KinoKritiken

Filmkritik zu „One Battle After Another“ – DiCaprio startet die Revolution im Bademantel

Bundesweiter Kinostart: 25. September 2025

Paul Thomas Anderson zählt seit Jahrzehnten zu den wichtigsten Autorenfilmern des US-Kinos. Mit Werken wie „Boogie Nights“, „There Will Be Blood“ oder „Licorice Pizza“ hat er bewiesen, dass er von opulenten Ensemble-Stücken bis hin zu intimen Charakterdramen unterschiedliche Register beherrscht. Nun legt er mit „One Battle After Another“ einen Film vor, der stärker den Regeln eines Thrillers folgt und dabei zugleich seine Vorliebe für komplexe Figurenporträts beibehält. Statt die Erzählung zu verzweigen, bleibt er diesmal eng an einer Hauptfigur und deren innerer Zerrissenheit. Damit unterscheidet sich das Werk formal und inhaltlich von Andersons früheren, oft episodenhaft angelegten Arbeiten. Die zentrale Frage ist, ob diese Konzentration dem Film zusätzliche Schärfe verleiht oder ihm zugleich jene Vielschichtigkeit nimmt, die Andersons Handschrift sonst auszeichnet.

Im Zentrum steht Bob Ferguson (Leonardo DiCaprio), der nach Jahren im politischen Untergrund versucht, ein neues Leben aufzubauen. Sein Hang zu Alkohol und Marihuana hindern hin jedoch an der vollständigen Auslastung. Nun holen ihn jedoch alte Konflikte ein, als eine Bedrohung aus seiner Vergangenheit zurückkehrt – in Form von Colonial Steven J. Lockjaw (Sean Penn). Der Film entwickelt daraus eine stringente, halbwegs lineare Geschichte, die weniger auf überraschende Wendungen setzt, sondern auf die innere Spannung zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Anders als in „Magnolia“ oder „Inherent Vice“ verzichtet Anderson hier weitgehend auf Nebenplots, stattdessen verfolgt er konsequent die Perspektive seiner Hauptfigur.

Leonardo DiCaprio verkörpert ebenjenen unrasierten Revoluzzer und legt sie als jüngerer „Dude“ aus Coens „Big Lebowski“ an – inklusive offenem Bademantel. Ihm zur Seite steht ein Cast, das Anderson gewohnt präzise einsetzt: Sean Penn als armselige aber fies geschriebene Drecksau bringt die Wut des Publkums gegen ihn auf, während die noch weitesgehend unbekannte Chase Infinite als Tochter Willa jene Mischung aus Empathie und Distanz einbringt, die Andersons Filme in Summe oft prägt. Konträr legt hingegen Teyana Taylor ihre Rolle der Mutter und Anführerin Perfidia der Gruppierung „French 75“ an, die so spielt als wäre sie ein wilder, kühler Mix aus Ulrike Meinhof und Sarah Connor (Terminator 2). Bemerkenswert ist, wie zurückgenommen der Cast insgesamt agiert – statt großer Gesten dominieren kleine, kontrollierte Momente, ähnlich wie bereits in „Der seidene Faden“.

Anderson nutzt die Grundidee eines Polit-Thrillers, um einmal mehr Themen wie diktaturische Strömungen, (Ohn)Macht und Loyalität abzuklopfen. Dabei bleibt die Dramaturgie weitgehend klassisch: Ein klares Ziel, ein enger Fokus, kaum Abschweifungen. Der Vergleich mit „The Master“ drängt sich auf, wo ebenfalls zwei Figuren im Zentrum einer ideologischen Konfrontation stehen – doch während dort die Dynamik aus Dialogduellen entstand, setzt Anderson hier stärker auf die äußere Handlung und eine direkte Auseinandersetzung. Dies wird deutlich am Ku-Klux-Klan ähnlichen Elitenverein namentlich „Christmas Adventurers Club“ – die Einerseits vom irren Konzept der White Supremacy geleitet werden, aber der Altherrenverein cineastisch betrachter nicht so frisch wirkt, wie es Anderson geplant hatte. Solche Kabalen wurden häufiger in der Filmhistorie porträtiert. Die flotten Szenenwechsel verleihen dem Film überraschend gelungenes Tempo, nimmt ihm aber bisweilen die Ambivalenz, für die der Regisseur sonst bekannt ist. Weg von langen Einstellungen – hin zum Mainstream-freundlichen Szenarium.

Schmierige Nüchternheit

Die Kameraarbeit von Michael Bauman zeichnet sich durch eine Fülle an verschiedenen experimentellen Blickwinkeln ab. Neben klassisichen Dialogmomenten, spielt Bauman mit unterschiedlichen Distanzen oder klemmt die Kamera frech an die Innenseite der Autotür, es wird nahezu nichts an Möglichkeiten ausgelassen. Im Gegensatz zu „There Will Be Blood“, das mit ikonischen Tableaus arbeitete, setzt „One Battle After Another“ auf Nüchternheit: Schmierige Räume, karge Landschaften und hochpolierte Innenräume mit menschlichen Abgründen dominieren. Positiv hebt sich die gekonnt von Benicio del Toro gespielte Figur ab – genauso wie Bob gehört dieser einer linken Vereinigung an, wirkt jedoch deutlich organisierter und hilft Bob sogar aus seiner höchst misslichen Lage ohne verlangte Gegenleistung. Der Soundtrack von Jonny Greenwood bleibt dank seiner kuratierten Klavierklänge zurückhaltend und arbeitet eher atmosphärisch als leitmotivisch. Diese Reduktion ist bis zum Finale konsequent, erzeugt aber eine Distanz, die das Drama eher intellektuell als emotional greifbar macht.

Mit „One Battle After Another“ wählt Anderson einen weniger ausschweifenden, dafür stringenteren Zugang zu seiner Thematik. In der Meta-Ebenen werden jedoch zu viele Fässer aufgemacht. Wer seine Filme vor allem für ihre Überfülle an Figuren, Symbolen und Assoziationen schätzt, könnte diese Konzentration als Einschränkung empfinden. Zugleich zeigt sich, dass Anderson auch im engeren Korsett des Thrillers seine Fähigkeit bewahrt, Figuren präzise und nuanciert zu inszenieren. Die stattliche Laufzeit von 165 Minuten fällt dagegen kaum auf – wenngleich ruhige Passagen hier spürbarer auffallen. PTA markiert damit eine interessante Verschiebung in seinem Schaffen: Weniger monumental, aber nicht minder sorgfältig konstruiert.

One Battle After Another. USA 2025. Verleih: Warner Bros. Regie: Paul Thomas Anderson. Mit Donald Glover, Beyoncé, James Earl Jones. Genre: Drama / Thriller. 165 Minuten. FSK: Ab 16 Jahren.

Gibt es eine Post-Credit-Szene? = Nein.

Disclaimer: Kinotickets für „One Battle After Another“ gibt es hier.

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Benny Illgner

Nachname hielt schon Fußbälle auf. Ich bisher nur virtuell. Sitzt seit 2005 in Digitalien fest und wartet auf den Pannendienst. Steht in fester Beziehung mit Twitter und Instagram. Schreibt Gags fürs Netz und Fernsehen. Nimmt gedeckte Schecks und Pizza gerne auf Twitter unter @IamIllgner an.

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