Dying Light 2 im großen TEST – Apokalypse mit Akrobatik
Dying Light 2 möchte mehr als sein indizierter Vorgänger auf eine dramatische Handlung innerhalb einer von blutverschmierten Zombies eroberten Welt setzen, was im Gesamtbild sogar gelingt. Der eigentliche Star bleibt natürlich das herrlich temporeiche Runner-Gameplay über Dächer, Laternen und sogar die Luft ist längst kein Limit mehr. Unsere Review zur Horroraction von Techland.
Garstige Geräusche ziehen über den Straßenzug. Die Mischung aus enthemmt entfernten Schreien, unheilvolles Gestöhne samt eklig schmatzenden Lauten aus Seitengassen macht einem sofort klar – hier ist es keinesfalls sicher. Vielleicht, so die kühne These, leben ein Großteil der verbliebenden Überlebenden hinter hohen Zäunen oder auf knackig grün gepflanzten Dächern deren Ernte aus Kartoffeln, Salat oder Kamille ihr Überleben sichert. Das Studio Techland hatte mit dem indizierten Erstling von „Dying Light 2“ nicht weniger als blutig-unterhaltsame Action im mediteranen Gewand abgeliefert. Vom damalig leider unterschätzten „Mirror’s Edge“ inspiriert erlebte man aus der Ego-Perspektive von Agent Kyle Crane die fiktive türkische Metropole „Harran“ als sich flott spielendes Horror-Adventure. Ohne groß durch eine vielschichtige Storyline belästigt zu werden, ging es meist darum Botengänge zu erledigen. Inmitten von schnell beißenden Zombies. Dank sonnendurchfluteter Tage und tatsächlich finsteren Nächten hebte sich das Abenteuer spürlich von bekannten Genrevertretern ab. Aufgrund explizierter Gewaltdarstellung erschien es bis dato nicht offiziell in Deutschland.
Doch sechs Jahre später sollte alles besser werden. Laut Mitarbeitern herrschte längere Zeit über „vergiftete Arbeitsatmosphäre, unklare Vorgaben und spontane Richtungswechsel“ wobei gerade Letztgenanntes innerhalb des Spiels sogar recht deutlich wird. Hierzulande kamen schnell Ängste wegen der hiesigen USK auf – während der Erstling niemals das Ladenlicht erblickte, kündigte Entwickler Techland eine enge Zusammenarbeit mit der Behörde zwecks Freigabe an. Half leider nichts. „Dying Light 2“ kam nur geschnitten durch die Prüfung. Zumindest für Konsolenspieler, Steam-Käufer erhalten trotz deutschem Account die Ungut-Fassung. Entfernt wurden u.a. das Abtrennen von Gliedmaßen menschlichen Feinden sowie das Töten von sämtlichen NPC’s. Nun denn, Kürzungen inhaltlicher Natur gibt es nicht.
Um was geht es eigentlich?
Womit wir an der Storyline von „Dying Light 2 – Stay Human“ angelangt wären. Die Geschehnisse sind rund 30 Jahren nach Ende des Erstlings angelegt. Der neue Hauptfigur heißt Aiden und verdingt sich vollends postapokalyptischen Welt als sogenannter Pilger – sie reisen von Ort zuOrt übernehmen größere Botengänge und schützen die Schwachen. Seine Motivation ist jedoch das Auffinden seiner jüngeren Schwester Mia. Beide wurden als Kinder von einem gewissen Dr. Waltz in üblen Experimenten gefoltert. Erste Hinweise führen ihn nach Villedor, eine der letzten großen Zufluchtsorte der Menschen, dort tobt aber ein zerstrittener Bandenkrieg zwischen den militärischen Peacekeepern sowie den Überlebenden. Waltz scheint ebenso im Hintergrund seine Finger im Spiel zu haben. Eines ist sicher: Die größte Gefahr geht nicht von den wandelnden Untoten aus. Die Entwickler:innen hielten ihr Versprechen den Fokus auf eine tiefere, dramatischere Geschichte zu legen. Aiden gerät oftmals zwischen die Fronten der rivalisierenden Clans, beweist aber durch Sympathie nicht jeden Konflikt direkt eskalieren zu lassen. Störend ist das anfängliche Umherdümpeln der Storyline, erst ab Mitte ziehen die Autoren den Spannungsbogen an. Durch die Dialogoption wirken eingeführte Figuren nicht ganz oberflächlich. Hollywood-Schauspielerin Rosario Dawson mimt recht amüsant die kratzbürstige Scharfschützin Levon. Positiv im Test sind uns jene verpflichtende Entscheidungen aufgefallen – regelmäßig muss Aiden aus zwei moralischen Richtungen auswählen, wie er die Welt beeinflusst. Das geht von Ansprüchen von Wassertürmen, über Windräder bis zur Rettung bestimmter Nebenfiguren. Diese Funktion peppt das Präsentation wirklich auf.
Das ohnehin temporeiche Gameplay bekam eine merkliche Auffrischung verpasst. Im Vergleich zu Kyle Crane (Hauptfigur von Teil 1) rennt, schwingt und springt Aiden teils noch agiler über die Dächer von Villedor. Zu breite Häuserschluchten beenden den Flow leider meist. Schließen wir Quests ab oder bestreiten Kämpfe verdient man Parkour- und Kampfpunkte, die in Skillpunkte gipfeln, mit welchen im obligatorischen Upgradebaum frische Fähigkeiten freischaltbar sind. Neben klassischen Skills wie Sprintsprünge, Luftattacken gefielen uns Hinternisse als Sprungplattformen zu nutzen oder brachialere Schläge gegen sämtliche Gegner auszuteilen, sehr. Zweifellos macht es große Freude durch die zombieverseuchte Welt in Windeseile zu laufen und nebenbei auf alte GRE-Verstecke, Wohnungen oder Hemmstoffbehälter zu stoßen. Ach…ganz verstecken – beginnend wird Aiden wird von einem Infizierten angeknabbert und braucht UV-Licht in dunklen Umgebungen um nicht zu verwandeln. Interessante Komponenten, wenn man bedenkt, dass Techland die übermächtigen Schattenjäger entfernt und in Dying Light 2 eher helle Vollmondnächte Trumpf sind. Leider drosselte man zudem die Intensität aller Kämpfe gegen Zombies. Längst nicht mehr so aggressiv übergriffig wie im Erstling, schlurfen sie größtenteils nur noch vereinzelt durch Gassen, was jedoch nicht bedeutet als Gruppe keine Gefahr darzustellen.
Verursacht Aiden durch laute Explosionen springen ein paar Sekunden später spezielle Infizierten herbei, die entweder toxischen Schleim spucken oder Schlägen ausweichen. Enttäuschen verlaufen oftmals Bosskämpfe gegen übergroße Infizierte namentlich „Unholde“. Träge aber starke Schläge zeichnen ihren Kampfstil aus. Sollte es uns mal dahinraffen – sind die gesetzten Safepoints fair verteilt. Der spielerische Alltag besteht also größtenteils aus teils unmotiverenden Looten zum Craften von Med-Kits und Wurfmessern, Problemlösungen verfeindeter Gruppierungen sowie agil per Parkour an infizierten Gestalten vorbeilaufen. Das macht Spaß reicht aber nicht durchweg für die rund 20 stündige Hauptstory. Manchmal wurden wir das Gefühl nicht los, dass die Entwickler:innen absichtlich einige Aufträge in die Länge zogen, um die Spielzeit zu verlängern. Stichwort: Richtungswechsel.
- Die Auswirkungen Deiner Entscheidungen haben große Auswirkungen auf ganze Regionen der Stadt
- Auf Deinem Weg zu einer Person mit großer Macht, stehen Dir alle Wege offen
- Hoste Deine eigenen Spiele oder trete anderen Spielern bei und finde heraus, wie sich Deine Entscheidungen auf ihre Welt ausgewirkt haben
Technisch verläuft Aiden’s Suche leider nicht ganz reibungslos. Kurz vor Release gab es nicht schaltende Questmarker während Angreifer durch Wände clippten und die eher bescheidene deutsche Lokalisierung sogar falsch übersetzt bzw. Tonfetzen fehlten. Einige Wochen nach Release sind die ärgsten Baustellen beseitigt, wenn gleich es trotzdem Framerate-Drops im grafisch anspruchslosesten Modus gibt. In inszenierten Quest-Missionen vertuscht Dying Light 2 durch gut gesetzte Momente seine verstaubte Grafikengine. Hier mal der strahlende Sonnenuntergang auf dem Dach, dann ein neonerleuchtetes Großstadtpanorama – macht was her. Dennoch trifft man zumeist auf matschige Texturen, unscharfe Objekte oder im schlimmsten Falle Tearing. Zerstört es die Präsentation? Eher nicht. Ist es ärgerlich? Ja, weil die Entwicklungszeit zur Beseitigung ausgereicht hätte. Zudem wirft die Taschenlampe bis heute noch immer keine Schatten – was in Teil 1 kurioserweise keine Schwierigkeit war.
Unser Fazit zu „Dying Light 2 – Stay Human“
Beinahe jede halbe Stunde merkt man „Dying Light 2“ das ursprüngliche Potenzial an, wie gut und vielleicht Maßstäbe setztend es hätte werden können. Braucht die Story einige Spielstunden um sich in Sachen Spannung einzugrooven, ist zumindest das Parkour-Gameplay so befriedigend um nicht davor den Controller entfernt in die Ecke zu pfeffern. Die Atmosphäre im undurchsichtigen Örtchen Villedor entwickelt leichte „The Walking Dead“-Vibes, wobei der osteuropäisch angehauchte Stil frische Akzente für das Open World-Genre einbringt. Technisch auf Mittelmaß gibt es trotzdem schöne grafische Momente aufgrund der schön eingefangenen Umwelt zu bewundern. Leider bleibt der Hauptheld und seine Geschichte zu blass, um Spieler emotional zu packen. Für Solisten und Fans des Erstlings ist der Trip dennoch einen Blick wert.
Entwickler: Techland | Preis: 69,99 Euro | Für PlayStation 4|5, Xbox One|Series und PC | USK: ab 18
Dying Light 2 - Stay Human (PlayStation 5)
Spielspaß - 84%
Gameplay - 77%
Grafik - 73%
Technik - 76%
78%
Für Fans.
Sporadisch packende Einzelgänger-Story inmitten von Zombies, deren flach gezeichnete Figuren nur durch das temporeiche Gameplay, an Aufwind gewinnt.
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