God of War Ragnarök im großen TEST – Götter mit menschlichen Problemen
Götterdämmerung in der Nordischen Mythologie
Spielerisch wie im Storytelling setzt Santa Monica Studio dem rebellischen Halbgott Kratos ein meisterhaftes Denkmal mit „God of War Ragnarök“. Zusammen mit Sohn Atreus führt ihn sein Weg nach Midgard über das Zwergenreich Nidavellir bis hin zu Asgard um der nahenden Götterdämmerung zu entfliehen oder doch nicht? Bildgewaltiger war von den PlayStation Exclusives selten ein Abenteuer – was sich ebenfalls in Sachen Charakterentwicklung zeigt. Unser ausführlicher Test zum brachialen PlayStation 5-Titel.
Es ist kalt. Verdammt kalt. Der ewige Antiheld Kratos sitzt gedankenversunken am prasselnden Feuer in einer kargen Höhle. Was bewegt den Hühnen mit der rauen Stimme? Die vergangenen dramatischen Momente im alten Griechenland oder die irrsinnige Odyssey mit seinem Sohn durch die Untiefen von Valhalla nur zum Zweck um den letzten Wunsch seiner zweiten Ehefrau Faye nachzukommen – im Land der Riesen als Asche verstreut zu werden? Schritte näheren sich. Eine kleinere Figur kämpft sich durch den beißenden Schneesturm draußen, er trägt einen erledigten Hirsch um seine Schultern. Es ist Atreus. Kratos Sohn, der merklich größer und zum Jugendlichen gereift ist. Doch Zeit für Worte bleibt nicht. Auf dem Nachhauseweg mit ihren treuen Schlittenhunden werden beide angegriffen, überrascht sind sie nicht – die Angreiferin ist Freya. Die Göttin der Liebe, die jedoch Rache an Kratos schwor, weil er ihre beiden (Götter)-Söhne ermordete. Nur mit Mühe können Vater und Sohn ihre brutalen Angriffe abwehren.
Was Santa Monica Studios mit „God of War Ragnarök“ schuf in vielerlei Hinsicht eine echte Offenbarung. Ich kann mich selten daran erinnern, wie oft dermaßen überrascht, den Tränen nahe und tief beeindruckt vor einem Videospiel saß. Die frische Richtung, also sich von früheren GoW-Teilen gar zu distanzieren, nicht dem Gameplay die pure Aufmerksamkeit sondern einer durchdachten wie detailreichen Handlung zu schenken, war schlichtweg richtig. Ähnlich wie einem „The Last of Us“ wo Begleiter keine nervigen KI-Katastrophen sondern essentieller Bestandteil der Story sind, verfolgt das Studio, den in im vorherigen Teil verfolgten Ansatz konsequent weiter. Überhaupt ist es der Verdienst der beiden Drehbuch-Autoren Matt Sophos und Richard Zangrade Gaubert bereits in wenigen Dialogen zwischen Atreus und seinem Sohn mehr Persönlichkeit in den misstrauischen Kriegsgott zu stecken als man es in den PS2/PS3-Titeln insgesamt tat. Zudem die Brutalität spürbar heruntergeschraubt wurde – Gewalt wird nicht nur durch Blut definiert.
Rache und Wissbegier
Die Story setzt unmittelbar an den Schluss von „God of War“ von vor vier Jahren an. Nachdem er die Asche seiner Frau Faye verstreut hat, entdeckte durch die Wandmalereien der Riesen in Jötunheim nicht nur korrekte Prophezeiungen der vergangenen Ereignisse sondern auch das mögliche Schicksal seines Sohnes, der in Wahrheit der nordische Gott „Loki“ ist. Seit diesem Ausflug ist Atreus heimlich auf der Suche nach Antworten – das zieht unweigerlich Thor sowie Allvater Odin auf den Plan. Obwohl Kratos ein Friedensangebot erhält schlägt er es aus und macht sich zusammen mit Atreus durch die nordischen Reiche um selbst die Hintergründe herauszufinden. Mehr möchten wir euch nicht offenbaren, das „God of War Ragnarök“ von seiner herausragend dargebotenen Geschichte lebt und verratene Twists viel kaputt machen. Folgt ihr sklavisch den orangenen Questmarkern seid ihr in rund 25 Stunden durch die Story gerauscht, lasst ihr euch Zeit, genießt die feinsäüberlich gestaltete Welt mit all ihren Geheimnissen und Rätseln – schlagt 15 Stunden drauf. Inszenatorisch liegt es klar auf Hollywood-Niveau. Langsame Kamerafahrten treffen auf toll choreografierte Auseinandersetzungen. Erinnerungen an Robert Eggers „The Northman“ werden geweckt. Emotionale Momente sind glaubhaft dargestellt wie etwa der Verlust von Atreus Wolf zu Anfang. Aber auch Streitgespräche zwischen Kratos und seinem Sohn quasi während des laufenden Spiels sind so herrlich eingebaut und verschaulichen recht gut, dass Götter an menschlichen Problemen leiden. Der einfühlsame Score von Bear McCreary mit all seinen Horninstrumenten ganz fein abgestimmt im Hintergrund unterstreicht einerseits jene ruhigen Passagen aber auch hektische Momente etwa in Bosskämpfen mit unterschiedlichsten Trommeln.
Spieler der Vorgängers dürfen sich freuen – das Gameplay ist genauso smooth wie gelernt. Obwohl ich mich selbst dabei ertappen musste, wie anspruchsvoll das Movement des aschfahlen Kriegers ist. Beginnt alles mit der unbarmherzigen Leviathanaxt sowie Leicht/Schwer-Angriffen kommen wenig später die berüchtigen Chaosklingen hinzu, die man per D-Pad durchwechseln darf, aber es anfangs zwischen Ausweichen und Zuschlagen nicht so flüssig wie erhofft von der Hand geht. Dies bessert sich jedoch ein paar Spielstunden. Obwohl es ganze fünf Schwierigkeitsgrade gibt, glaubt nicht an oberflächliche Kämpfe. Selbst auf der mittleren Stufe seid ihr nicht vor vorzeitigen Neustarts befreit. Keine Sorge ihr könnt jederzeit wechseln. Natürlich darf unser Schild nicht fehlen. Mit ihm gilt es feindliche Angriffe, solange es keine rot umkreisten sind, abzuwehren oder zu kontern. Liegt ein Dunkelelf-Lord nach mehreren Schlägen betäubt am Boden kann mit R3 ein brutaler Finisher abgezogen werden. Hier reißt Kratos in bester Schlachter-Manier Köpfe auseinander, Gedärme und Gliedmaßen raus. Doch im Verlauf werden unsere Widersacher stärker – also muss unsere Ausrüstung es auch werden. Zum Glück stehen die hilfsbereiten Zwerge Brok und Sindri mit ihrer Schmiede regelmäßig in den Welten bereit um Kratos zu unterstützen, solange genug Ressourcen wie Hacksilber im Inventar liegen. Auffindbar in herumstehenden Truhen. In Svartalfheim finden sich übrigens die meisten Nornentruhen, hier müssen zuerst drei Siegel zerstört werden um sie öffnen zu können. Darin finden sich Upgrades um die limitierte Rage zu verlängern. Jene Welten beeindrucken mit ihren designten Gebieten. Positiv fällt im Zusammenahng zwar der recht lineare Weg aber die möglichen Abkürzungen oder verzweigten Wege auf. Erkundungen belohnt das Spiel nämlich mit Schriftrollen sowie Ausrüstungskomponenten für den Arm, die Brust oder Hüfte. Mächtige Runen sind ebenso versteckt in den Gebieten. Ziemlich früh bekommt ihr die stärkste Ausrüstung namens „Vidars Rüstung der Macht“ zum Aufleveln überreicht. Doch die Auswahl ist groß – 22 andere könnt ihr insgesamt freischalten.
Vielseitiger Kampf
Die Kämpfe sind brachial und richtig spaßig. Es ist zweifelsohne unterhaltsam wie Kratos brüllend auf seine Gegner eindrischt, welche zwar oftmals Deckung suchen oder uns umkreisen aber keine Chance gegen eine fliegende Axt haben. Was sofort auffällt – sein Movement ist vielfältiger als im Vorgänger. Im Fähigkeitenbaum schalten wir nach und nach neue Angriffe bzw. Bewegungen frei, um unseren Gegnern ordentlich einzuheizen. Der Bogen von Atreus sei noch lobend hervorzuheben, dank seinen Pfeifen hält er uns den Rücken frei. Ohne einen Spoiler zu riskieren, ist Atreus mehr im Gameplay integriert als wir vor dem Start gedacht hätten. Überhaupt muss man in über vier Jahren Entwicklungszeit Santa Monica Studios dafür loben so viele Neuerungen eingewoben zu haben. Da werden Erwartungen glatt übertroffen oder klare Gameplay-Elemente satirisch aufgearbeitet. Nur das, wie im Reboot kritisierte, doch teils sehr komplizierte Ausrüstungsmenü hätte man doch überarbeiten können. Unzählige Werte und Balken verwässern oftmals die Sicht auf wichtige Stats. Man vermisst glatt den aufladbaren Orbs-Strudel aus früheren Teilen. Damit kommt man dann auch irgendwie zurecht. Der herrlich abwechslungsreiche Spielablauf mit ausgesprochen starken Momenten retten über solche schwächeren Stellen hinweg.
Technisch darf sich „God of War Ragnarök“ als definitives Musterbeispiel für aktuelle PlayStation 5-Spiele bezeichnen. Per se sehen, nur positiv gemeint, sehen alle Exclusives optisch glattgebügelt und geleckt aus. Jeder Stein sitzt an seinem Platz, rudern Kratos und sein Anhang durch eine Tropfsteinhöhle sind alle Stalaktiten gar händisch aufeinander abgestimmt und je nach Blickrichtung schimmert der nordische Pulverschnee anders. Plätscherndes Wasser durch Tritte in Pfützen wirken realistisch, obwohl leuchtende Feuereffekte noch mehr den Eindruck verstärken als würde gleich der redaktionsinterne Rauschmelder anspringen. Idyllische Panoramen mit sonnendurchfluteten Tälern wechseln sich gar meisterlichen Abgründen natürlicher wie menschlicher Art ab. Musiker Hozier (Take Me to Chruch) steuert sogar einen eigenen Song namens „Blood Upon the Snow“ bei, der in grandioser Weise eingebunden wird. Vereinzelte Kameraprobleme sind vielleicht mal nervig, sind jedoch zum flimmerten Abspann vergessen. Die deutsche Lokalisierung bietet zudem starke Stimmen und nimmt es problemlos mit den originalen Sprechern auf.
- Atreus ist auf der Suche nach Wissen, das ihm helfen soll, die Bedeutung von "Lokis" Prophezeiung und seine Rolle in Ragnarök zu verstehen. Kratos muss sich entscheiden, ob er sich weiterhin von der Angst, seine Fehler zu wiederholen, gefangen halten lassen will, oder ob er sich daraus befreit, um für Atreus der Vater zu sein, den er braucht
- Die Leviathanaxt, die Chaosklingen und der Wächterschild kehren zurück und reihen sich in ein ganzes Arsenal neuer Fähigkeiten ein, die Kratos und Atreus zur Verfügung stehen. Kämpfe gegen Götter und Monster aus allen neun Welten stellen Kratos' gnadenlose Spartaner-Fähigkeiten auf eine nie dagewesene Probe, während er versucht, seine Familie zu beschützen
- Reise durch gefährliche und atemberaubende Landschaften und stell dich den verschiedensten feindlichen Kreaturen, Monstern und nordischen Göttern, während Kratos und Atreus nach Antworten und Verbündeten suchen
Unser Fazit zu „God of War Ragnarök“
What a ride! Zum Jahresende servieren uns die Entwickler:innen aus der Schmiede Santa Monica Studios ein grandioses Abenteuer rund um die verzwickte Vater/Sohn-Beziehung über den unbedingten Willen nach Eigenständigkeit sowie Vergangenheitsbewältigung, das man in solch einer akkuraten Form wohl erstmals so sieht. Gut geschriebene Dialoge auf menschlicher Ebene ohne kitschig zu wirken treffen auf packende Action. Alle erkundbaren Gebieten sind merklich poliert und profitieren durch ein potentes System wie der PlayStation 5 enorm. Im Leistungsmodus bewegt sich das Geschehen mit stabilen 60fps bei 2160p. Zumal die optionalen Einstellungen für körperlich beeinträchtigte Spieler nur mit einem großen Lob bedacht werden kann. Insgesamt führt man die Geschichte rund um Kratos zu einem spektakulären Finale dessen Ergebnis jeder Besitzer einer Sony Konsole einmal erlebt haben muss. Es hebt sich deshalb von der sonstigen Masse so ab, weil es mich als erwachsenen Spieler ernst nimmt. Danke.
Entwickler: Santa Monica Studio | Preis: ab 69,99 Euro | Für PlayStation 4|5 | USK: ab 18
God of War Ragnarök (PlayStation 5)
Spielspaß - 98%
Gameplay - 93%
Grafik - 98%
Technik - 94%
96%
Ausgezeichnet!
Meisterhaft! Fulminant erzähltes Abenteuer um den brutalen Kriegsgott Kratos mit spielerischen Leckerbissen und absoluter "State of the Art"-Grafik.
Mehr Informationen zu unserem Wertungssystem findest Du hier.
Bei den hier angezeigten Produkten handelt es sich um Affiliate Links, bei einem Kauf unterstützt ihr meine Arbeit. Letzte Aktualisierung 2024-12-19 / Bilder von der Amazon Product Advertising API. Amazon und das Amazon-Logo sind Warenzeichen von Amazon.com, Inc. oder eines seiner verbundenen Unternehmen.