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Mafia 3 im Test

60er Jahre Flair, New Orleans als Schauplatz und eine Hauptfigur auf blutigem Rachefeldzug – Mafia 3 geht neue Wege. Wieso ausgerechnet die technische Seite einer hohen Wertung zum Verhängnis werden kann, sagt euch unser großer Test.

Ein Schuss, der alles ändert

Ein Schuss fällt. Der Kopf eines gefesselten Mannes sackt langsam Richtung Boden. Überall ist Blut verteilt und wir in der Arbeitskleidung eines Wachmanns. Aus welchen Gründen wir hier gelandet sind, bleibt zunächst offen. Unser Kumpel Giorgi ruft uns ungeduldig zur Abfahrt in den Geldtransporter. So beginnt Mafia 3. Als 2002 „2k Czech“ früher unter Illusion Softworks bekannt, das erste „Mafia“ herausbrachte war die Freude groß. Eine zu damaligen Zeiten lebendige Stadt, tolle Physik-Effekte wie realistischem Schadensmodell und eine mitreißende Story drehend um den Taxifahrer Thomas Angelo. Zwar gab es schon GTA 3 und Vice City und doch brachte „Mafia“ diese ganz bestimmte Atmosphäre von Genreklassikern wie Goodfellas mit. Zusätzlich waren namhafte Synchronsprecher wie Helmut Krauss und Stephan Schwartz mit von der Partie. Im Gesamtpaket wurde das Spiel zum All-Time Favorite. Acht Jahre später kam mit „Mafia 2“ eine gelungene Fortsetzung in den Handel. Selbstverständlich sind KI, Fahrzeug-Physik und Missionsdesign verbessert worden, also war auch die Handlung von Vito Scaletta spannender erzählt. Mehr Fahrzeuge, eine Vielzahl an lizenzierten Songs bescherten dem in Prag entwickelten Titel hohe Wertungen in einschlägigen Gazetten. Danach wurde still um die Reihe. Das von 2k Games selbst erbaute Studio „Hangar 13“ sollte nun dritten Teil entwickeln.
Lincoln Clay hat viel miterlebt. Seine Eltern verließen ihn früh, sein Leben besteht aus einem einzigen Kampf. Richtigen Halt fand er nur in seiner schwarzen Gemeinde „Hollow“ bei Mafia-Don Sammy Robinson und dessen Ehefrau Perla. Seine Ersatzfamilie unterstützten ihn bei allen Belangen, sogar als Lincoln zur Armee wegen einem bevorstehenden Vietnam-Krieg wollte. Er machte sich für sein Land bezahlt und fand in CIA-Agent John Donovan einen echten Freund. Kurz nach der Heimkehr lauern allerlei Probleme im Viertel. Ziehvater Sammy hat Probleme mit den örtlichen Haitianern und Schulden bei Sal Marcano. Die ersten Schwierigkeiten können durch Waffengewalt gelöst werden, doch Mafia-Schulden sind anspruchsvoller. Mit einem kreativen Raubüberfall als Flashbacks erzählt können die Schulden, jedoch das Misstrauen nicht aus der Welt geschafft werden. Hinterrücks bringen Giorgi und Sal Marcono unsere Freunde und alle Mafia-Mitglieder um und schießt Lincoln zu guter Letzt in den Kopf. Er überlebt diesen Anschlag und sinnt nun blutige Rache an allen Beteiligten.

Großartiger Prolog gefolgt von leiseren Tönen

Was für ein großartiger Anfang! Hier stimmt alles. Vom Tempo über geschliffene Dialoge bis hin zum Mini-Finale beginnt Mafia 3 stark. Die unterlegte Musik der Rolling Stones in den Zwischensequenzen, die offen gezeigte Brutalität und der ohne Kürzungen betriebene Rassismus. Dazu später mehr. In den ersten drei Spielstunden sind wir relativ linear in den Missionen unterwegs. Eine Fahrt von den Sümpfen bis in die Innenstadt bildet die Ausnahme. Sozusagen ein überdimensionales breitgefächertes Tutorial. Von ersten Schießübungen im Nest der Haitianer bis zu schnittigen Fahrmissionen lernen wir die Grundbausteine des Gameplay. Hilfreich: Durch kleine „Alltagssituationen“ wie in einer Suppenküche auszuhelfen, bleibt Zeit die Atmosphäre zu genießen. Trotz ausgezeichnetem Prolog sind jedoch einige technische Schatten vorhanden.
Unter uns Pastorentöchtern, es gibt kein furchteinflößenderes Signal, wenn Testmuster bis kurz vor Release zurückgehalten werden. Erwartet mich ein Triple-AAA Desaster? Außen hui, ihnen pfui? Publisher Take 2 und Entwickler Hangar 13 wollten sicher noch einige rettende Patchs vorbereiten – war unsere Vermutung. Dann die Überraschung zum Start. Die PC-Umsetzung hat ein Framelock von 30fps. Die Steam Community außer sich, in Zeiten von VR und 4k ist das „bodenlose Unverschämtheit“ hieß es. Zusätzlich kamen Stimmen von größeren Bugs und Abstürzen auf. Pünktlich zum heiß erwarteten Release war ein Mini-Shitstorm da. Ärger und Enttäuschung lag in der Luft. In manchen Punkten wie Clipping, grobe Bildfehler sind die Reaktionen durchaus angebracht. Mafia 3 mag seine Fehler haben, jedoch es als schlecht zu bezeichnen ist falsch.

Die Spielwelt öffnet sich

Nach dem Prolog sind wir, verständlicherweise, mehrere Wochen außer Gefecht. Währenddessen kümmert sich fürsorglich Pater James um Lincoln. Dennoch steht die Erde nicht still. Der schwellende Rassenkonflikt spitzt sich immer mehr zu, JFK wird per Kopfschuss getötet und die Beach Boys feiern Erfolge. Kaum auf den Beinen sinnen wir die Übernahme von New Bordeux. Hangar 13 will uns deutlich spüren lassen, dass wir nun „frei“ sind. Die Spielwelt öffnet sich – ab sofort können wir über Missionen und Reihenfolge selbst entscheiden. Collectables gehören zum guten Ton und bietet mit seinen originalen Playboy-Heften der 60er spaßige Momente. Das Interface ist zudem aufgeräumt und versorgt uns jederzeit mit einer Mini-Map, Werten (Geld, Bauteile) und derzeitiger Mission. Trotz neuer Metropole wirkt es zu ruhig zu verschlossen. Mafia 3 bietet wenig bis gar keine Interaktivität in seiner Stadt. Bis auf kleine Läden für spontane Überfälle, verlassene Innenhöfe und 2-4 offene Häuser im einzelnen Bezirk ist nicht viel los. Genrekonkurrent GTA 5 mag dies zwar auch nicht haben, jedoch eine lebendigere Stimmung auf den Gassen. Hier Getuschel über den Mord an JFK und auch unsere Taten dringen in den Kosmos der NPC´s vor.
Unser Plan: Wir rekrutieren die Feinde unseres Feindes um ihn im Kollektiv zu stoppen. In den ersten Missionen retteten wir Cassandra, eine Haitianerin mit Hang zum Voodoo. Für sie erledigen wir nach unserer Rehabilitation kleinere Aufträge. Bestimmte Ziele umbringen, Geldkassetten rauben und Insider befragen. Praktisch: Mafia 3 lässt uns zu jeder Zeit frei wählen, ob wir schleichend oder in Rambo-Manier handeln wollen. Das Spiel hat nicht umsonst ein 18er Siegel. Mit aller Deutlichkeit: Mafia 3 ist sehr brutal und nur für Erwachsene geeignet. Dazu gesellen sich noch aus Teil 2 bekannt Vito Scaletta und der Chef der irischen Mafia Thomas Burke. Alle besitzen ihre eigenen Backgrounds, stellen somit keine bloßen Auftragsbots da. Das Arsenal an Fahrzeugen bedient sich bei Motorbooten, Muscle Cars, gewöhnlichen Limousinen und Oldtimern. Insgesamt ist die Fahrphysik sehr annehmbar. Mit Handbremse und ordentliche Speed lassen sich waghalsige Manöver steuern. In den stilechten Boliden rasen wir von Mission zu Mission um im Bezirk Schaden anzurichten. Dies zeigt sich durch die „Schadenssumme“, falls Lincoln eine feste Höhe überschreitet locken wir den Boss hervor und können ihn somit erledigen. Doch obacht, verlagert sich der Kampf auf die Gehwege rufen aufmerksame Passanten sofort die Cops. KI at it´s best.

Ein Haufen Arbeit und Vorurteile

Das Missionsdesign ist hingegen sehr einfach gehalten. Wir suchen auf der Map einen Auftrag fahren zur Lagerhalle, Wohnung oder Fabrik. Schalten laut oder leise die Gegner aus und stehlen, verhören oder töten die Zielperson. Fertig. Mafia 3 lässt uns förmlich die Arbeit ein großer Don zu werden, spüren. Alleine das wirklich gelungene Gameplay hielt mich am repetitiven Ball. Wenn geballert wird verlaufen die Schusswechsel elegant und geschmeidig über die Bühne. Zudem ist jede Mission auf mehrere Arten ausgelegt. Doch leider hat man vergessen unseren Gegnern ein Hirn zu programmieren. Treudoof lassen sie sich mit simplen Pfeifen in eine dunkle Ecke holen. Selbst die Leichenhaufen fallen nicht auf. Einziger Lichtblick im Ganovenalltag bilden die Storymissionen. Mal eine actionreiche Verfolgungsjagd mit Vito, dann die Infiltration in einen überschwemmten Freizeitpark und zu guter Letzt „überraschen“ wir im Penthouse lebenden Mafia-Buchhalter. Mehr davon wäre wünschenswert gewesen.
Bereits kurz nach Start begrüßt uns Entwickler Hangar 13 mit dem Disclaimer, dass der offen gezeigte Rassismus der Zeit und nicht der Meinung des Studios geschuldet ist. Ein guter Punkt, da Mafia 3 ungeschönt damit arbeitet. Auf offener Straße werden wir mit dem „N“-Wort beschimpft und die Polzei sieht uns verdächtig nach. Hierzu, die Gesetzteshüter-KI ist auch auf zwei Augen blind. Klare Verkehrsverstöße wie überhöhte Geschwindigkeit wird übersehen. Schwarze Bewohner leben in ihren Vierteln und meiden von weißen dominierte Siedlungen. So ungewöhnlich es klingen mag, ist gerade dieser Punkt ein frischer Aspekt. Zuvor wurden wir einem Videospiel noch nie deratig mit dem Thema konfrontiert. Ein mutiger und wichtiger Schritt, den Take 2 damit gegangen ist.
Über das gesamte Spiel arbeitet Mafia 3 mit verschiedenen Bildfiltern, vorrangig mit gelblich-vergilbten. Laut Take 2 soll damit die Zeit und die Atmosphäre des Spiels besser rüberkommen. Im Hinblick auf die Zwischensequenzen im Doku-Stil gehalten ist das völlig verständlich. Alleine die hervorragende Mimik in den Cut-Scenes stellen hier das Non-Plus Ultra da. Besonders in den ruhigeren gar dramatischeren Passagen überzeugt uns das Spiel. Im deutschen von bekannten Synchronsprechern lokalisiert unterstreicht dies unser Abenteuer enorm. Hangar 13 hat sich auch nicht beim Soundtrack lumpen lassen. Großartige Klassiker wie von den Rolling Stones, Sam Cooke und Aretha Franklin beschwingten uns gekonnt in der Spielwelt. Über 100 lizensierte Titel aus den 60ern verteilt auf drei Radiosender. Ein stattliche Ansage!

Fazit – Mafia 3

Wir haben wahrlich dutzende Stunden in New Bordeaux verbracht. Sehenswürdigkeiten erkannt, Sümpfe wie Psyche erforscht und Mafiosi aller Art dem Erdboden gleichgemacht. Hangar 13 machte mit Themen wie Menschenhandel, Folter und Rassismus keinen Hehl, dass ein sehr erwachsenes Spiel auf uns zu kommt. Die Zwischensequenzen sind grandios geschrieben, die Story ist motivierend und doch macht die Technik einen Strich durch die Top-Wertung. Zu viele Grafikfehler wie Überblendungen, unnötig dumme Gegner-KI und wiederholendes Leveldesign lassen mich teilweise verzweifeln. Hinzu kommend ist Mafia 3 auch kein Open World Game im klassischen Sinne. Euch erwarten keine Stunts oder Nebenquests wie Rennen. Wäre der Release zur Ausbesserung der Probleme nach hinten gesetzt worden – ich hätte es verstanden. Nichtsdestotrotz habe ich Spaß beim spielen gehabt. Wie geht Lincoln nun vor? Was will Sal Marcano eigentlich erreichen? Gerade diese und jene Fragen halten euch am Ball. Hangar 13 Titel ist kein Mainstream und deswegen so einzigartig.
Entwickler: Hangar 13 – Preis 69,99 Euro – Für PS4, Xbox One & PC. USK: ab 18

Mafia 3 (PlayStation 4)

Spielspaß - 72%
Gameplay - 90%
Grafik - 76%
Technik - 65%

76%

Durchschnittlich

Mafia im neuen Gewand - frisches Setting, interessante Figuren. Leider sorgen problematische Technik und repetitives Gameplay für unnötige Schwierigkeiten.

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Benny Illgner

Nachname hielt schon Fußbälle auf. Ich bisher nur virtuell. Sitzt seit 2005 in Digitalien fest und wartet auf den Pannendienst. Steht in fester Beziehung mit Twitter und Instagram. Schreibt Gags fürs Netz und Fernsehen. Nimmt gedeckte Schecks und Pizza gerne auf Twitter unter @IamIllgner an.

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