

Vielen Dank an CinemaxX für die freundliche Bereitstellung des Tickets. Kinotickets für „Joker: Folie á Deux“ gibt es hier.

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Benny Illgner

Nachname hielt schon Fußbälle auf. Ich bisher nur virtuell. Sitzt seit 2005 in Digitalien fest und wartet auf den Pannendienst. Steht in fester Beziehung mit Twitter und Instagram. Schreibt Gags fürs Netz und Fernsehen. Nimmt gedeckte Schecks und Pizza gerne auf Twitter unter @IamIllgner an.

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