Testberichte

HTC U12+ Review: Wenn nur diese Sensor-Tasten nicht wären…

Mit dem U12+ hat HTC ein Smartphone vorgestellt, dass so ziemlich alles an aktueller Technik mit einer moderaten UVP verbindet. Was das U12+ im Alltag leistet, habe ich mir die letzten Wochen angesehen.

Technisch braucht es sich vor der Konkurrenz nicht zu verstecken. Der Snapdragon 845 liefert ordentlich Leistung, dazu gibts 6GB RAM und 64GB Speicher. Außerdem hat HTC noch eine neue Version des druckempfindlichen Edge Sense verbaut und die physikalischen Tasten gestrichen und durch Sensortasten ersetzt. Obendrauf gibts dann gleich noch zwei Dual-Kameras und ein 6″ großes QHD+ Display. Hier noch einmal alle technischen Details in der Übersicht:

Technische Daten HTC U12+

  • Snapdragon 845 Octa-Core SoC
  • 6GB RAM, 64GB Speicher, erweiterbar per MicroSD-Karte
  • 6″ Super-LCD 6 Panel, 2880x1440px, 537 ppi, HDR 10 Unterstützung
  • Hauptkamera
    • 12MP Weitwinkel-Hauptsensor, 1,4 μm Pixel, F1.75, OIS, PDAF, Laser-AF, entspricht 25mm KB
    • 16MP Tele-Sekundärsensor, 1 μm Pixel, F2.6, PDAF, Laser-AF, entspricht 50mm KB
    • Dual Kamera, HDR Boost 2, Bokeh Modus, Dual LED-Blitz, Gesichtserkennung, Pro Modus
    • 4K@60FPS Videoaufnahme (Max. 6 Minuten), 1080p@240FPS, Sonic Zoom, Audio Boost, 3D Audio, OIS + EIS, Audioaufnahme bis 24bit96khz.
  • Frontkamera
    • Dual 8 Megapixel-Sensor, 1,12 μm, F2.6
    • Bokeh Modus, 84° Weitwinkel, HDR Boost, Gesichtserkennung, Bildschirm-Blitz, Auto-Selfie, Live Make-Up, Selfie-Panorama
    • 1080p Videoaufnahme
  • HTC Edge Sense 2
    • Intelligente Bildschirmdrehung durch Halteerkennung, neue Gesten, anpassbare Gesten, Individualisierbare Makro-Funktionen
  • HTC BoomSound Hi-Fi Edition, HTC USonic ANC (Nur in Kombination mit USonic Headphones), HD-Audio zertifiziert, aptX HD und LDAC kompatibel
  • Akku
    • 3500 mAh Kapazität
    • Quick Charge 3.0 im Lieferumfang enthalten, Quick Charge 4 Kompatibel, USB PD 3.0 Kompatibel
  • Konnektivität
    • WiFi nach 802.11 a/b/g/n/ac, MU-MIMO
    • Kat. 18 LTE, 4×4 MIMO, Dual-LTE, Dual-Nano-SIM
    • USB 3.1 Gen 1, Type C, Displayport via USB Type C
    • Bluetooth 5.0
    • NFC
    • GPS, A-GPS, GLONASS, Galileo, BeiDou
  • Sensoren
    • Umgebungslichtsensor, Magnetsensor, Näherungssensor, Fingerabdruck-Sensor, G-Sensor, Kompass, Gyro, Edge-Sense
  • Android 8.0 mit HTC Sense UI

Im Lieferumfang ist neben dem HTC U12+ noch ein QC 3.0 Netzteil, ein Paar USonic In-Ear-Kopfhörer, ein USB A auf USB C Kabel sowie eine Gummi-Schutzhülle enthalten, die sich wie ein Gummistiefel anfühlt.

Display

Das Display ist das erste, was einem nach dem Einschalten auffällt und beim Smartphone seit jeher einer der wichtigsten Aspekte. Passt das Display nicht, kann die Technik dahinter noch so gut sein – Spaß macht es dennoch nicht. Das U12+ setzt wie eingangs erwähnt auf ein SLCD 6 Display mit QHD+ Auflösung im 2:1 Format. Mit rund 330cd/m² ist das Panel in den meisten Situationen hell genug, in der direkten Mittagssonne könnte es aber durchaus noch einen Tick mehr Helligkeit vertragen. Auch ist die Ausleuchtung nicht ganz gleichmäßig. Zum unteren rechten Rand hin wird es immer dunkler, auf bis zu 280cd/m² dunkelt es an der Ecke ab. Bei maximaler Helligkeit ist auch leichtes Light Bleeding an den Kanten zu sehen – zumindest bei komplett schwarzem Bild. Im Alltag bemerkt man das allerdings nicht.

Ansonsten liefert es knackige Farben und gute Blickwinkel. Je nach Vorliebe kann die Farbkalibrierung angepasst werden. Zur Auswahl stehen sRGB und DCI-P3. Was auffällt ist, dass die sRGB-Kalibrierung deutlich wärmer ausfällt und einen leichten Rotstich mitbringt. Die DCI-P3 Kalibrierung dagegen ist sehr neutral gehalten. Bei beiden Profilen lässt sich die Farbtemperatur allerdings über einen Schieberegler anpassen.

Die hohe Auflösung sorgt zudem für ein gestochen scharfes Bild. Je nach Vorlieben – und auch um die Akkulaufzeit zu verlängern – lässt sich das Display auch mit einer geringeren FullHD+ Auflösung betreiben. Die geringere Last auf der GPU sollte für eine längere Akkulaufzeit sorgen. Die Skalierung des Bildschirminhalts ändert sich mit der Umstellung automatisch, einen wirklichen optischen Unterschied macht die geringere Auflösung daher nicht.

Touch-Eingaben nimmt es ohne Probleme entgegen, hier gab es keinen Grund zu meckern.

Haptik

Nach dem Display ist vor der Haptik. Oder so. Das U12+ wirkt auf den ersten Eindruck recht groß und schwer, das legt sich aber schnell wenn man es erst einmal nutzt. Da HTC auf die Notch im Display verzichtet hat fällt es zwar tatsächlich etwas größer aus als seine 6″ Artgenossen, nach wenigen Minuten bemerkt man diesen Unterschied aber schon nicht mehr. Insgesamt liegt es gut und satt in der Hand, alle Eingabegeräte wie die Sensortasten und der Fingerprint-Reader sind genau da, wo man sie instinktiv vermuten würde.

Es gibt zudem keine scharfen Kanten, alle Ebenen gehen flüssig ineinander über. Dadurch fühlt sich das Gehäuse auch sehr hochwertig an. Die Verarbeitung war bisher auch nie wirklich ein Problem bei HTC, diese Tradition setzt das U12+ nahtlos fort.

Allerdings: An die Sensortasten werde ich mich so schnell nicht gewöhnen. Nach nun über 2 Wochen täglicher Nutzung sind sie immer noch ungewohnt und wirken schlicht unnatürlich. Teilweise löst man sie ungewollt aus, teilweise gar nicht auch wenn man es will. Powerbutton und Lautstärke-Tasten lösen gefühlt bei unsterschiedlichem Druck aus und auch die Firmware dahinter scheint noch etwas Feinschliff zu benötigen. So passierte es in meinem Test hier und da, dass die Tasten einfach willkürlich Aktionen erkannten oder nicht erkannten. Das Verhalten war selten, aber es kam eben vor. Auch spielten die Tasten hin und wieder komplett verrückt und verstellten wahllos die Klingelton-Lautstärke, hier half dann nur abwarten, da der Powerbutton währenddessen gar nicht reagierte. Das ist nichts, was nicht per Software gefixt werden kann, bislang kam allerdings kein Update hierfür. Und bislang ist genau dieses Verhalten im Alltag ziemlich zermürbend, gerade wenn man über das Gerät auch gerade Musik hört oder ein Video guckt.

Generell ist die Bedienung durch die Sensortasten an einigen Stellen ungewohnt, wo man es nicht erwarten würde. Screenshots erstellen ist da so ein Beispiel. Die Geste hierfür ist nicht Power+Volume Down wie bei allen anderen Android Smartphones, sondern man hält kurz den Power-Sensor und drück dann den Home-Button. Funktioniert in der Praxis meistens, aber auch nicht immer. Alternativ lässt sich die Geste auch auf Edge Sense legen, aber dazu später mehr. Was mir allerdings auch oft passiert ist, dass Screenshots einfach random ohne mein zutun erstellt werden. Der Sensor im Edge Sense erkennt also wohl irgendeine mir unbekannte Geste. Teilweise entstanden dadurch Screenshots schon beim entsperren des Geräts über den Fingerprint-Sensor. Der Fingerprint Sensor funktioniert allerdings einwandfrei und entsperrt das U12+ zuverlässig und schnell.

So ganz ausgereift ist die Sensorleiste anstelle der Physikalischen Tasten also noch nicht. Auch das haptische Feedback ist nicht so gut, wie man es von normalen Tasten kennt. Was Apple mit der Taptik Engine für den Sensor-Homebutton geschafft hat, hat HTC beim U12+ bislang nicht erreicht.

Edge Sense 2.0

Edge Sense ist HTCs Alleinstellungsmerkmal und soll für eine natürlichere, flüssigere Bedienung sorgen. Der Rahmen des HTC U12+ ist also wie beim U11 und U11+ Druckempfindlich, die Funktionen wurden allerdings gegenüber den älteren Modellen ausgeweitet. Dafür wurde auch neue Hardware verbaut, viele dieser Features werden also nicht per Update auf die alten Geräte kommen.

Neu ist beispielsweise, dass der Rahmen nicht nur Druckempfindlich ist, sondern auch einfache Berührungen erkennen kann. Dadurch sind natürlich ganz neue Funktionen möglich. Beispielsweise erkennt das U12+ wie ihr es gerade haltet und kann die Bildschirmausrichtung daran anpassen. Wer öfter mal im Liegen liest kennt das Problem sicher: Dreht ihr das Smartphone so, dass ihr bequem im Liegen drauf gucken könnt, dreht sich auch der Bildschirm um 90 Grad in die Landscape-Ansicht. Das U12+ verhindert dieses Verhalten, indem es erkennt, wie es gehalten wird. Haltet ihr es wie üblich zum Lesen in einer Hand, wird das Display nicht in den Landscape-Modus gedreht. Haltet ihr es hingegen mit zwei Händen, beispielsweise beim Spielen, wird der Bildschirm ebenfalls gedreht. Außerdem: Sofern ihr das Gerät in der Hand haltet wird das Display nicht automatisch gedimmt oder ausgeschaltet.

In der Praxis funktioniert das auch gut, abgesehen von den kleineren Aussetzern die ich schon bei der Haptik beschrieben hatte. Die neuen Sensoren bescheren dem Nutzer aber vor allem neue Möglichkeiten. So können nun auch per Doppeltipp auf das Gehäuse eine Aktion ausgelöst werden, oder es lassen sich Makros für Apps erstellen – das ist aber wohl eher ein Feature für Nerds. Die Makros arbeiten so, dass sie einen Druck aufs Display simulieren – es lassen sich also Aktionen innerhalb einer App per Edge Sense Geste auslösen, aber nur, wenn die gewünschte Aktion immer an der gleichen Stelle in der App liegt. Ein Beispiel: Um den Kamera-Modus von Foto auf Video zu ändern muss man links neben den Auslöser das jeweilige Symbol drücken. Dieser Druck lässt sich jetzt auch per Geste steuern, sodass ihr beispielsweise die Kamera über einen Langen Druck startet, dann zwei mal kurz drückt und schon wird auch der Modus gewechselt. Ganz nettes Gimmik und sicher wird es seine Nutzer finden, abgesehen vom ausprobieren hab ich sie allerdings nicht wirklich genutzt.

Ansonsten gibt es die üblichen zwei Gesten: Kurz drücken für Aktion A und gedrückt halten für Aktion B. Beides funktioniert auf Wunsch auch bei ausgeschaltetem Display. Allerdings wurden die unterstützten Apps erweitert, was mehr Aktionen ermöglicht.

Insgesamt ist Edge Sense damit nützlicher und vielseitiger als noch im U11(+), aber so richtig in meinen Alltag integriert es sich nicht. Um die Aktionen auszulösen muss ich immer erst umgreifen, sonst drücke ich auf den Powerbutton statt Edge Sense auszulösen. Auch ist die Bewegung für mich alles andere als natürlich. Das ist natürlich auch schlicht Gewöhnungssache und ich kenne auch genauso Nutzer des U11, die auf Edge Sense schwören und es nie wieder hergeben wollen. Probiert es daher am besten aus, ob es zu eurer Nutzung passt, ich konnte mich schlicht nicht daran gewöhnen.

Kamera

Heutzutage nach dem Display wohl der zweitwichtigste Aspekt eines Smartphones. Viele von euch nutzen sicher auch primär ihr Smartphone um die wichtigsten Momente festzuhalten. Selbst im Urlaub verzichten ja schon viele auf eine „Echte“ Kamera, um dann mit dem Smartphone alles festzuhalten. Das weiß natürlich auch HTC und hat dem U12+ daher nun auch wieder eine Dual Cam verpasst. Das Konzept von zwei Linsen, die gemeinsam ein Bild erstellen hat HTC ja bereits vor Jahren vorgestellt, dann aber mangels Erfolg eingestampft. Nun ist es wieder da und es soll einerseits gute Portraitaufnahmen ermöglichen, aber andererseits auch brauchbaren Zoom ermöglichen. Wie gut das mit dem Zoom im Smartphone funktionieren kann hat Huawei mit dem P20 Pro ja eindrucksvoll vorgemacht.

HTC setzt dafür auf insgesamt zwei Sensoren und zwei Optiken. Die Hauptkamera bietet mit einer 25mm Brennweite einen Standard-Weitwinkel mit einem 12 Megapixel Ultrapixel 4 Sensor dahinter. Die 1,4 μm großen Pixel sollen mehr Licht einfangen, als andere Sensoren mit kleineren Pixeln. Der zweite Sensor setzt auf 50mm Equivalent und damit einen „2-Fach-Zoom“ gegenüber der Hauptkamera. Der Sensor allerdings löst mit 16 Megapixeln auf und die Pixel selbst fallen mit 1 μm kleiner aus. Zudem ist die Optik nicht so lichtstark wie die des Hauptsensors – F1.75 stehen F2.6 gegenüber. Auch auf den OIS muss der Zweitsensor verzichten.

Der Hauptsensor kann, auch dank HDR Boost 2, durchaus überzeugen. Gerade in schwierigen Lichtverhältnissen kann das U12+ richtig punkten. Allen voran sei mal dieses Bild, entstanden auf der diesjährigen E3, gestellt.

Der Raum war nur sehr spärlich beleuchtet, eigentlich gab es bis auf die Beleuchtung der Bar selbst und dem Kragen des Models keine richtige Lichtquelle. Dennoch hält sich das Rauschen in Grenzen, das Neonlicht kommt richtig gut rüber und auch in dunklen Bereichen wie seiner Jacke sind noch viele Details erkennbar. Auch der Fokus saß auf Anhieb, was bei diesen schwierigen Lichtverhältnissen keine Selbstverständlichkeit ist. Um das ganze einzuordnen: Selbst meine Sony A7 II mit 55mm F1.8 ZEISS Objektiv hatte Schwierigkeiten, bei diesem Licht scharf zu stellen. Und klar: Man sieht rauschen, hier und da haben sich auch HDR-Artefakte eingestellt, aber unter diesen Bedingungen ist all das normal und absolut im Rahmen. Das Honor 10 von Andy, dessen Kamera auch schon ganz gut ist, hatte bei dem Licht keine Chance.

Auch sonst liefert die Kamera durchweg gute Ergebnisse. Der Dynamikumfang ist gut, der Fokus sitzt schnell und zuverlässig und im Pro-Modus lassen sich viele Einstellungen manuell regeln.

Was das U12+ allerdings noch nicht so drauf hat ist die Kamera App. Diese ist nicht nur beim Start oft sehr langsam, sondern viele Funktionen sind nur über ein Zusatzmenü erreichbar, das sich oben rechts befindet. Statt also wie bei den meisten Mitbewerbern einfach per Wischgeste zwischen den wichtigsten Modi herumzuschalten, muss man sich beim U12+ durch das Menü hangeln. Eher unpraktisch, wenn es schnell gehen soll. Aber ok, bis die Kamera App vollständig gestartet und einsatzbereit ist, sind die meisten zeitkritischen Motive eh schon vorbei. Was genau beim Start der App so lange dauert erklärt sich mir nicht ganz, denn einmal gestartet ist die Kamera super schnell und flüssig. Zudem ist die gesamte Performance des U12+ eigentlich so hoch, dass es diese Wartezeit nicht geben dürfte.

Der Zoom ist dann auch so ein Thema, das mich noch etwas unschlüssig zurück lässt. Die Zweitkamera für den „2-Fach“-Zoom ist gut genug, aber nicht überragend. Den fehlenden OIS kombiniert mit kleineren Pixeln und geringerer Lichtstärke merkt man hier sehr schnell wenn es dunkler wird. Wo die Hauptkamera noch sehr gute Arbeit leistet, kommt die Zweitkamera schon an ihre Grenzen. Erhöht man den Zoom über den Faktor 2 hinaus, wird es zusehends schlimmer. Bis hin zu 10x ist möglich, das dann natürlich rein digital und mittels Software optimiert. Selbst bei optimalen Lichtverhältnissen wird es hier aber schon schwierig, die Kamera noch ruhig zu halten und brauchbare Ergebnisse zu erzielen. Allerdings: Die Ergebnisse sind für einen reinen Digitalzoom durchaus in Ordnung. Wie viel die Software hier mittlerweile leisten kann zeigt ein direkter Vergleich zwischen einem einfach nur vergrößerten Foto und einem mit dem 10x Zoom aufgenommenen Foto.

Der Bokeh Modus ist dann eine Funktion, die dem einen oder anderen gefallen dürfte. Mittlerweile hat ja jedes Smartphones einen irgendwie gearteten Bokeh-Modus, also muss der auch beim U12+ zeigen, was er kann. Die Freistellung von Objekten vor dem Hintergrund klappt auch wirklich gut, selbst bei geringem Abstand zum Hintergrund. Außerdem ist der Übergang nicht so scharf wie bei vielen Konkurrenten, was dem Bild eine natürlichere Optik gibt. Es kommt schon nah an echtes Bokeh einer DSLR oder DSLM heran. Allerdings sieht man auch hier und da noch fehler, gerade bei filigranen Objekten. Aber das passiert im Moment noch allen Smartphones, das U12+ kann sich definitiv mit an die Spitze setzen.

Videos schießt das U12+ in bis zu 4K Auflösung bei 60FPS. Reduziert man die Auflösung auf Full HD sind sogar 240 FPS möglich. Dadurch ergibt sich ein großer kreativer Spielraum mit der Kamera, denn Aufnahmen in 240 FPS sind zeitlich nicht begrenzt – es können also auch ganze Videos damit aufgezeichnet werden. Auch können zwar segmente im Video dann in eine Slow Motion umgewandelt werden, es ist aber nicht zwingend vorgegeben wie bei anderen Herstellern. Ihr könnt also auch einfach ein 1080p240 Video aufnehmen und dann im Video-Editor eurer Wahl verwenden. Generell gibt es bei der Videoaufnahme keinen Grund zu meckern. Videos sind scharf, flüssig, haben knackige Farben und gerade Aufnahmen in 4K60FPS sind aktuell bei Android Smartphones eher noch Mangelware.

Gleiches gilt für die Audio-Aufnahmen bei den Videos. Der Ton ist klar und kann wie schon beim U11 durch Klarheit punkten. Selbst tiefen Bass können die insgesamt vier Mikrofone sauber aufzeichnen. MIt der Audio-Zoom Funktion kann auch nur Ton von Vorne gerichtet aufgenommen werden, sodass nervige Nebengeräusche von der Seite etwas gefiltert werden. Gerade bei Konzerten hilfreich, solltet ihr da wirklich filmen wollen.

Sound

HTC setzt seit dem One M7 auf Hi-Fi Sound mittels BoomSound Lautsprechern und hochwertigen DACs. Bislang waren vor allem die Lautsprecher dadurch besser als die Konkurrenz, im U12+ kann sich aber auch die Ausgabe an Kopfhörer hören lassen. Sofern man denn einen passenden USB-C Kopfhörer oder den nötigen Adapter besitzt. Bei meinem Gerät war kein Adapter im Lieferumfang enthalten, bei den Retail Geräten soll dem aber so sein.

Aber fangen wir bei den BoomSound HiFi Edition Lautsprechern an. Statt Stereo wie bei den früheren Modellen setzt man nun auf ein Hybrid-Setup wie die meisten Konkurrenten. Dennoch ist der Sound besser, als beispielsweise bei einem Huawei P20 Pro oder Samsungs Galaxy S9. Kleinere Räume lassen sich damit in normaler Zimmerlautstärke beschallen, ohne dass der Ton übersteuert oder ausfranst. Klar, Bass fehlt wie immer aufgrund des geringen Volumens und der kleinen Treiber, aber der Rest kommt klar und deutlich rüber. auch die Dynamik passt für ein Gerät dieser Größe und man hat nicht den permanenten Wunsch nach einem Bluetooth Speaker wie bei anderen Smartphones. Dreht man allerdings voll auf, hört man dass man das Limit der Treiber erreicht hat. Höhen fransen leicht aus und werden unsauber und schrill. Das sollte man also vermeiden – in der Regel muss man aber auch nicht voll aufdrehen.

Dann sind da noch HTCs USonic Kopfhörer, ebenfalls im Lieferumfang enthalten. In Kombination mit einem HTC U11, U11+ oder U12+ können diese USonic Kopfhörer eure Umgebung mittels ANC ausblenden und zudem über eine Ultraschallmessung eures Gehörgangs den Sound an euch anpassen. So zumindest HTCs Aussage. Erstmal zum Tragekomfort, denn der ist durchaus gut. Klar, Kabelgebundene Kopfhörer sind nicht für jeden was, ich find es aber ok. Die Kopfhörer sind angenehm leicht und passten bei mir gut ins Ohr. Auch sitzen sie weder zu fest, noch zu locker, sodass auch längeres Tragen kein Problem war. Klanglich sind sie in Ordnung, aber auch nach der Anpassung per Smartphone ist hier Luft nach oben. Der Bass ist zu dominant, höhen und mitten gehen dadurch ein wenig unter und gerade Vocals sind nicht so klar, wie sie sein sollten. ANC funktioniert soweit gut, im Alltag hatte ich es allerdings meistens deaktiviert, da es ton noch etwas flacher zog und lebloser wirkte. Auf einem Kurzen Flug wollte ich sie mit ANC nutzen, habe das aber wie schon beim U11 recht schnell ein lassen – das ANC ist zu aggressiv und sämtliche Tiefen verschwinden aus dem Klang und es bleiben nur noch höhen, die teilweise so stark in die Höhe gezogen wurden, dass es weh tat. Eine bessere Passive Dämpfung wäre hier wünschenswert gewesen.

Wer noch ein gutes Paar kabelgebundener Kopfhörer besitzt, kann das mittels Dongle ebenfalls anschließen. Der Adapter ist recht groß – klar, er beinhaltet ja auch einen DAC – und dadurch schon etwas störend. Dafür scheint das Zusammenspiel aus U12+ und Adapter deutlich besser zu sein als noch im U11. Selbst anspruchsvolle Kopfhörer wie meine Beyerdynamic DT1770 Pro mit 250 Ohm können von dem Gespann angetrieben werden, allerdings sehr zu lasten des Akkus. Klanglich ergibt das eine gute Kombination, die laut genug ist um damit auch an so hochomigen Kopfhörern unterwegs Musik zu hören. Bühne und Dynamic sind allerdings schon recht eingeschränkt und es fehlt das letzte bisschen Druck. Aber: Das ist schon meckern auf hohem Niveau. Wer nicht gerade audiophil veranlagt ist wird mit dem U12+ samt Adapter viel Spaß haben.

Software

Beinahe vergessen, dabei ist auch das ein sehr wichtiger Punkt. Auf dem U12+ läuft Android in Version 8.0 samt HTCs Edge UI. Die Edge UI bringt dabei den gewohnten Launcher samt Blickfeed mit und leider auch die gewohnte – und damit altbacken wirkende – Oberfläche über vielen Systemelementen wie den Einstellungen. Ein richtiger Fan der Oberfläche von HTC war ich noch nie, aber das ist natürlich Geschmackssache. Die Einstellungen wirken teilweise etwas unstrukturiert und man braucht eine Weile, sich zurecht zu finden.  Immerhin: Dank der brachialen Leistung des Snapdragon 845 läuft das System trotz all der Anpassungen durch HTC Sense immer angenehm flüssig.

Auch ist da ein Punkt, der in Android 8.0 sehr, sehr nervig ist: Die ständigen Notifications, dass App XY gerade konstant Strom verbraucht. Danke Android, ich weiß dass Spotify, wenn ich Musik höre, im Hintergrund läuft. Das ist nicht HTCs schuld, denn diese Notifications stammen direkt von Android selbst. Was HTC allerdings dagegen hätte tun können: Android 8.1 installieren. Da wurde diese Benachrichtigung soweit abgeändert, dass sie deutlich seltener aufpoppt.

HTC betont allerdings oft das Dual-Partition Setup, das in Kombination mit Googles Project Treble für schnellere und nahtlose Systemupdates sorgen soll. Dadurch ist es beispielsweise möglich, ein Systemupdate unbemerkt im Hintergrund zu installieren, sodass man am Ende nur das Gerät einmal neu gestartet werden muss und schon ist das Update erledigt. Klingt erstmal wenig spannend, macht das ganze Update-Verfahren aber weit weniger störend und vor allem schneller. Wie gut das ganze funktioniert kann ich allerdings nicht beurteilen, da im Testzeitraum kein Update erschienen ist. Was schade ist, da das System aktuell noch auf dem Security-Patch-Stand von März 2018 ist.

Dann ist da noch der Blinkfeed. Wie zuvor bezieht er einen großteil seiner Anzeigen über News Republic und dieser großteil ist, gelinde gesagt, Müll. Nachdem ich meine Vorlieben – allen voran Technik und aktuelle Politik – hinterlegt hatte, wurde ich mit Yellowpress, Promi-Klatsch und BILD-„Artikeln“ zugemüllt. Dazwischen waren hin und wieder Artikel die ganz interessant klangen, aber nunja. Eigene Quellen lassen sich auch hinzufügen, damit wird es dann schon spannender. Ich denke hier dürfte aber Googles Lösung, basierend auf eurer Browser-Historie etc., auf lange Sicht bessere Ergebnisse liefern, als die News Republic Integration.

Praktisches Feature von HTC: Die Navigationsleiste kann mit einem wisch nach Links einfach erweitert werden, sodass ihr statt zurück, Home und Multitasking die Funktionen Bildschirmaufnahme, Screenshot, Notification Center und Bildschirm ausschalten angezeigt bekommt. Praktisch, um diese Funktionen ohne zweite Hand oder umgreifen zu erreichen. Die Leiste kann auch angepasst werden, zumindest ein wenig, so lassen sich alternativ auch die Benachrichtigungen anzeigen oder der Einhandmodus aktivieren.  Auch die Schnelleinstellungen im Notification Center lassen sich natürlich anpassen.

Akku

Die Achillesverse vieler Smartphones. In den ersten Tagen war ich ziemlich frustriert von der Laufzeit des U12+. Der 3500mAh Akku hat mich anfangs schon mittags im Stich gelassen – an einem normalen Arbeitstag. Keine Glanzleistung. Aber ohne weiteres Zutun hat sich die Laufzeit dann doch noch normalisiert und mittlerweile komme ich gut über den Tag, auch bei stärkerer Nutzung. Mit einem Huawei P20 Pro kann es in dieser Disziplin zwar nicht mithalten, aber die Akkulaufzeit ist definitiv in Ordnung und wer kein absoluter Heavy-User ist, sollte keine Probleme mit dem Akku des HTC U12+ bekommen. Mal von den kurzen Startschwierigkeiten abgesehen.

Gefüllt ist der Akku dann dank Quick Charge 3.0 Netzteil auch sehr schnell. Wem das immer noch zu lange dauert, der kann sich auch ein Quick Charge 4.0 Netzteil zulegen um den Ladevorgang noch weiter zu beschleunigen.

Fazit

Insgesamt bin ich noch ziemlich unschlüssig. Technisch, optisch und auch haptisch macht das U12+ eine gute Figur, auch die Kamera kann überzeugen. Aber die neuen Sensortasten und generell die noch etwas unfertig wirkende Software machen leider auch vieles kaputt. Dazu kommt der derzeit noch recht alte Software-Stand ohne das 8.1 Update. Wie es mit weiteren Android Updates aussieht wurde bisher auch nicht kommuniziert – nur dass es auch Android P bekommen soll. Einen Zeitplan gibt es momentan noch nicht.

Die Software ist tatsächlich die größte Schwachstelle im System. Fast alles braucht noch etwas Feinschliff – sei es das nicht immer korrekt reagierende Edge Sense, die manchmal überempfindlichen oder zu unempfindlichen Sensortasten, die langsam startende Kamera oder der die recht altbacken wirkende Einstellungsübersicht. Die Punkte summieren sich und stören den Frieden auf Dauer doch ganz schön.

Ich würde euch das HTC U12+ eigentlich gerne empfehlen, denn die Leistung ist top, es läuft unglaublich flüssig und kein Spiel stellt ein Problem dar. Die Akkulaufzeit ist gut, das Display gefällt, die Verarbeitung und Haptik ist eigentlich auch top – wären da nicht die Sensortasten. Die machen leider vieles kaputt. Bis HTC dieses Problem in den Griff bekommen hat gibt es daher nur eine eingeschränkte Empfehlung.

Torsten Schmitt (Pixelaffe)

Geboren 1976 im schönen Schwetzingen und nicht weggekommen. Ich habe somit den Aufstieg des Internet miterlebt und beruflich auch vorangetrieben. Hier schreibe ich über all die Technologien die mir auf meiner Reise durch das "Neuland" auffallen. Wenn ihr mir was für einen Kaffee oder neue Gadgets zukommen lassen wollt, könnt ihr das gerne über www.paypal.me/pixelaffe tun

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