Regie-Haudegen Michael Bay lässt es in den heimischen Kino wieder ordentlich scheppern, explodieren und hat ein frisches Spielzeug entdeckt: Drohnenkameras. „Ambulance“ versuppt nicht in bekanntem US-Patriotismus sondern rechnet knallhart mit Amerika ab während jene Action im Dauerzustand auf die Zuschauer prasselt. Unsere Filmkritik zu „Ambulance“.
Michael Bay hat die Schnauze gestrichen voll. Vom ewigen Hooray-Patriotismus seiner Landsmänner oder heutzutage klar als gescheiterten romantischem American Dream. Womöglich tiefe Verbitterung darüber ist zweifellos nicht in seinem neuesten Werk zu erkennen. Vielmehr sind die Figuren mit all ihren charakterisierenden Facetten, die derartige Schlüsse zulassen. Bemerkenswert bleibt natürlich wie es Michael Bay fertig brachte einen kleinen dänischen Thriller, eher im Kammerspiel anzusiedeln, zum 136 Minuten dauerenden atemlosen Actionkrawall aufzublasen. Für ihn ist es schlichtweg eine kleine Rückkehr – nach dem eher verunglückten Ausflug zu Streamingprimus Netflix um dort den lärmenden Klumpatsch „6 Underground“ abzuladen, fügt sich „Ambulance“ wiederum perfekt in seine klassische Filmografie á la „Bad Boys“ und „The Rock“ ein. Zuletzt machte er von sich reden, da Bay mit seiner Produktionsschmiede Platinum Dunes u.a. hinter der gesellschaftskritischen „The Purge“-Reihe steht.
Gleich zu Anfang nimmt er uns in den typisch hektischen Alltag von Notfallsanitäterin Cam Thompson (Eiza González) mit, die als Beste wenngleich schwierigste Kollegin ihres Team gilt, weil Sie einerseits professionell für das Überleben verletzter Patienten sorgt aber recht gefühlskalt die Tätigkeit betrachtet. Während das Aussehen zur Abwechslung zweitrangig inszeniert wird, lässt der Film eine charakterliche Tiefe zu, die leider gegen Ende zu offensichtlich wirkt. Irak-Veteran Will Sharp (Yahya Abdul-Mateen II) plagen nämlich höchste Geldsorgen. Seine krebskranke Frau sowie junge Mutter könnte durch eine experimentelle Operation durchkommen, jedoch zahlt die Army-Versicherung nicht. Minutenlang appelliert er an der generischen Hotline um die Empathie einer nummerisch bekannten Mitarbeiterin – „Ich möchte mit einem Menschen sprechen!“, heißt es da etwa. Abhilfe könnte sein krimineller Adoptivbruder Danny (Jake Gyllenhaal) schaffen, dessen gemeinsamer Vater als Bankräuber die Polizei in Atem hielt, doch plötzlich geht alles ziemlich schnell. Danny plant einen letzten Raubzug – Will soll mitkommen. Trotz starker Bedenken willigt er ein. Doch ein verliebter Cop durchkreuzt den ohnehin dürftigen Plan, nach heftigen Schusswechseln finden sich Will, Danny und Eiza sowie der schwerverletzte Cop im flüchtenden Krankenwagen wieder.
Daraufhin folgt eine 100 Minuten andauernde atemberaubende Verfolgungsjagd durch das meist sonnendurchflutete Los Angeles, in der nicht nur andere Fahrzeuge sondern auch Passanten durch Seitengassen gehetzt werden und im Inneren des Krankenwagens mal mehr oder weniger brenzlige Situationen abspielen. Während das dänische Original aus finanziellen Gründen auf schwarzen (verbalen) Humor setzte, lässt es Bay dafür eben ordentlich explodieren. Zumal seine neue Leidenschaft wohl Drohnenkameras gilt – mehrmals lässt er sie innerhalb einer Sequenz durch die Lüfte wirbeln, an Häuserfassaden entlang schweben um fabulös vor dem Gesicht von Jake Gyllenhaal zu stoppen. Der wiederum spielt seine Figur „Danny“ auf ganzer Linie psychopathisch-amüsant. Drehbuchautor Chris Fedak versucht ihm zwar inhaltliche Tiefe zu verleihen, was oftmals an fehlenden Ankerpunkten scheitert. Bei „Will“ als Leidfigur hingegen gelingt dies merklich besser, da seine todkranke Frau als Motivation klarer zu greifen ist. Positiv überrascht Eiza González, deren Aussehen ihre Dialoge mit den Räubern nicht bedingt sondern Angst, Wut oder Empathie offen zeigen darf, was bei Michael Bay-Verhältnissen nicht allzu verständlich ist.
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- Nicolas Cage, Sean Connery, Ed Harris (Schauspieler)
- Michael Bay (Regisseur)
Gedreht wurde während der Hochzeit der Pandemie in Amerika, was man jedoch dem Film in keiner Form anmerkt. Vielmehr lässt er keine Atempause. Erinnerungen an „Dunkirk“ werden wach, obwohl niemals die gleiche Intensität erreicht wird. Sobald Cam noch per Anweisung durch’s Smartphone noch eine Operation durchführen muss, ist ein starker Magen gefragt, bevor die Milz vollends reißt. Dank FSK 16-Freigabe wird nämlich so gut es geht draufgehalten. Schlussendlich bleibt „Ambulance“ der kritischste Film seitens Michael Bay. Die amerikanische Flagge weht nicht majestätisch sondern wird von schräg unten fotografiert. Soldaten sind bloße Schachfiguren auf einem riesigen Brett. Wer etwas will, wartet nicht mehr, sondern holt es zwangsläufig mit Gewalt. Wäre der Schluss nicht obligatorisch Hollywood-like, hätte sich Bay ein kleines Denkmal setzen können.
Ambulance. USA 2022. Regie: Michael Bay. Mit Jake Gyllenhaal, Yahya Abdul-Mateen II, Eiza González. 136 Minuten. FSK: Ab 16 Jahren.
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Vielen Dank an CinemaxX für die freundliche Bereitstellung des Tickets. Kinotickets für „Ambulance“ gibt es hier.
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