Rise of the Ronin im großen TEST – Atmosphärische Samurai-Action!
Open-World Basics mit filmreifer Präsentation
Team Ninja versetzt uns mit ihrem bisher ambitioniersten Projekt „Rise of the Ronin“ an das geschichtsträchtige Edo-Zeitalter im Japan des 19. Jahrhunderts. Hierfür rührt das Studio Open-World Vertreter wie „Assassins Creed“, etwas „Nioh“ und viel „Ghost of Tsushima“ in einem großen Kessel zusammen, um einerseits die handlungsintensiven Stärken zu markieren und andererseits einige Fehler der spielerischen Vorbilder hinblicklich einer zu stagnierenden Spielwelt mit öden Nebenaktivitäten zu wiederholen. Wir ließen uns dennoch mitreißen und verraten euch in unserem Test sämtliche Eindrücke.
Team Ninja ist hinlänglich bekannt für, im wahrsten Worte, schnittige Action-Adventures. Kamen doch aus ihren Köpfen kultige Reihen wie „Ninja Gaiden“, „Dead of Alive“ oder vor rund 10 Jahren „Nioh“, welches sich dem Souls-like Subgenre zuwandte und dank sauberem Kampfsystem noch heute für unterhaltsame Stunden sorgt. Nun möchte Team Ninja die nächste Weiterentwicklung vornehmen und traute sich inhaltlich nicht arg weiter, blieb also dem Samurai-Genre treu, möchte aber innerhalb der erzählten Handlung deutlich mehr Duftmarken setzen. Für dieses ambitionierte Projekt wandte man sich an PlayStation um den späteren Titel als „Exclusive“ zu veröffentlichen. Gut, bestimmt auch um ihn nicht ohne Ecken und Kanten zu verstehen, sondern auch den Mainstream besser zu erreichen. Erste Überraschung: Auf die Präsentation legt man deutlich mehr Wert. So beginnt die Geschichte Jahr 1853: Als eine Zwillingsklinge wachst ihr zusammen mit eurem Gegenstück im beschaulich-kleinen Dorf der verborgenen Schneide auf. Der Wandel bahnt sich mit ankommenden Schwarzen Schiffen aus dem Westen unaufhörlich an. Durch auftauchende Amerikaner, die das verschlossene Land unbedingt aufgrund ihrer Häfen öffnen wollen, muss das herrschende Shogunat wohl oder übel mitspielen. Handel statt Abschottung heißt die Devise. Zwischen all den Wirrungen kommen wir ins Spiel und müssen uns für eine Seite für die Zukunft Japans entscheiden. Oder etwa doch nicht? So lässt uns das Spiel offen, ob wir eine weitere Öffnung durch die Amerikaner unterstützen. Dagegen steht den Aufständischen unter die Arme zu greifen, um die Zusammenarbeit zu beenden.
Man merkt womöglich schon im kurzen Abriss – Ja, das dahinterliegende Team Ninja hat sich vorbildlich in die japanische Geschichte reingefuchst und versucht eine so detailgetreue Erzählung der damalig herrschenden Hintergründe wie möglich zu erzählen. Dass „Rise of the Ronin“ nicht zur trockenen Geschichtsstunde an der Volkshochschule verkommt, liegt auch in der Inszenierung. Nachdem sich unsere Spielfigur nämlich alleine durch berüchtigte Ortschaften wie Yokohama, Kyoto oder Edo (heutiges Tokyo) bewegen darf, treffen wir nicht selten auf so manchen neuen Kompagnion. Durch gemeinsame Missionen erwächst eine Beziehung, welche wir entweder verstärken oder wieder fallen lassen können. Recht früh läuft uns der wandernde Ronin Sakamoto Ryōma über den Weg, durch seine lockere Art fällt er im eher stockkonservativen Japan aus dem Rahmen, sorgt aber für Amusement. Insgesamt bedient sich „Rise of the Ronin“ klassischen Basics. So gehört es natürlich zum guten Ton direkt zu Beginn im ausführlich gestalteten Editor unseren Schwertschwinger:in zu formen – Höhe der Nasenflügel, Weite der Mundwinkel und Parameter unserer Fähigkeiten inklusiver kleiner Hintergrundinformationen werden festgelegt. Übrigens samt Geschlecht, dies hat jedoch keine Auswirkungen auf die Storyline.
Interessant hierbei, in einer Geschichte voller Intrigen und falschen Versprechnungen, ist die erlernbare Fähigkeit in Dialogen unsere Gegenüber dreist anzuflunkern oder in unterschiedlichen Tonlagen entweder beschwichtigend oder drohend anzureden. Trotz einer überaus guten Deutschen Lokalisierung spricht unsere Spielfigur kaum bis überhaupt nicht. Aus den zuvor angesprochenen „Bindungen“ entstehen je nach eurem Engagement körperliche Liebe oder neuerlernte Kampfstile von Hayabusa-ryu, Nioh-ryu bis Aisu Kage-ryu. Denn: Aufkommende Feinde kämpfen meist per Katana, jedoch nicht den gleichen Stil. Hasten statt Rasten. Womit wir langsam zum Gameplay kommen: Anspruchsloser als zunächst gedacht. Dies liegt grundlegend an der Konzeption wie Kämpfe ablaufen – Feinde blind zu attackieren ist keine Empfehlung. Zu schnell leert sich unsere Ausdauer (hier KI genannt) und die Chance, dass uns der Angreifer in Panik versetzt und wir dadurch kampfunfähig sind, ist hoch. Also gilt’s im richtigen Moment zu Parieren – Konterfunken wehren selbst Kugeln ab. Die schnellen Schnetzlereien leben von ihrer nicht übertriebenen Dynamik, was in den ersten Spielstunden noch anspruchsvoll war, gelingt euch ab der Mitte besser denn je. Die Lernkurve ist für Neulinge auf leichtestem Schwierigkeitsgrad zwar steil, motiviert dank brachial inszenierten Angriffen ungemein. So landen abgetrennte Arme, Beine und Köpfe gerne mal am Boden. Im Waffenarsenal finden sich zudem Gewehre bzw. Karabiner, die aus „Rise of the Ronin“ lange keinen Shooter machen, aber in hitzigen Momenten uns ein paar Feinde vom Hals halten. Jene Gefechte sind komplex und gleichzeitig intuitiv. Schafft uns einer der Unholde trotzdem, startet die sogenannte „Blutrache“. Um unsere gestohlenen XP wieder zurückzuholen müssen wir denjenigern, der uns umbrachte wieder erledigen – sterben wir hingegen nochmals, sind alle XP futsch.
Im fünfsäuligen Upgradesystem schalten wir im weiteren Spielverlauf neue Attacken samt Bewegungsabläufe frei – zum Beispiel lassen sich die ländlichen Gefilde von Kyoto auch per Flugdrachen oder Enterhaken erkunden. Blöd nur, dass ausgerechnet der Enterhaken viel zu wenig ins Gameplay eingearbeitet wurde. So finden sich in der kompletten Spielfeld nur ein paar Häuser, Hütten, Feldvorsprünge etc. wo es uns gestattet ist, ihn zu benutzen. „Sekiro“ von FromSoftware war hier wesentlich fortschrittlicher, da quasi jede Kante per Enterhaken zu greifbar schien. Solche Ärgernisse ziehen sich durch die Open-World, übrigens die Erste von Team Ninja, was sich an unterschiedlichsten Aspekten bemerkbar macht. Während „Assassins Creed“ mittlerweile sich von seiner Ubisoft-Formel distanziert, klatscht man im Samurai-Abenteuer die ganze Karten mit Minisymbolen voll. Davon sind die wenigsten Nebenaktivitäten halbwegs interessant. Leider. Bis auf wenige Ausnahmen bestehen sie aus andere Ronin abmurksen, Hol- und Bringmissionen oder Defense-Variationen. Nur selten kommt wirkliches Storytelling auf, weil ein Paar in „Romeo und Julia“-Manier sich an selbstgebrautem Gift versucht. Immerhin sind die Gebieten per Pferd innerhalb weniger Minuten zu erreichen.
- Japan, 1863. Im Chaos eines geteilten Landes muss ein herrenloser Samurai sein Schicksal in die Hand nehmen und den Verlauf der Geschichte lenken.
- Stelle dich deinen Gegnern in einem aufregenden, völlig neuen Kampfsystem.
- Erkunde eine historische Welt, in der Ost und West zusammenprallen.
Die größte Stärke von „Rise of the Ronin“ liegt in der jederzeit spürbaren Atmosphäre. Seien es die im Wind wogenden Reisfelder welche dank benachbarter Kirschblütenbäume eine friedliche Stimmung wiedergeben. Oder in den städtischen Straßenzüge jener damaligen Großstädten. Händler verkaufen ihre Waren, Passanten laufen einem dampfenden Tee im Vergnügungsviertel entgegen oder einige Schwertmeister lehren in den Wäldern einige Griffe – aus diesen Zutaten macht Team Ninja viel zu wenig. Die Open-World dient mit ihrer wenig spektakulären Weltstruktur nur als bessere Kulisse. Außer obligatorischen Bandenverstecken herrscht zu wenig Interaktivtät. Technisch darf man trotz PlayStation-Exklusivität kein Grafikbrett á la „Horizon Forbidden West“ oder „Marvels Spider-Man 2“ erwarten. Vielmehr ein optisch stark aufgebohrtes „Nioh 2“. Leider begegneten uns öfter Tearing, Frameratedrops und Clippingfehler in Zwischensequenzen. Dafür gefällt die Detailverliebtheit in manchen Momenten gepaart mit hübsch-gesetzten Lichteffekten. Gleiches gilt für die handgemachte Musik von Inon Zur. Mal hektische Trommeln, dann verträumte Klänge von Holzinstrumente und Panflöten.
Unser Fazit zu „Rise of the Ronin“
Team Ninja wagt sich aus ihrer Deckung für die spielerische Weiterentwicklung, dies ist zunächst löblich. Andere Studios trauen sich Jahrzehnte lang nicht heraus. Alleine die inhaltliche Präsentation ist in „Rise of the Ronin“ beeindruckend. Historisch richtige Fakten zum Nacherleben. Während das ausgefeilte Gameplay immer wieder Freude bereitet, hätte das Storytelling gerne temporeicher gestaltet sein können. Die Open World will kreativ wirken, ist sie aber nicht. Dafür herrscht zu viel Ödnis in den fast immer gleich ablaufenden Nebenaktivitäten. Das Samurai-Abenteuer hat zweifellos seine guten, starken Momente – verschenkt aber ebenfalls Potenzial. Für den kurzen Japan-Trip eine Empfehlung wert.
Release: 22.03.2024 | Entwickler: Team Ninja | Genre: Action-Adventure | Preis: 79,99 Euro | Für PlayStation 5 | USK: ab 18
Rise of the Ronin (PlayStation 5)
Spielspaß - 83%
Gameplay - 80%
Grafik - 74%
Technik - 71%
77%
Empfehlung
Inhaltlich pralles Samurai-Abenteuer mit interessanten Ansätzen - diese werden kaum angepackt und nur die Action bleibt besonders.
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