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Filmkritik zu „Barbie“ – Flucht aus der zuckersüßen Traumwelt

Indie-Ikone Greta Gerwig zelebriert in „Barbie“ eine bitterböse Satire rund um falsch verstandenen Feminismus und dem allgegenwärtigen Patriarchat im zuckersüß pinken Gewand. Hauptdarstellerin Margot Robbie brilliert als herrliche Persiflage während Ryan Gosling hier womöglich die beste Performance seiner bisherigen Karriere abliefert. Unsere Kritik zum „Barbie“-Film.

Barbie und Oppenheimer. Pinke Spielzeugpuppe gegen den Vater der Atombombe. Was für ein Duell an den Kinokassen. Gar sportlich im Tennis macht entweder die eine pinke Seite den Punkt oder die andere Seite. Selbst Tom Cruise, der unlängst mit dem adrenalingerüttelten „Mission Impossible: Dead Reckoning Teil Eins startete, gab eine Empfehlung sich doch beide Filme anzuschauen, vielleicht doch mit zeitlichem Abstand. Aber was ist „Barbie“ eigentlich für eine Art von Film? Vordergründig täuscht die pinke, zuckersüße Optik samt FSK 6-Freigabe einen reinen Kinderfilm vor aber ein paar Schichten darunter entpuppt sich die Komödie als bittere Abrechnung mit der, nicht nur in Machtpositionen, durchsetzten männlich geführten Welt. Dazu gesellen sich noch ein paar pointierte Spitzen gegen den Puppen-Konzern „Mattel“, der erstaunlich mies im eigenen lizensierten Film wegkommt, aber solange Will Ferrell einmal mehr gepflegt durchdrehen darf, ist alles in Ordnung. Zudem ist der exakte Starttag von Barbie mit Oppenheimer eine bewusste Provokation seitens Warner Bros. da Nolan wegen Streitigkeiten zu Universal wechselte. Ohnehin beflügelte die Memekultur von „Barbenheimer“ die Ticketzahlen nochmals.

Pink, pink und nochmals Pink in nahezu allen Formen und Stilrichtungen gab es das zu den ersten offiziellen Previews am vergangenen Mittwoch in hiesigen Multiplex-Häusern zu bestaunen. Der lange vorbereitete Hype von Warner Bros. ging tatsächlich auf. Einerseits ist es wieder wunderbar in großer Zahl im Kinosaal einen Film zu schauen, während es natürlich irgendso schade ist, dass heutzutage nicht nur ein gutes Werk ohne heißlaufende PR-Maschinerie für die Massen ausreicht. Becher, pinkes Popcorn, Brillen – so weit das Auge reicht. In „Barbie“ spielt Margot Robbie die titelgebende stereotypische Figur und lebt glücklich im Barbieland. Mit vielen anderen Barbie’s. Nämlich Doktor-, Journalistin-, Präsidentin-, und so ziemlich allen Variationen von Mattel’s Schöpfung. Doch plötzlich plagen die stereotypische Puppe Todesgedanken, Orangenhaut, schwebt nicht und ihr Fuß hat auch keine High-Heels Form mehr. Die von allen genannte „Komische Barbie“ weiß Rat: Sie muss in die Echte Welt und das Mädchen finden, die mit ihr spielt. Ken (Ryan Gosling) reist mit und entdeckt währenddessen das Konzept „Patriarchat“ für sich – Ärger ist also vorprogrammiert. Ihr merkt es sicherlich schon, schlussendlich hat „Barbie“ mehr Story-Ebenen als Christopher Nolans „Inception“. Neben vielen gelungenen Gags, welche teilweise derartig rotzig böse sind, dass es fast schon wundert sie im fertigen Film zu sehen machen die Drehbuchautor:innen Greta Gerwig und Noah Baumbach das Beste aus dem Stoff.

Barbie Collector's Guide
  • Easton, Marilyn(Autor)

Sie versetzen die Geschichte mit Motiven von Frankensteins Monster, Feminismus und falsch verstandener Liebe vermischen es mit der allzu menschlichen unerträglichen Leichtigkeit des Seins. Margot Robbie ist ohnehin die einzige Schauspielerin, die einerseits die Optik der Vorlage erstaunlich perfekt nahekommt und andererseits so viel Eigenständigkeit um ganz ohne Make-Up verheult sprichwörtlich und tatsächlich am Boden zu liegen. Dagegen ist Ryan Gosling als „Ken“ vielleicht nur „Ken“ aber holt alles aus dieser simpel gestrickten Rolle heraus. Egal, ob in absurd lustigen Szenen oder gegen Ende in pompöser Musical-Einlage schwebt mit ihm unweigerlich eine grandiose Aura mit. Dies trifft ebenso auf Kate McKinnon zu, welche als brutal gespielte Barbie-Puppe den merkwürdigen aber charmanten Part des Films übernimmt. Zumal die „Matrix“-Referenz aus High-Heel und Birkenstock-Sandale zu wählen selbstredend grandios ist. Will Ferrell darf einmal mehr konsequent durchdrehen und nervt leider mit seiner Darstellung zunehmend, gerade weil er doch aus der „Echten Welt“ stammt und eigentlich etwas ernsthafter sein sollte. Excellent hingegen ist America Ferrera als Normalste Figur im Film, in dem Sie einen für zwei Minuten einen fantastischen Monolog über die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft spricht, das selbst männlichen Zuschauern ordentlich zu denken gibt. Die poppige Musik verantwortend von Mark Ronson passt sich bestens dem Geschehen an. Lobend zu erwähnen ist noch die Stimme von Helen Mirren, die zwar nur aus dem Off erklingt aber dank bissiger Kommentare im Gedächtnis bleibt. Die Optik ist bunt, während die Kamera konventionell bis hektisch arbeitet. „Barbie“ ist in diesem Sommer dank seiner unterschwellig harten Kritik an patriarchalischen System ein klares Highlight und wird nicht nur im weltweiten Box-Office seine Spuren hinterlassen.

Barbie. USA 2023. Verleih: Warner Bros. Regie: Greta Gerwig. Mit Margot Robbie, Ryan Gosling, America Ferrera. 115 Minuten. FSK: Ab 6 Jahren.

Gibt es eine Post-Credit-Szene? = Nein.

Vielen Dank an CinemaxX für die freundliche Bereitstellung des Tickets. Kinotickets für „Barbie“ gibt es hier.

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Benny Illgner

Nachname hielt schon Fußbälle auf. Ich bisher nur virtuell. Sitzt seit 2005 in Digitalien fest und wartet auf den Pannendienst. Steht in fester Beziehung mit Twitter und Instagram. Schreibt Gags fürs Netz und Fernsehen. Nimmt gedeckte Schecks und Pizza gerne auf Twitter unter @IamIllgner an.

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