NetzwerkTestberichte

Netgear Orbi Mesh System im Test – WLAN überall(?)

WLAN Mesh Systeme sind gerade der heiße Scheiss auf dem Markt – Google, Netgear, AVM, Asus, TP-Link… Alles was einen Namen hat, hat mittlerweile mindestens ein Mesh System in der Pipeline oder schon auf dem Markt. Netgear hat gleich mehrere Systeme parat, eines davon habe ich mir mal näher angesehen. Das Netgear Orbi AC2200 (RBK40) ist dabei das mittlere System aus einem Lineup mit insgesamt drei Ausführungen.

Die technischen Daten des RBK40 einmal in aller Kürze:

  • WLAN Standard(s): 802.11ac, 802.11n, 802.11a, 802.11b/g,
  • WLAN Übertragungsraten:
    • Gesamtdatenrate: bis zu 2.200 Mbit/s
    • Datenrate 2.4 GHz: bis zu 400 Mbit/s
    • Datenrate 5 GHz: 2x bis zu 866 Mbit/s
  • Reichweite: bis zu 250 m²
  • WLAN Technologie: WLAN Mesh
  • Verschlüsselung: WPA/WPA2, WPA-PSK/WPA2-PSK
  • Anschlüsse Gesamt: 7x Gbit LAN, 1x Gbit WAN
    • Davon am Router: 3x Gbit LAN, 1x Gbit WAN
    • Davon am Satelliten: 4x Gbit LAN

Neben dem RBK40 gibt es noch das RBK30 und RBK50. Beim günstigeren RBK30 ist der gleiche Router (RBS40) wie im RBK40 Set enthalten, lediglich die Satelliten unterscheiden sich und bieten etwas weniger Reichweite. Im RBK50 ist dann auch der Router ein anderer und das System liefert neben höherer Reichweite auch eine gesteigerte Gesamt-Bandbreite von bis zu 3.000 MBit/s – derzeit das einzige Mesh System mit einer so hohen theoretischen Bandbreite.

Auf den ersten Blick denkt man hier zunächst an ein klassisches WLAN-Netzwerk, das eben aus einem Router und einem Satelliten besteht. Ganz so einfach ist das allerdings nicht. Während bei einem Router-Repeater Setup der Repeater lediglich das vorhandene Signal aufgreift und selbst erneut aussendet, arbeiten im Mesh Netzwerk alle Komponenten direkt zusammen.

Durch diese Zusammenarbeit der Komponenten ergeben sich viele Vorteile: Eine homogenere Abdeckung, höhere Datenraten, bessere Lastverteilung und eine stabilere Verbindung bei mobilen Endgeräten. In aller Kürze: Das Mesh Netzwerk übernimmt dabei nahezu alle Aufgaben vom einfachen Netzwerkaufbau bis hin zur Aushandlung, welches Gerät sich mit welchem Meshpoint verbindet. Normalerweise entscheidet das Endgerät selbst, was langsame und nicht immer zuverlässige Netzwechsel zur Folge hat. Auch entscheidet das Mesh Netzwerk, über welchen Standard das Endgerät sich verbindet, um die Last gleichmäßig zu verteilen.

Ein weiterer Vorteil ist, dass Router und Satellit hier direkt miteinander kommunizieren, der sogenannte Backhaul. Es besteht also ein separater Kanal zwischen den beiden Geräten, der nur dazu dient, die Daten intern weiter zu geben. Darüber läuft auch die QoS, die dafür sorgt, dass wichtige Daten höher priorisiert werden. So werden beispielsweise Live-TV-Inhalte höher priorisiert als der einfache Webseiten-Aufruf, damit es beim Streaming nicht zu Unterbrechungen kommt.

Für die Endgeräte stehen pro Router und Satellit bis zu zwei weitere Kanäle zur Verfügung.

In der Theorie bedeutet das, dass das System Lastintensive Anwendungen und Geräte auf die schnellen 5GHz Kanäle legen kann, während unkritischere Geräte – beispielsweise ein lediglich auf Facebook stöberndes Smartphone – auf das 2,4GHz Band ausgelagert werden kann. All das passiert im Hintergrund, ohne das der Nutzer eingreifen muss.

Soweit die Theorie und das Versprechen von Netgear, schauen wir uns nun an, wie das Ganze in der Praxis funktioniert. Aufgebaut habe ich das System in meiner Wohnung – rund 120m² plus Terrasse wollen mit WLAN versorgt werden. Bislang hat das eine Fritz!Box 7490 übernommen, für den Test wurde deren WLAN aber komplett deaktiviert. Das sich die Wohnung über zwei Etagen verteilt, die Fritz!Box dabei in der oberen steht, gab es gerade in der unteren öfter mal Probleme mit dem Empfang. Während die Abdeckung im Schlafzimmer noch ok war, herrschte in Küche und Bad oft schon Funkstille. Gleiches trifft auf die Terrasse zu. Hier war das Problem aber vor allem, dass unser Netzwerk durch benachbarte WLAN-Netzwerke gestört wird. Ich war daher skeptisch, ob das Netgear Orbi System all diese „Problemzonen“ auf einmal lösen kann. Zumal es sich „nur“ um ein System mit zwei Komponenten handelt, während die Konkurrenz meist auf drei Satelliten bzw. Meshpoints setzt.

Installation

Zu Anfang steht wie immer die Einrichtung. Die ist denkbar einfach: Alles auspacken, LAN Kabel an den Router, Strom an Router und Satellit, App installieren, Anweisungen folgen. Wirklich viel zu erzählen gibt es daher eigentlich auch schon nicht. Die Wahl der Standorte ist wohl die größte Hürde bei der Einrichtung, denn alles andere übernimmt die Netgear Orbi App Schritt für Schritt. Wer will kann aber auch den PC oder das Notebook nutzen und die Einrichtung per Browser durchführen. Da ich die App eh testen wollte, habe ich mich für diesen Weg entschieden. Alle nötigen Kabel sind natürlich im Lieferumfang enthalten.

Bei der Platzwahl ist wichtig, dass der oder die Satelliten über das Haus bzw. die Wohnung verteilt werden, dabei aber noch nah genug am Router stehen um mit diesem kommunizieren zu können. Der Router kam in meinem Fall an den Ort, an dem sich auch die Fritz!Box befindet, der Satellit kam ins Wohnzimmer, um Streaming-Player, Fernseher, Xbox und Notebooks mit schnellem WLAN zu versorgen.

Im Anschluss dann die App gestartet und den Anweisungen gefolgt. Erster kleiner Minuspunkt: Die App ist nur auf Englisch verfügbar. Wer dessen nicht mächtig ist, könnte hier also Probleme bekommen. Schon die Infos im Google Play Store zeugen von Google Translate statt „echter“ Übersetzung. Per Browser ist die Einrichtung dann aber auch auf Deutsch möglich. Letztendlich verläuft die Einrichtung auch ohne weitere Auffälligkeiten. Netzwerkname, Passwort zum System, bevorzugte Einstellungen, all das kann während der geführten Einrichtung angepasst werden. Allerdings: Der Login ist standardmäßig „Admin“ und kann auch nicht geändert werden. Sicherheitstechnisch ist das bedenklich, schließlich stellt der korrekte Nutzername normalerweise schon die erste, wenn auch nicht besonders große, Hürde dar.

Ansonsten macht es Netgear hinsichtlich der Sicherheit aber genau richtig: Admin Passwort und WLAN-Passwort müssen geändert werden,  sonst geht die Einrichtung nicht weiter. Einige Hersteller vernachlässigen diesen Punkt noch immer und die Nutzer sind dann oft mit Standardpasswörtern und -logins unterwegs.

Verarbeitung, Haptik, Optik

Zur Optik muss sich jeder seine Meinung bilden, ich finde die Orbi abgesehen davon dass sie weiß sind gar nicht so hässlich. Schwarz würde mir allerdings noch besser gefallen ;). Ansonsten fügen sie sich sicher in die meisten Haushalte unauffällig ein.

Für Statusanzeigen haben Router und Satelliten einen LED-Ring auf der Oberseite verbaut. Während der Einrichtung sehr praktisch um den Status zu prüfen, im Alltag schalten die LED dann komplett ab, sofern es eben keinen neuen Status zu vermelden gibt.

Netgear sagt zum Gehäuse: „Alle Orbis kommen mit einem hochwertigen matt-finish / rubber-finish Gehäuse, dass in der Produktion mit das Teuerste ist, was aus technischen Gründen um einen Router verbaut werden kann.“.

Das ganze in Nicht-Marketing-Sprech: Die Gehäuse bestehen komplett aus Kunststoff und erscheinen auf den ersten Eindruck ein wenig billig – vor allem da die Geräte auch noch recht leicht sind und hohl erscheinen. Das tut der Funktionalität keinen Abbruch und hat auch einfach mit der Antennenpositionierung und dem Design zu tun, der erste Eindruck ernüchtert aber erstmal kurz. Letztendlich stellt man die Orbi aber nach der Ersteinrichtung einmal an ihren Platz und fasst sie sehr wahrscheinlich bis zum nächsten Umzug sowieso nicht mehr an. Daher ist der Punkt verschmerzbar.

Auseinander gefallen sind sie im Test auch nicht, es klappert nichts und die Spaltmaße sind gleichmäßig, soweit also keine Patzer seitens Netgear.

Netgear Orbi App

Bei der Einrichtung habe ich sie schon angesprochen. Neben der Funktion als Installationsanleitung ist die App ansonsten aber ziemlich… nutzlos.

Sie kann den Status der Geräte anzeigen, was meistens ein paar Sekunden dauert – wenn die Infos denn geladen werden. Auch die Logins und die WLAN-Einstellungen zur SSID und Schlüssel lassen sich ändern und neue Satelliten können hinzugefügt werden, das war es dann aber auch schon. Übrigens wird der WLAN-Schlüssel nach dem Login in die App immer im Klartext angezeigt. Warum auch immer.

Browser Konfiguration

Neben der App kann die Konfiguration auch über den Browser erfolgen. Hier gibt es dann auch weit mehr Konfigurationsmöglichkeiten als in der App. Firmware-Update können hier gemacht, neue Satelliten hinzugefügt und die WLAN-Config komplett angepasst werden. Erreichbar ist es unter Orbilogin.com, wenn man mit dem WLAN des Orbi verbunden ist. Falls man per Kabel verbunden ist tut es aber auch die IP-Adresse des Routers.

Dazu gibt es noch Features wie die Zugriffssteuerung, Kindersicherung und Zeit- oder Volumenkontingente für einzelne Nutzer bzw. Geräte. Optisch ist das Menü Netgear-Typisch etwas altbacken und das wenige vorhandene „Design“ ist nur spärlich darauf angepasst, was es denn anzeigen soll. So gibt es statt fester Statusanzeigen dann Lauftexte, weil die Beschriftung nicht in den dafür vorgesehen Bereich passt. Tja nun.

Davon ab ist das Menü aber übersichtlich und einfach gestaltet. In der erweiterten Ansicht lassen sich allerlei Feinheiten des Netzwerks einrichten, auch der Betriebsmodus kann zwischen Router und Access Point gewechselt werden. In meinem Fall habe ich die Betriebsart als Access Point gewählt, um mein Netzwerk für den Test nicht komplett umbauen zu müssen. Im Access Point Betriebsmodus sind dann einige Optionen wie die Kindersicherung oder zeitbasierte Zugriffssteuerung ausgeblendet.

Performance

Nach der Einrichtung ein erster kurzer Rundgang durch die Wohnung um die Abdeckung auszuprobieren und siehe da: Auch in der Küche und auf der Terrasse ist nun voller WLAN-Empfang. Alle verbundenen Geräte bestätigten eine hervorragende Verbindung, ein anschließender erster Speedtest bestätigte das dann auch: Meine 50Mbit VDSL-Leitung kann nun auch per WLAN voll und vor allem Stabil ausgelastet werden. Die Fritz!Box zeigte hier noch deutliche Schwankungen.

Also ab ans Notebook und dort den WLAN Speed etwas genauer unter die Lupe genommen. Als Testgerät habe ich das Microsoft Surface Book genutzt, das die aktuellen WLAN-Standards unterstützt. Effektiv konnte ich hier eine Durchschnittliche Transferrate von knapp 30MB/s messen, zeitweise schoss es auf über 45MB/s hoch oder brach auch mal auf 20MB/s ein. Aber zum Vergleich: Über die Fritz!Box war oft schon bei 8MB/s Schluss. Der größte Vorteil allerdings liegt darin, dass ich diese Datenraten auch erreicht habe, als parallel noch auf dem TV die Netflix App gerade einen Film in 1080p gestreamt hat. Weder gab es dabei Abbrüche beim Streaming, noch Einbrüche in der Datenübertragung. Surfen per Smartphone war ebenfalls noch mühelos möglich. All das hätte die Fritz!Box wohl schon überfordert, da nur ein 5GHz Kanal zur Verfügung steht.

Der Wechsel zwischen den Meshpoints ist nicht zu bemerken. Nehme ich das Smartphone, starte ein Video auf YouTube und gehe damit vom Wohnzimmer in die Küche – erzwinge also zwischendurch durch die Entfernung einen Netzwechsel – läuft das Video ohne Unterbrechung durch. Ich hatte schon vorher mit WiFi-Roaming, Repeatern, etc. herumexperimentiert, aber so richtig seamless wie jetzt war es nie.

Ein Ersatz für meine Gbit Verkabelung, die die wichtigsten Geräte wie das NAS, PC, Receiver, etc. Verbindung wird es aber wohl noch nicht. Zwar nähert sich WLAN so langsam dem verkabelten Netzwerk hinsichtlich der Geschwindigkeit an, eine echte Gigabit-Anbindung mit etwa 120MB/s ist dann aber doch noch um einiges schneller und belastbarer.

Erweiterung?

Mit der Zeit können sich die Anforderungen ändern. Das hat auch Netgear begriffen und so können einzelne Satelliten nachgekauft und das System so Schritt für Schritt erweitert werden. Bis zu drei Satelliten unterstützt der Netgear Orbi RBK40 Router – ein einzelner Satellit schlägt mit etwa 200 Euro zu Buche. Kein günstiger Spaß.

Fazit

Alles in allem bin ich ziemlich zufrieden mit dem System und kann zumindest hinsichtlich der Performance keine Schwachstellen finden. Bei größeren Gebäuden oder Wohnungen lohnt sie die Anschaffung auf jeden Fall, vor allem wenn man bislang mit toten Winkeln in der WLAN-Versorgung zu kämpfen hat. Auch für Anspruchsvolle Nutzer, die mehrere Datenintensive Geräte parallel nutzen müssen ist ein solches Mesh System eine Überlegung wert.

Punktabzug gibt es für das etwas billig wirkende Gehäuse der Geräte und die nur auf Englisch verfügbare App, die neben der Einrichtung keinen wirklich Mehrwert bietet.

Der Preis ist dann natürlich so ein Haken – bei derzeit 329 Euro gehts los für das kleinste RBK30 Set. So wirklich lohnt sich das allerdings nicht, denn schon für 20 Euro mehr gibt es das wesentlich leistungsfähigere RBK40 Set. Wer noch einmal 50 Euro drauflegt bekommt mit dem RBK50 das stärkste System. Die Satelliten liegen je nach Modell bei 200 (RBS40) oder 250 (RBS50) Euro. Den kleinsten Satelliten RBS30 gibt es derzeit nicht einzeln. Günstig ist das System damit nicht unbedingt, vor allem wenn man bedenkt, dass noch kein Modem integriert ist. Das braucht man also auch noch extra. Andererseits: Ein einzelner leistungsfähiger WLAN-Router mit einem Repeater ist in der Regel auch nicht viel günstiger.

 

Hannes

Metalhead, Audiophil, meist mit Kopfhörern anzutreffen. Seit Kindertagen am PC unterwegs und seitdem nicht davon weggekommen. Schreibt dinge über PCs, Smartphones und Notebooks ins Internet.

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